"Knallhart gegen den Abstieg" Hertha desillusioniert Rehhagel
26.02.2012, 14:25 Uhr
Otto Rehhagel hat harte Wochen vor sich.
(Foto: dpa)
Der Trubel in Berlin ist vorbei - zumindest der positive. Trainer-Legende Otto Rehhagel musste mitansehen, wie seine Mannschaft die Negativserie in der Fußball-Bundesliga ausbaute. Trotz neuen Übungsleiters, und zudem gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf verloren. Herthas André Mijatovic sagt: "Wenn wir so weiterspielen, kann uns keiner helfen".
Ans Abdanken dachte "König Otto" nach der ungeheuerlichen Augsburger Majestätsbeleidigung natürlich nicht. Der schwarze Anzug war jedoch passend gewählt zum Trauerspiel der Hertha bei seinem völlig missglückten Comeback in der Fußball-Bundesliga. "Ich bin immer Optimistist, noch ist alles drin", verkündete Otto Rehhagel trotzig nach der niederschmetternden 0:3 (0:0)-Niederlage beim Abstiegskonkurrenten FC Augsburg. "Ich weiß ja, worauf ich mich eingelassen habe", versicherte der 73 Jahre alte Trainer standhaft.
Spätestens am Samstagnachmittag dürfte Rehhagel jedoch klar geworden sein, dass seine aufregende Rettungsmission auch in einem Untergang enden könnte. Der Ruck, der mit seiner spektakulären Verpflichtung durch das Berliner Team gehen sollte, verpuffte. Die Hertha spielte wie ein Absteiger. Sechs Spiele, sechs Niederlagen, 1:14 Tore - die Schreckensbilanz 2012 geht beim seit zwölf Partien sieglosen Hauptstadtclub auch unter Rehhagel weiter.
"Endgültig aufwachen"
"Jetzt müssen die Alarmglocken klingeln", mahnte der Nachfolger von Michael Skibbe. Rehhagel schwant, dass seine Profis den Ernst der Lage wohl noch nicht verinnerlicht haben: "Jetzt stehen wir auf dem Relegationsplatz. Vorher haben die immer noch gedacht, na ja, es sind ja noch drei Mannschaften hinter uns. Jetzt müssen die Jungs endgültig aufwachen, jetzt geht es knallhart gegen den Abstieg."
Wie in besseren Zeiten hatte Rehhagel im Trainingsanzug das Desaster verfolgt. Helfen oder gar retten konnte er sein Team von außen nicht. Nach dem Doppelschlag von FCA-Stürmer Torsten Oehrl (61./63. Minute), den Hertha-Stürmer Pierre-Michel Lasogga als "Genickbruch" bezeichnete, kapitulierten die Gäste. Marcel Ndjeng (90.+2) besiegelte vor 29 123 Zuschauern den höchsten Augsburger Bundesligasieg in ihrer Geschichte. "Rehhagels Comeback war eine große Motivation für uns", gestand FCA-Profi Jan-Ingwer Callsen-Bracker lächelnd.
Hertha sperrt Fans aus
Die mitgereisten Berliner Anhänger wüteten nach dem Abpfiff gegen die Spieler. "Wir sind Hertha - und ihr nicht", skandierten sie. Prompt sperrte die Hertha ihre Fans vom Training der Mannschaft aus. Rehhagel erkor derweil in den Stadion-Katakomben den Gegner zum Vorbild für die verbleibenden elf Partien: "Wir müssen so kämpfen, wie Augsburg gekämpft hat, um wieder mal einen Sieg zu landen."
Nur in den Anfangsminuten schien der Rehhagel-Effekt zu wirken. FCA-Kapitän Paul Verhaegh musste einen Schuss von Raffael auf der Linie klären (10.). Danach wurde schnell klar: Auch Rehhagel kann nicht zaubern. Bundesliga-Erfolge und Fußball-Weisheiten aus dem vorigen Jahrhundert werden keine Garantien im Abstiegskampf sein.
"Da können drei Otto Rehhagel auf der Bank sitzen und José Mourinho noch dazu - wenn wir so weiterspielen, dann kann uns keiner helfen", erklärte Kapitän André Mijatovic. Wie beim Abstieg vor zwei Jahren könnte es der Fall sein, dass Hertha wieder über die falschen Spielertypen für einen erfolgreichen Abstiegskampf verfügt. Techniker wie Raffael oder Adrian Ramos sind keine Kämpfer. "Wir wollten das spielerisch lösen", kritisierte Rehhagel.
Augsburg sammelt Punkte
Manager Michael Preetz zog es vor zu schweigen. Er wollte die schockierenden Ereignisse erst einmal "sacken lassen". Rehhagel will die Mannschaft nun konzentriert auf Bremen vorbereiten. Man müsse "aus den Fehlern lernen und begreifen: Jetzt ist Kampf angesagt!" Bremen, Köln, Bayern - die nächsten Wochen haben es in sich.
Im Gegensatz zur Hertha haben die Augsburger seit Saisonbeginn begriffen, dass es für sie allein ums Überleben geht. Erstmals seit dem 3. Spieltag steht der Liga-Neuling wieder besser als Platz 16. "Jetzt sind wir nicht mehr auf einem Abstiegsplatz, und da wollen wir auch bleiben", erklärte der umjubelte Doppeltorschütze Oehrl.
Trainer Jos Luhukay holt aus einer limitierten Mannschaft das Optimum heraus. Zudem gelang dem Holländer im Gegensatz zu Rehhagel ein personeller Glücksgriff, in dem er Matchwinner Oehrl auf die Mittelstürmerposition versetzte. "Wir haben über 90 Minuten sehr leidenschaftlich gespielt, mit absoluter Kompromisslosigkeit in der Defensive und offensiv mit der letzten Entschlossenheit und Zielstrebigkeit bei den Torerfolgen", kommentierte Luhukay im überfüllten Pressesaal. "König Otto" hörte ihm neidisch zu.
Quelle: ntv.de, Klaus Bergmann, dpa