Fußball

Berlin ohne Fortune Hertha droht die Verbannung

Herthas Lewan Kobiaschwili liegt nach dem Abpfiff auf dem Platz.

Herthas Lewan Kobiaschwili liegt nach dem Abpfiff auf dem Platz.

(Foto: dpa)

In Berlin haben sie nicht nur ein Problem mit dem Flughafen, auch der Fußball läuft nicht rund. Die Fortuna aus Düsseldorf schickt sich an, eine arg gebeutelte Hertha in die Zweitklassigkeit zu schicken. Otto Rehhagel will nur noch in den Urlaub. Und die Hauptstadt wird zum Eldorado für Katastrophentouristen.

Katastrophentourismus ist eine Zeiterscheinung, die vor dem Fußball nicht halt macht. Das liegt daran, dass ein bisschen Voyeurismus nur allzu menschlich ist. Und wird dadurch gefördert, dass die, die den bezahlten Fußball organisieren, die Relegation erfunden haben. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Verbannung. Die mildeste Art zwar im alten Rom, zeitlich oder räumlich begrenzt und ohne Entzug des Bürgerrechts. Aber Verbannung. Im Fußball des 21. Jahrhunderts heißt das, dass der Gewinner zweier Spiele fortan in der Ersten Bundesliga spielt - und der Verlierer eben nicht.

Das klingt spannend, also kamen am Donnerstagabend exakt 68.041 Menschen ins Berliner Olympiastadion, um sich anzusehen, wie der Noch-Erstligist Hertha BSC gegen den Noch-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf zur Pause mit 1:0 führte, dann aber mit 1:2 verlor. Zur Ehrenrettung der meisten von ihnen sei gesagt, dass sie weniger aus Freude am Elend anderer als vielmehr deshalb da waren, weil ihnen ihr Verein am Herzen liegt. Jedenfalls sorgten die Berliner Fans in der Ostkurve für eine Stimmung, die reif für die Champions League war. Und auch die Düsseldorfer, zahlenmäßig unterlegen, trugen viel dazu bei, dass sich die Anhänger der Borussia aus Dortmund und die des FC Bayern am Samstag im Pokalfinale an gleicher Stelle gehörig anstrengen müssen, um das zu überbieten.

"Wieder die Bälle selber reingehauen"

Auch ansonsten gab es in diesem Relegationshinspiel, dem das Rückspiel am kommenden Dienstag in Düsseldorf folgt, viel zu sehen, was die Schaulust befriedigt. Nämlich eine Mannschaft aus Berlin, die - zuvor arg gebeutelt - eine gute Stunde auf bestem Wege war, weil Roman Hubnik in der 19. Minute nach einer Ecke des Kollegen Änis Ben-Hatira den Ball mit dem Kopf ins Tor der Fortuna gerammt, die Hertha danach, auch wenn nicht alles klappte, die Partie im Griff hatte und ernsthaft den Eindruck erweckte, ein zweites Tor schießen zu wollen. Vor allem aber hielten sich die Berliner und ihr erneut starker Torhüter Thomas Kraft brav an die Maßgabe ihres Trainers Otto Rehhagel, bloß keinen Treffer zuzulassen.

Der sagte hinterher: "Mit dem 1:0 sind wir planmäßig gestartet." Und beschrieb das, was dann geschah, so: "Doch in der zweiten Halbzeit lief es wie in den vergangenen Spielen. Wir haben uns wieder die Bälle selber reingehauen. Jetzt sind die Jungs natürlich sehr enttäuscht und am Boden." Ganze sieben Minuten hatten die Düsseldorfer nämlich gebraucht, um die Partie zu drehen. Sieben Minuten, in denen die Berliner alles hergaben, was sie sich zuvor so mühsam erarbeitet hatten. Sieben Minuten, in denen sie zusammenbrachen und sich nicht wieder erholten. Sieben Minuten die zeigten, wie fragil diese Mannschaft ist. Es war, aus Sicht der Herthaner, ein kleines Drama.

Erst düpierte Thomas Bröker im Alleingang gleich drei Gegenspieler und schoss den Ball zum Ausgleich ins Tor. Und dann köpfte Berlins Adrian Ramos, der nur deshalb als Mittelstürmer spielen durfte, weil Pierre-Michel Lasogga sich das Kreuzband gerissen hatte, nach einem Freistoß des Düsseldorfers Ken Ilsö den Ball ins eigene Tor. Selbst Otto Rehhagel mit seinen 73 Jahren zeigte sich ernsthaft erschüttert. "Seitdem ich hier bin, machen wir jedes dritte Spiel ein Selbsttor." Nun bedarf es eines mittelgroßen Wunders, will die Hertha es noch verhindern, nach nur einem Jahr in der Bundesliga wieder in der Zweitklassigkeit zu versinken, zum insgesamt sechsten Mal in der Vereinsgeschichte. Der Altmeister schlug vor: "Wir müssen einfach die Enttäuschung überwinden. Dann fliegen wir nach Düsseldorf und versuchen unsere Chance zu nutzen." Er sagte das wie einer, der weiß, dass er das sagen muss.

"Wir leben doch nicht von den Ballvirtuosen"

Sein Düsseldorfer Kollege Norbert Meier, in den 80er Jahren unter dem Trainer Otto Rehhagel neun Jahre Spieler beim SV Werder Bremen, legte sich da wesentlich mehr ins Zeug, seinen Zuhörern einzubläuen, dass in dieser Relegation, die er erneut als Bonus-Veranstaltung bezeichnete, keine Entscheidung gefallen sei. "Für uns ist das ein gutes Ergebnis, das lässt sich gar nicht leugnen." Aber die Berliner hätten bis zum Ausgleich gezeigt, wie spielstark sie seien. Ein Etappensieg, durchaus verdient, aber nicht mehr. Dementsprechend zurückhaltend hätten seine Spieler reagiert. "Bei uns ist Ruhe in der Kabine, das können sie mir glauben." Das Wichtigste aber sei: "Am Dienstag wird es noch einmal spannend. Das ist das Schönste, dass die Leute so was noch einmal mitmachen können bei uns in Düsseldorf."

Den Schlüssel zum Erfolg sah nicht nur er darin, dass sein Team davon lebt, dass sie sich gut organisiert und diszipliniert spielt. Oder wie Norbert Meier es formulierte: "Wir leben doch nicht von den Ballvirtuosen. Bei uns ist der Virtuose die Mannschaft." Was er nicht explizit sagte, ist, dass diese Mannschaft darüber hinaus offensichtlich nicht aus Spielern besteht, die dem Druck nicht gewachsen sind, der auf ihnen lastet. Otto Rehhagel wurde dann nur noch gefragt, was denn ein Abstieg für ihn persönlich bedeuten würde. "Für mich?", fragte er zurück und wirkte sehr pikiert. "Nächste Woche Dienstag nach dem Spiel ist es für mich zu Ende. Und dann fahre ich in den Urlaub." Urlaub wohlgemerkt. Nicht Verbannung.

Quelle: ntv.de

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