Schubsereien, Eierwürfe, Tritte HSV-Fans gehen auf Spieler los
09.02.2014, 07:20 Uhr
Die Fans sind besonders sauer auf Kapitän Rafael van der Vaart.
(Foto: dpa)
Der Fußball-Bundesligist Hamburger SV befindet sich im freien Fall. Einige Dutzend Fans verlieren nach dem neuen Tiefpunkt gegen Hertha BSC Berlin die Nerven: Als Klubführung und Spieler aufgebrachte Anhänger besänftigen wollen, eskaliert die Situation.
Die Spieler des Hamburger SV haben die Wut ihrer Fans zu spüren bekommen. Nach der Rekord-Niederlage gegen Hertha BSC Berlin versuchten mehrere Profis gemeinsam mit Klubchef Carl Jarchow die aufgebrachte Menge auf dem Spieler-Parkplatz vor dem Stadion zu beruhigen, als es zu gewaltsamen Übergriffen kam. Laut Polizei wurden zwei Personen vorläufig festgenommen.
Laut "Bild"-Zeitung warfen die Fans mit Eiern und anderen Gegenständen, der Stürmer Jacques Zoua sei getroffen worden und zusammengebrochen. Anschließend sei er von Ordnern wieder ins Stadion gebracht worden. Der Verein bestätigte lediglich, dass einige Profis attackiert wurden, es habe Schubsereien gegeben. Zudem traten die Fans auf die Autos der Spieler ein.
Besonders Kapitän Rafael van der Vaart traf der Zorn. Der Niederländer wurde beschimpft und mit Feuerzeugen und Bierbechern beworfen. Erst nach 20-minütiger Diskussion beruhigte sich die Lage. Auch der Hertha-Bus, sicherheitshalber innerhalb der Arena verblieben, fuhr erst um 22.00 Uhr schließlich Richtung Berlin ab. "Das muss man offensiv angehen. Dass uns die Fans nicht um den Hals fallen, war klar", sagte Jarchow.
Später kam es zu Handgreiflichkeiten unter den Fans, bei denen mindestens ein HSV-Anhänger am Kopf verletzt wurde. Die Polizei musste die rivalisierenden Fangruppen trennen. Einige Fans reagierten schon im Stadion auf den traurigen Negativrekord in der 51-Jährigen Bundesliga-Geschichte des HSV aggressiv.
HSV-Profis fallen Erklärungen schwer
Die Szenen vor und in der HSV-Arena waren unrühmlicher Höhepunkt eines sportlich erneut desaströsen Abends für die Hanseaten. Immer weiter trudelt das Liga-Gründungsmitglied Richtung Abstieg, hält aber entgegen aller Mechanismen des Geschäfts unverdrossen an Trainer Bert van Marwijk fest. Nach historischen sechs Pleiten in Serie liegt der HSV weiter auf dem vorletzten Tabellenplatz. "Wir haben kein Trainerproblem, sondern ein Verteidigerproblem. Der Trainer bleibt definitiv", sagte Kreuzer in den Stadionkatakomben.
"Schlechter kann es fast nicht kommen", sagte van Marwijk. "Ich laufe nicht weg. Ich fühle mich voll verantwortlich für diese Situation." Zweimal Torjäger Adrian Ramos (23., 38 Minute) und Sami Allagui (16.) erzielten vor 48.593 Zuschauern in der Arena im Volkspark die Treffer für die Gäste, die damit 2014 ihren ersten Sieg verbuchten. Die Berliner können nach verpatztem Rückrundenauftakt mit zwei Niederlagen aufatmen. Sie richten den Blick als Siebter sogar wieder zu den internationalen Startplätzen.
"Mir fehlen die Worte", gestand Abwehrchef Heiko Westermann. "Wir sind am Anfang viel gelaufen, haben aber den Gegner stärker gemacht." Dagegen herrschte bei den Berlinern Ausgelassenheit. "Das war ein sehr gelungenes Auswärtsspiel. Über 90 Minuten war der Sieg nicht gefährdet", stellte Gäste-Coach Jos Luhukay mit Genugtuung fest.
Adler pariert Elfmeter
Beim Krisen-HSV verschärft sich die desaströse Situation dagegen immer weiter. "Dass das heute ganz schlecht war, können wir nicht schön reden. Wir sind in einer Situation, da dürfen wir nicht auseinanderbrechen", sagte HSV-Torwart René Adler, der ein bitteres Comeback nach seiner Verletzung erlebte. "Es klemmt überall. Es ist wichtig, dass wir zusammenstehen." Der Trainer habe absolute Rückendeckung. "Ihn brauchen wir als führungsstarke Persönlichkeit", sagte Adler.
Die erhoffte Trotzreaktion des HSV war nur in den ersten Minuten zu sehen. Da zeigten die Profis Leidenschaft und Kampfgeist, ohne allerdings gefährlich zu werden. Selbst aus dem verletzungsbedingten Fehlen von Hertha-Kapitän und Abwehrchef Fabian Lustenberger konnten die Gastgeber keinen Nutzen ziehen.
Eigentlich hätte eine Aktion von Adler das Signal zum Aufbäumen sein müssen. Er parierte in der 15. Minute einen von Westermann verschuldeten Foulelfmeter von Ramos. Doch wenige Sekunden später patzte die HSV-Abwehr wie so oft in letzter Zeit, und Allagui beförderte den Ball zum 1:0 für Hertha ins Tor.
Zuhause ist der HSV grottenschlecht
Danach wurden die Gastgeber gegen die keineswegs brillierenden, Gäste immer nervöser. Sie wollten zwar, aber sie konnten nicht. Verunsichert gingen die Profis in die Zweikämpfe, verloren diese zumeist und leisteten sich reihenweise technische Fehler. Die Torgefahr tendierte gegen null. Vor allem Jacques Zoua verstolperte den Ball ein ums andere Mal. Er traute sich erst gar nicht, aufs Tor zu schießen. Hertha-Leihgabe Pierre-Michel Lasogga, der mit neun Toren gefährlichste HSV-Stürmer, saß nach auskuriertem Muskelfaserriss nur auf der Bank.
Als Innenverteidiger Johan Djourou, der den Platz des nervlich angeschlagenen 17-jährigen Jonathan Tah in der Startelf eingenommen hatte, Hertha-Torjäger Ramos zum 2:0 einköpfen ließ, war es endgültig um die Hamburger geschehen. Die Berliner zogen fortan ihr Kombinationsspiel auf, der HSV lief hinterher. Schließlich ließ Ramos seinem Gegenspieler Djourou erneut stehen und schoss zum 3:0 ein.
So bauten die Hamburger ihre eklatante Heimschwäche aus. Nur zwei von zehn Partien im eigenen Stadion wurden in dieser Saison gewonnen. Dabei hatte die Statistik zuvor für die Norddeutschen gesprochen: In zehn Heimspielen zuvor hatten sie gegen die Berliner nicht verloren.
Quelle: ntv.de, jog/dpa