Schwächende Machtworte Gegenwind für Bundes-Jogi
04.09.2009, 15:42 UhrDie Überschrift hatte Symbolcharakter: "Ballack spricht Machtwort und stärkt Löw." So lautete der Titel eines Interviews, das der Sport-Informations-Dienst vor wenigen Tagen mit DFB-Kapitän Michael Ballack führen durfte. Und auch wenn der Gesprächsinhalt nicht wirklich hielt, was die Überschrift versprach, zeigt schon die Wahl der Worte: Es gibt ein Problem in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Joachim Löw macht sich mit seinem Führungsstil trotz einer guten Bilanz angreifbar.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Wenn die Kanzlerin einen ihrer Minister stärkt, verheißt das zumeist nichts Gutes. Noch schlimmer aber ist, wenn die Minister plötzlich öffentlich beginnen, ihre Kanzlerin in Schutz zu nehmen. Angesichts dieser Vorzeichen überraschen auch die Gerüchte nicht, Jürgen Klinsmann könnte seinem Nachfolger künftig als Berater unterstützend zur Seite stehen. Der DFB dementierte dies jedoch sehr schnell und ließ über Teammanager Oliver Bierhoff mitteilen, Löw brauche keine Ratschläge.
In der Tat: Die Bilanz des Bundestrainers ist alles andere als schlecht und rechtfertigt die Diskussionen eigentlich nicht. Von den 40 Spielen unter Cheftrainer Löw gewann die deutsche Auswahl immerhin 28 Partien, nur sechs gingen verloren. Auf eine ähnlich gute Bilanz kommt in den letzten zwei Jahrzehnten nur Berti Vogts, der inzwischen Aserbaidschan trainiert. Auch in der WM-Qualifikation sieht es eigentlich gut aus für die Löw-Truppe. 19 von 21 möglichen Punkten holte die deutsche Elf in den ersten sieben Spielen, die WM-Qualifikation ist aus eigener Kraft möglich.
Kaum Spielkultur, keine Hierarchie
Allein: Spielerisch konnte die deutsche Mannschaft seit der Fußball-EM 2008 nur einmal überzeugen, in der ersten Halbzeit beim 2:1 gegen Russland. Damals, im vergangenen Oktober in Dortmund, spielte die DFB-Elf in den ersten 45 Minuten so gut, dass Ersatzmann Kevin Kuranyi in der Halbzeitpause die Flucht aus dem Stadion ergriff und seine Nationalmannschaftskarriere damit beendete. Er wusste wohl, in dieser Elf würde es für ihn auch in Zukunft nur für einen Tribünenplatz reichen.

Als Kevin Kuranyi ging, ging es mit der Nationalelf bergab. Besteht da irgendein Zusammenhang?
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Bitter für Kuranyi: Seit seinem Abschied stagniert die Mannschaft spielerisch, das Niveau ist deutlich gesunken und seiner Rückkehr stünde rein leistungsmäßig nichts im Wege. Bei Löw klingt das so: "Ich war mit den Leistungen in den letzten Spielen auch nicht zufrieden. Wir müssen die Feinabstimmung sowie die Automatismen verbessern und auch an der Harmonie arbeiten."
Schleichende Demontage, ...

Friedlich beisammen im Training: Michael Ballack und Lukas Podolski.
(Foto: dpa)
Harmonie ist ein wichtiges Stichwort. Die Backpfeife von Lukas Podolski gegen Michael Ballack im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales war symptomatisch dafür, dass der deutschen Mannschaft eine klare Hierarchie abhanden gekommen ist. Die jungen Akteure tun sich zunehmend schwer, den unumschränkten Führungsanspruch des alternden "Kapitanos" auf dem Platz zu akzeptieren.
Problem Nr. 1 dabei: Ballack ist nach dem "Rücktritt" von Jens Lehmann der einzig verbliebene Leitwolf im DFB-Team. Problem Nr. 2: Die sportliche Führungsriege mit Löw und Bierhoff lässt Ballacks schleichende Demontage zu, obwohl sie nicht auf ihn verzichten kann.
... große Rotation
Erst trübte der "Wink-Elemente"-Streit nach dem verlorenen EM-Finale die Stimmung, dann folgte die nicht wirklich aufgearbeitete Watsch'n-Affäre. Mit Torsten Frings wurde zudem einem von Ballack sehr geschätzten Mitspieler indirekt aber nachdrücklich nahegelegt, seine Nationalmannschaftskarriere von sich aus zu beenden. Gegen Südafrika wurde der Bremer wieder nicht nominiert, ihn offiziell und endgültig ausladen mag Zauderer Löw aber auch nicht.

Fehlende Konsequenz oder Chancengleichheit? Robert Enke (v.l.), Tim Wiese, Manuel Neuer und Rene Adler sollen in diesem Jahr noch im DFB-Tor stehen dürfen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Immerhin: Damit Torsten Frings nicht der einzig frustrierte Werder-Profi ist, schickt sich Löw an, es sich auch mit Tim Wiese zu verscherzen. Offiziell nennt sich das Vierkampf um die Nr. 1, entscheiden will sich Löw erst zu Beginn des WM-Jahres. Bis dahin gibt er gerade auf jener Nationalmannschafts-Position, die jahrzehntelang durch Konstanz geprägt war, den großen Rotator. Im Spiel gegen Südafrika soll René Adler vor heimischem Publikum in Leverkusen spielen, im WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan darf Robert Enke vor eigener Kulisse in Hannover spielen.
Hoffnung für Krokodil Dundee?
Für die Testspiele im November plant Löw hingegen, Tim Wiese und Manuel Neuer jeweils eine Bewährungschance über 90 Minuten zu gewähren. Abgesehen von Wiese spielt dabei jeweils der Torhüter, der gerade Heimspiel hat. Vielleicht dürfen sich ja die Herren Hildebrand und Lehmann doch wieder Hoffnungen machen wenn zukünftig ein Länderspiel in Sinsheim oder Stuttgart ausgetragen wird?

Erinnern Sie sich überhaupt noch an Sean Dundee?
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Oder auch Sean Dundee, sollte sich die DFB-Elf wie erwartet für die WM qualifizieren. Dundee ist zwar eigentlich Stürmer, aber in Südafrika geboren - und wartet nach seiner Einbürgerung noch immer auf sein erstes Länderspiel für Deutschland. Unter Löw, dem Chef ohne klaren Führungsstil, scheint derzeit vieles möglich im Nationalteam - nur eindeutige Entscheidungen nicht.
Quelle: ntv.de