Kader wird immer schwächer Guardiolas City verbreitet keine Angst mehr
31.10.2020, 09:03 UhrBei Manchester City läuft es nicht. Pep Guardiola hat den schlechtesten Saisonstart seiner Karriere hingelegt. Doch die Krise ist nicht neu. Die Mannschaft verliert nach und nach an Qualität.
3:0 gewonnen, mit der besten Leistung der Saison, und das auch noch auswärts. Im zweiten Champions-League-Spiel den zweiten Sieg eingefahren, trotz anhaltender Verletzten-Misere. Das sah Pep Guardiola als gute Gelegenheit, um sich gegen die Kritik zu wehren, die in der jüngsten Vergangenheit laut geworden ist an Manchester City und an ihm selbst. "Heutzutage mit den Sozialen Medien ist das so: Wenn man gewinnt, ist es ein Meisterwerk, wenn man verliert, ist es ein Desaster. Wichtig ist, dass der Klub stabil ist", sagte der Trainer nach dem Erfolg bei Olympique Marseille unter der Woche.
Er hat natürlich Recht mit dem Befund, dass die Debattenkultur bei Twitter und anderen Diensten von Hysterie geprägt ist, doch das alleine reicht nicht als Grund für die Alarmstimmung um Manchester City. Die Faktenlage ist ja eindeutig: In der Premier League haben die Himmelblauen einen Fehlstart hingelegt und gehen als Tabellendreizehnter in die Partie bei Sheffield United an diesem Samstag. Zwei Siege aus fünf Spielen - das ist die schlechteste Auftakt-Bilanz für Guardiola in seiner Trainerkarriere. Das Portal Football365 schrieb nach dem drögen 1:1 am vergangenen Wochenende bei West Ham United: "Keine Mannschaft mehr hat vor Guardiolas City Angst. Keine Mannschaft sollte Angst haben. Willkommen in Citys neuer Normalität." Willkommen im Mittelmaß.
Prozess des Niedergangs
Bei der Erklärung für den Absturz gibt es ein paar mildernde Umstände. An erster Stelle steht natürlich: die Corona-Pandemie. Sie hat den Terminplan des internationalen Fußballs gestaucht. Klubs mit Verpflichtungen im Europapokal haben aktuell kaum Zeit zur Erholung. Außerdem ist Manchester City von ständigen Personalsorgen geplagt. Aymeric Laporte, Ilkay Gündogan und Riyad Mahrez fielen in dieser Saison schon wegen Corona-Erkrankungen aus. Kevin De Bruyne ist gerade erst von einer Muskelverletzung genesen, Torjäger Sergio Agüero fehlte seit Juni nach einer Knie-OP und verletzte sich gegen West Ham gleich wieder am Oberschenkel. Auch sein Vertreter Gabriel Jesus ist unpässlich. Wenn irgendwo im himmelblauen Gefüge ein Loch gestopft ist, dann tut sich an anderer Stelle ein neues auf.
Es wäre allerdings zu einfach, die Krise alleine auf äußere Umstände zu schieben. In Wahrheit ist sie ja keine neue Erscheinung, sondern ein schon länger dauernder Prozess des Niedergangs. Nicht mehr viel ist übrig von der Aura der Unantastbarkeit, von der Dominanz, mit der Manchester City 2018 und 2019 zum Premier-League-Titel geschwebt war. In der vergangenen Saison wurde der Klub im Titelrennen vom FC Liverpool gedemütigt (18 Punkte betrug am Ende der Rückstand) und blamierte sich in der Champions League einmal mehr mit dem fast schon traditionellen Viertelfinal-Aus, diesmal gegen Olympique Lyon.
Dem zugrunde liegt ein sukzessiver Qualitätsverlust des Kaders, trotz Investitionen von angeblich rund einer Milliarde Euro seit Guardiolas Amtsantritt vor vier Jahren. Dass der Trainer immer noch keine vertrauenswürdige Abwehrreihe zusammen hat, ist dabei nur ein Teil des Problems. Manchester City ist dabei, einen Umbruch zu verschlafen. Für den im vergangenen Jahr verabschiedeten Kapitän und Anführer Vincent Kompany wurde kein gleichwertiger Ersatz geholt. Im defensiven Mittelfeld ist der 35 Jahre alte Fernandinho immer noch wichtigster Mann.
So viele Schwachstellen
Auf der Spielmacher-Position soll der junge und ohne Zweifel hochbegabte Phil Foden die abgewanderte City-Ikone David Silva ersetzen. Das ist zumindest riskant. Auf dem linken Flügel fehlt die Unberechenbarkeit Leroy Sanés, und im Sturm kommt Jesus nicht an die Klasse des alternden Rekord-Torschützen Agüero heran. So viele Schwachstellen im Konstrukt sind ein deprimierendes Ergebnis für einen Verein, der dank Besitzer Scheich Mansour aus Abu Dhabi über schrankenlosen Reichtum verfügt.
Auch Guardiola wird immer mehr zum Thema. Sein Vertrag endet nach dieser Saison, er war dann fünf Jahre bei Manchester City, länger als bei seinen vorherigen Stationen FC Barcelona (vier) und FC Bayern (drei). Der Verein will ihn halten, und zumindest öffentlich signalisiert auch der Trainer seine Bereitschaft, die Zusammenarbeit zu verlängern. Doch die Entscheidung dürfte vom weiteren Verlauf der Saison abhängen. Und in der steht der Katalane ohnehin schon vor der größten Herausforderung seiner Karriere. Die Fachwelt erwartet, dass Manchester City den Meistertitel vom FC Liverpool zurück erobert und endlich die Champions League gewinnt. Kritik wird es andernfalls nicht nur in den Sozialen Medien geben.
Quelle: ntv.de