Fußball

Trainer "will be stolz" ohne Miracoli Irland verzweifelt an Trapattoni

Giovanni Trapattoni: Unterhaltend ist er ja.

Giovanni Trapattoni: Unterhaltend ist er ja.

(Foto: dpa)

Giovanni Trapattoni hat ein Problem. Schon vor dem Spiel gegen Deutschland kommen seine Kritiker zunehmend aus der Deckung. Sie finden seine comicreifen Auftritte vor der Presse gar nicht mehr so lustig.

Man kann über Giovanni Trapattoni sagen, was man will. Und in Irland sagen sie viel über ihren Nationaltrainer - zunehmend weniger Gutes. Aber auf eines ist Verlass: Der Mann ist und bleibt auch mit seinen 73 Jahren ein Entertainer. Damit allein gewinnt man zwar keine Fußballspiele, erst recht nicht gegen die Deutschen, die heute ab 20.45 Uhr im Aviva-Stadium zu Dublin zum WM-Qualifikationsspiel erwartet werden. Aber es ist lustig.

Wie am Tag vor der Partie in Malahide, einem Städtchen an der See gut 15 Kilometer nordöstlich der irischen Hauptstadt gelegen. Dort haben die Iren ihr Trainingszentrum, und im örtlichen Grand Hotel bat der Mister zum Gespräch. Und hatte erst einmal Schlechtes zu verkünden. Denn Robbie Keane fällt aus. Der Rekordtorschütze und Star der Mannschaft, mittlerweile 32 Jahre alt und bei Los Angeles Galaxy unter Vertrag, hat Probleme mit seiner Achillessehne. Torwart und Rekordnationalspieler Shay Given sowie Außenstürmer Damien Duff haben im August ihre Karrieren beendet. Und weil mit Richard Dunne, Seán St Ledger, Glenn Whelan, James McClean und Kevin Doyle fünf weitere Leistungsträger fehlen, sagte Giovanni Trapattoni: "Ich bin kein Arzt, sondern nur ein Trainer." Und: "Ich kann keine Miracoli."

Aber er will nicht klagen. "Ich bin Optimist." Ein Sieg, oder zumindest ein Unentschieden, das wär's. "I will be stolz." Also doch ein Wunder? Das könnte Giovanni Trapattoni gut gebrauchen. Längst werfen ihm Kritiker falsche Personalentscheidungen und ein zu starres Taktikschema vor. Immer nur 4-4-2, das könne es nicht sein. Der Maestro habe keinen Plan B, lautet der Tenor. Da kommen seine slapstickreifen Auftritte vor der Presse längst nicht mehr so gut an. Oder wie es der irische "Herald" in dieser Woche formulierte: "Keine andere Nation würde Traps Quatsch dulden."

"You have the cat in sack"

Seit 2008 ist der Italiener im Amt, und mit ihm kam, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, der Erfolg. Für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika qualifizierten sich die Iren nur deshalb nicht, weil Thierry Henry im entscheidenden Relegationsspiel mit einem skandalträchtigen Handspiel für die Entscheidung zugunsten Frankreichs sorgte. Bei der jüngsten Europameisterschaft war die Mannschaft Trapattonis dabei. Nach erfolgreicher Qualifikation sorgte Giovanni Trapattoni 14 Jahre nach seiner legendären Was-erlauben-Strunz-Flasche-leer-Rede als Trainer des FC Bayern München erneut für ein Glanzlicht seiner internationalen Kauderwelsch-Rhetorik: "Don't say, that you have the cat in sack, when you don't have the cat in the sack."

Die Iren amüsierten sich prächtig - und freuten sich, erstmals seit 1988 wieder bei einem großen Turnier mitspielen zu dürfen. Allerdings flogen die "boys in green" nach drei Gruppenspielen, ohne einen einzigen Punkt ergattert zu haben, wieder auf die Insel. Dennoch waren es die Iren, die für den ergreifendsten Moment der EM sorgten. Aber nicht die Spieler oder ihr Trainer - sondern die Fans. Mehr als 20.000 waren mit nach Danzig gereist. Im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien, am 14. Juni dieses Jahres, liegt ihre Mannschaft mit 0:4 zurück. Gegen den Welt- und Europameister ist sie schlichtweg chancenlos. Egal. Die Anhänger in Grün stehen auf den Sitzen und singen ab der 87. Minute ihre Version der traditionellen Folk-Ballade "The Fields of Athenry", die inoffizielle Hymne der irischen Nationalmannschaft. Ein trauriges Stück, in der es um die große Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts geht. Ein Mann stiehlt Getreide, um seine Familie vor dem Tod zu retten und wird deshalb nach Australien deportiert. Dort sehnt er sich nach den Feldern in seiner Heimat zurück. Sie singen minutenlang - während die spanischen Fans respektvoll schweigen.

Umdrehen und sich "die Eier kraulen"

Doch seitdem sinkt die Stimmung, zumindest bei den Kritikern. Der einstige Trainer der Herzen, dessen Vertrag vor der EM bis 2014 verlängert worden war, ist nicht mehr unumstritten. Selbst die Fans in Dublins Pubs zweifeln daran, dass Giovanni Trapattoni noch der Richtige ist. Mag er noch so leidenschaftlich und impulsiv sein - und wie immer Sommer einen Interviewer mit der Aussage verblüffen, er müsse sich nun umdrehen und sich "die Eier kraulen". In seiner italienischen Heimat bedeutet diese Redensart so viel wie "auf Holz klopfen".

Zum Auftakt der WM-Qualifikation gab es für die Iren ein mühsames 2:1 in Kasachstan. Und der frühere Nationalspieler Paul McGrath monierte: "Es reicht nicht mehr, wie Muhammad Ali damals gegen George Foreman passiv zu sein und am Ende auf einen glücklichen Treffer zu hoffen." Und Fernsehexperte Richard Sadler, ebenfalls Ex-Nationalspieler, forderte den Verband auf, sich zu überlegen, was es kosten würde, Giovanni Trapattoni zu entlassen. Nun vor dem Spiel gegen Deutschland sagte Sadlers Kollege Eamon Dunphy, er sei "vom Gläubigen zum Skeptiker geworden. Die Kampfmoral ist schlecht, Trapattonis Zeit läuft ab". Sie alle trauen ihm nicht zu, den nötigen Umbruch erfolgreich zu bewältigen.

Aber wer weiß? Dem Vernehmen nach kassiert der Trainer für die zwei Jahre bis zur WM 2014 in Brasilien drei Millionen Euro, nicht nur für den chronisch klammen irischen Verband ist das viel Geld. Und vielleicht überrascht sie Giovanni Trapattoni heute Abend alle. Zunächst einmal stapelte er tief: "Die Deutschen haben ein starkes Team. Wir kennen ihre Qualität: ihr Offensiv-Potenzial. Sie sind Tabellenerster und eines der stärksten Teams in Europa - vielleicht auf der Welt." Aber schließlich hatte er unlängst in der "Irish Times" angekündigt: "Our 4-4-2 is elastico".

Quelle: ntv.de

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