Fußball

Schalke gegen Real Madrid? Ein königlicher Feiertag! "Furchtbar - es geht nie nur um Fußball"

Vollblutfans.

Vollblutfans.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er ist Fan des FC Schalke 04 und schreibt drüber, seit sieben Jahren, in seinem "Königsblog" - kritisch, analytisch und durchaus meinungsfreudig. Ein Gespräch mit Torsten Wieland über das Achtelfinale in der Champions League gegen Real Madrid (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de), die bisweilen freudlose Stimmung in Gelsenkirchen, die "Spacken" vom Nachbarn aus Dortmund und in den eigenen Reihen, einen getrieben Trainer Jens Keller. Und über liebenswerte Freaks mit selbstgestricktem Schalke-04-Pullover.

n-tv.de: Nervös?

Torsten Wieland: Nö, wieso? Wir haben doch nichts zu verlieren.

Nach seiner Glanzzeit als Königlicher erlebte Raul als Königsblauer einen zweiten Frühling.

Nach seiner Glanzzeit als Königlicher erlebte Raul als Königsblauer einen zweiten Frühling.

(Foto: picture alliance / dpa)

Aber Real Madrid kommt doch nach Gelsenkirchen, der bekannteste Fußballverein der Welt. Mit Cristiano Ronaldo, dem besten Fußballer der Welt.

Aber Schalke steht nicht wirklich unter Druck. Wir sind krasser Außenseiter, aber das macht nichts. Das ist ein besonderer Gegner, zumal es das erste Mal gegen Real Madrid geht. Dazu die Geschichte mit Raul, der in beiden Klubs der große Held ist, das verbindet einen auch. Das macht das alles zu etwas Außergewöhnlichem. Aber Spiele in der Champions League sind immer etwas Besonderes. Ich liebe diese Abende.

FC Schalke - Real Madrid 1:6(0:2)

Tore: 0:1 Benzema (13.), 0:2 Bale (21.), 0:3 Ronaldo (52.), 0:4 Benzema (57.), 0:5 Bale (69.), 0:6 Ronaldo (89.), 1:6 Huntelaar (90.+1)

FC Schalke 04: Fährmann - Höwedes, Matip, Felipe Santana, Kolasinac (76. Christian Fuchs) - Kevin-Prince Boateng (59. Goretzka), Neustädter - Farfan (72. Obasi), Meyer, Draxler - Huntelaar. - Trainer: Keller

Real Madrid: Casillas - Carvajal, Pepe, Ramos, Marcelo - Alonso (73. Illarramendi) - Modric, Di María (68. Isco) - Bale (80. Jese), Benzema, Ronaldo. - Trainer: Ancelotti

Schiedsrichter: Howard Webb (England)
Zuschauer: 54.442 (ausverkauft)

Wie, keinen Druck? Schalke tritt doch nicht an, um sich Autogramme abzuholen.

In der Vorrunde ging’s in erster Linie ums Weiterkommen. Aber jetzt im Achtelfinale gegen Real, da können die Schalker nur gut aussehen. Es sei denn, sie lassen sich wie Leverkusen völlig unterbuttern und zeigen gar nichts. Aber die Chancen sind ganz gut, dass wir da mit einem guten Gefühl rausgehen.

In der Hinrunde machte es den Eindruck, als sei Fußball in Gelsenkirchen eine eher freudlose Angelegenheit. Und vor der Partie gegen den FC Basel schien es, als würde sich keiner so richtig auf dieses Gruppenendspiel freuen. Täuscht das?

Nein, die Stimmung kippt halt schon mal flott. Man musste nach einem guten Start in die Champions League Angst haben, dass sie das noch versauen. Da war die Stimmung zwischendurch nicht so toll – auch, weil die Mannschaft keinen guten Fußball gespielt hat.

Und jetzt ist wieder alles prima?

Durch die guten Ergebnisse in der Rückrunde ist die Laune wieder gut, das ist halt so. Wobei, so viel besser, so viel dominanter als in der Rückrunde waren die letzten Spiele auch nicht. Bei den Siegen in Leverkusen und gegen Wolfsburg zum Beispiel hat Schalke auch Glück gehabt. Gehört auch dazu. Ich will damit nur sagen: So nahe liegt das beieinander. Aber der Erfolg macht die Stimmung aus. Ich freue mich ja auch.

Königsblogger: Torsten Wieland setzt seinem FC Schalke ein Denkmal aus Buchstaben.

Königsblogger: Torsten Wieland setzt seinem FC Schalke ein Denkmal aus Buchstaben.

Aber der Anspruch der Fans ist schon, dass der Klub national, wenn wir den FC Bayern mal ausklammern, oben mitspielt und international zumindest die K.o.-Runde erreicht?

Der Anspruch geht vom Verein aus. Ziel des FC Schalke 04 ist es, in der Champions League dabei zu sein. Das formulieren die Verantwortlichen auch vor jeder Saison so. Deshalb finde ich es falsch, wenn es heißt: Ach, die Fans haben so ein Anspruchsdenken. Keiner sagt, wir müssen unbedingt Meister werden. Aber es ist ja so: Schalke hat Schulden und einen teuren Kader, die Gehälter von Jefferson Farfan und Klaas-Jan Huntelaar wollen erst mal bezahlt werden. Also brauchen sie das Geld aus der Champions League und rufen das als Ziel aus.

Und dafür brauchen sie gute, sprich teure Spieler.

Wer viel investiert, muss sich daran messen lassen. Beispiel: Kevin-Prince Boateng. Der Saisonstart geht schief, und die hauen mal eben zehn Millionen Euro raus, um diesen Spieler zu holen. Und ich weiß nicht, wie viel Gehalt und Handgeld der kassiert. Da ist es doch normal, wenn die Leute sagen: Jetzt wollen wir aber auch was sehen.

Für Trainer Jens Keller ist Real Madrid die zweitbeste Mannschaft der Welt - hinter dem FC Bayern, am Samstag Gegner der Schalker. Sind beide nicht eine Nummer zu groß?

Zwischen den Klubs da oben und der zweiten Garde, zu der auch die Schalker gehören, ist der Abstand wahnsinnig groß. Die Bayern könnten auch mit ihrer Reserve Meister werden. Vielleicht ändert sich das wieder. Vor zwei Jahren war noch Borussia Dortmund die Topmannschaft - auch nicht so ewig her. Ich hoffe schon auf eine gewisse Angreifbarkeit der Bayern. Aber ich kann nicht verurteilen, was die machen. Schalke versucht auch, sich von Klubs wie Mainz zu distanzieren und sich eine Mannschaft zu bauen, die möglichst sicher die Champions League erreicht.

Sehen Sie ihren Lieblingsklub da auf einem guten Weg?

Die Mannschaft ist zusammengewürfelt aus Stars und Jugend - daraus muss der Trainer ein Team machen. Ich halte es auch finanziell für den richtigen Weg, Talente zu holen, sie groß zu machen und dann teuer zu verkaufen. Und ihnen nicht nachzuweinen. Das ist - ganz pragmatisch - die beste Möglichkeit, sich zu konsolidieren und Gewinne zu erzielen. Wenn man sieht, dass im Gespräch ist, für Julian Draxler eine Ausstiegsklausel von 45 Millionen Euro zu ziehen, ist das eine Ansage. Ob jemand diese Summe zahlt, weiß ich nicht. Aber völlig unrealistisch scheint das nicht.

Schalke-Coach Jens Keller wirkt auf Wieland wie ein Getriebener.

Schalke-Coach Jens Keller wirkt auf Wieland wie ein Getriebener.

(Foto: AP)

Apropos Trainer. Jens Keller scheint seit seinem Amtsantritt im Dezember 2012 gegen seine Entlassung zu kämpfen. Wie erklären Sie sich das?

Er war ja am Anfang wirklich ein Trainer auf Abruf. Das ist der Punkt. Er wurde als Nachfolger von Huub Stevens zum Cheftrainer befördert und es wurde ganz klar gesagt: nur bis zum Saisonende. Man hatte das Gefühl: Manager Horst Heldt sucht in diesem halben Jahr seinen Wunschtrainer und der kommt dann. Doch dann hatte man das Gefühl: Er kriegt das nicht auf die Kette. Deswegen ist Jens Keller geblieben, nachdem Schalke sich am letzten Spieltag der vergangenen Saison für die Champions League qualifiziert hatte.

Es fällt auf, dass Jens Keller ständig glaubt, sich rechtfertigen zu müssen.

Furchtbar. Das finde ich ganz schlimm. Ich glaube, es gibt kein Interview mit ihm, wo es nicht darum geht, wie er sich denn fühlt, immer noch Trainer auf Schalke zu sein, wo doch alle darüber reden, dass er rausfliegt. Es geht nie einfach nur um Fußball. Er ist Cheftrainer bei Schalke 04 - der Mann muss über Fußball reden. Mönchengladbachs Lucien Favre hat mal auf einer Werbetafel erklärt, wie seine Mannschaft spielt. Seitdem gilt er als der Riesen-Taktikfuchs. Ich bin fest davon überzeugt, dass Jens Keller das auch alles draufhat. Aber darüber redet kein Mensch. Er wird immer nur als derjenige wahrgenommen, der darüber spricht, wie hart sein Leben ist. Da tut er sich keinen Gefallen mit. Er wirkt nicht wie einer, der seine Rolle als Chef völlig beherrscht. Sondern eher wie ein Getriebener.

Was hat Jens Keller für einen Stand bei den Fans?

Das ist wie mit allen, ob Felix Magath, Mirko Slomka oder Keller - wenn er gewinnt, sind alle zufrieden und sagen: Das ist unser Mann. Und wenn er verliert, kommt eben die Kritik.

Gefühlt haben ja 18 Bundesligaklubs die besten Fans der Liga. Was macht die Schalker aus?

Das sind doch alles Plattitüden. Was mir auffällt ist, dass es auf Schalke noch richtige Freaks gibt. Das macht mich ein bisschen stolz. Auf einem Hallenturnier in Mühlheim ist mir eine Frau mit einem selbstgestrickten Schalke-04-Pullover über den Weg gelaufen. Es gibt noch diese Old-School-Fans, die nicht diesem Kommerz erlegen sind, die nicht den Zehn-Euro-Schal aus der Maschine haben. Das beeindruckt mich.

Und die Sache mit der Gegnerschaft zum BVB. Ist das Folklore oder Überzeugung? In der Hinrunde haben Dortmunder auf Schalke randaliert.

Man muss da zwei Sachen unterscheiden. Was da beim jüngsten Derby in der Schalke-Arena passiert ist - das ist furchtbar. Das macht auch die harmlosen Fans sehr wütend. Auch mich. Ich käme nie auf die Idee, jemanden zu beleidigen, weil er einen Dortmund-Schal trägt. Aber ich hatte echt einen Hals, als ich gesehen habe, dass die unser Stadion kaputtmachen. Aber es gibt eben diese Spacken, leider überall, Schalke hat da auch einen Batzen von. Deswegen ist es auch sinnvoll, möglichst zu versuchen, sich im Vorfeld um die Sicherheit zu kümmern.

Und auf der anderen Seite?

Habe ich super Kollegen, die Dortmund-Fans sind. Wir hauen uns ein paar Sprüche rein, ansonsten sind das die nettesten Gesprächspartner, die man sich vorstellen kann. Wir haben ja im Derby vor allem deswegen diese Rivalität, weil die Leute auf der anderen Seite einem selbst am nächsten sind. Das sind eben die gleichen Typen, das sind die Leute, mit denen man am nächsten Tag arbeitet. Der Begriff Folklore allerdings gefällt mir nicht, das klingt so negativ. Es herrscht eine gewisse Gegnerschaft, aber durchaus im Guten, die bei der überwiegenden Mehrheit nicht über einen doofen Spruch hinausgeht.

Warum eigentlich Fußball. Gibt’s nichts Sinnvolleres?

Das ist schon ein schickes Hobby. Ich bin Mitglied, habe eine Dauerkarte, treffe mich vor dem Spiel mit Freunden, ich sitze neben unserer Trauzeugin und besten Freundin meiner Frau im Block. Und ich schreibe seit 2007 in meinem Blog drüber. Das bedingt eine andere Wahrnehmung, seitdem gucke ich noch genauer hin. In der Zeit habe ich fast alles großen Fußballvereine Europas auf Schalke gesehen. Den FC Barcelona, Valencia, Atletico Madrid, Paris St. Germain, Olympique Lyon, Inter Mailand, Chelsea, Arsenal, Manchester City, Manchester United. Und jetzt kommt Real. Was will man mehr? Ein Feiertag!

Mit Torsten Wieland sprach Stefan Giannakoulis

Quelle: ntv.de

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