Fußball

Troy Parrotts irre 72 StundenIrlands neuer Nationalheld weint und Ungarn weint mit ihm

17.11.2025, 10:55 Uhr till-erdenberger-256x256Till Erdenberger
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Troy Parrott krönte unglaubliche 72 Stunden mit einem großen Treffer. (Foto: IMAGO/Inpho Photography)

Troy Parrott schenkt Irland große WM-Träume - mit seinem fünften Tor binnen 72 Stunden. Der Stürmer weint und während er nach Worten ringt, liegt Ungarn am Boden.

Am Ende eines völlig verrückten Fußballabends stand der neue Held einer ganzen Nation mit Tränen in den Augen vor den Mikrofonen, um das schwer zu fassende irgendwie zu erklären: "Heute Abend glaube ich nicht, dass ich jemals einen besseren Abend in meinem ganzen Leben erleben werde. Deshalb lieben wir Fußball", sprudelte es aus Troy Parrott hinaus. "Ich liebe meine Heimat, deshalb bedeutet mir das sehr viel."

Wenige Minuten zuvor hatte der 23-Jährige sein Land in einen Taumel versetzt und ihm frische WM-Hoffnung geschenkt. In der sechsten Minute der Nachspielzeit schoss der Stürmer sein drittes Tor des Abends, es war das 3:2 gegen Ungarn. Die Iren dürfen in die Playoffs, die Ungarn weinten auch - Parrotts Tor raubte ihnen die Chance auf die Weltmeisterschaft. Es ist eine große Geschichte.

"Es ist das erste Mal seit Jahren, dass ich weine. Ich kann es wirklich nicht glauben", verkündete der Stürmer, der für den niederländischen Klub AZ Alkmaar spielt. "Das ist wirklich wie im Märchen. So etwas kann man sich nicht einmal erträumen. Ehrlich gesagt, bin ich sprachlos." Der junge Mann hatte verrückte 72 Stunden hinter sich gebracht: Erst am Donnerstag war er gegen Portugal im Schatten von Cristiano Ronaldos Platzverweis überraschend zum Mann des Abends geworden, kurz darauf legte Parrott noch einen drauf: 2:1 führten die Ungarn zu Hause gegen die tapferen Iren, ein Punkt hätte den Hausherren zum Einzug in die Playoffs gereicht.

"Als würde das Stadion implodieren"

Doch dann leitete Parrott mit seinem Ausgleichstreffer den finalen irischen Sturmlauf ein - und schickte sein Land in der Minute nach dem eigentlich vorgesehenen Ende der Nachspielzeit in einen Freudentaumel: Liverpools irischer Nationaltorhüter Caoimhín Kelleher schlug den Ball aus dem Mittelfeld noch ein letztes Mal verzweifelt in den von der kompletten Mannschaft erbittert verteidigten ungarischen Strafraum, Liam Scales schraubte sich in die Luft, übersprang Barnabas Varga, köpfte das Leder in Richtung Tor - und Parrott drückte es mit einer letzten großen, beinahe nationalen Kraftanstrengung, hart bedrängt von seinem Gegenspieler, über die Linie. Der zehnte Treffer im 33. Länderspiel ist einer für die Ewigkeit.

"Der Ball springt ins Netz und das Stadion - laut Klischee würde man hier sagen, dass das Stadion explodiert. Es ist eher so, als würde das Stadion implodieren. Das Stadion hört auf zu existieren", beschreibt der Reporter der renommierten "Irish Times" den Augenblick, als Ungarns Träume platzten und die der Iren wuchsen. "Man hört die Schreie und Jubelrufe der irischen Spieler über dem entfernten Gebrüll der Auswärtsfans hoch oben auf der obersten Tribüne. Es ist, als wäre ein schwarzes Loch entstanden, das das gesamte Stadion und alle darin befindlichen Personen in sich aufzusaugen droht. Die Ungarn würden dies wahrscheinlich begrüßen." Der Rest war eine grün-weiße Jubeltraube mit Parrott in der Mitte. Der Großteil der 59.000 Menschen in der Budapester Puskas-Arena ist außen vor, Ungarn liegt mit dem Schlussgong gnadenlos getroffen am Boden. Und kann nicht mehr aufstehen.

Egal, wie es in den Playoffs für die Iren weitergeht, ob es für die erste WM-Teilnahme seit 2002 reicht: Diese Momente nimmt ihnen niemand mehr. "Ich bin wirklich sehr, sehr emotional - das sind Tränen der Freude. Was für ein Abend, was für eine Nacht!", sagte Irlands neuer Nationalheld Parrott und erinnerte sich an seine Worte nur wenige Stunden zuvor: "Gegen Portugal habe ich gesagt, das ist der Stoff, aus dem Träume gemacht sind, aber dieser Abend heute - ich glaube nicht, dass ich jemals in meinem ganzen Leben einen schöneren Abend erlebt habe." Der Flughafen von Dublin benannte sich bei X sofort um in "Troy Parrott International Airport".

"Das ist das Team ..."

Irlands isländischer Nationaltrainer Heimir Hallgrimsson dachte allerdings schon über den Moment hinaus. Er dachte in historischen Dimensionen: "Es ist eine Chance, zu wachsen, und dadurch können wir dieser Mannschaft, dem irischen Fußball und dem Verband helfen. Wenn wir uns für die Weltmeisterschaft qualifizieren, könnte sich vieles ändern." Damit "die Menschen in zehn Jahren zurückblicken und sagen: 'Diese Leute haben damit angefangen. Das ist das Team, das diese Reise begonnen hat.'"

Die "Irish Times" schloss sich an: "Millionen von Menschen verliebten sich in diese Mannschaft. Hat jemals eine irische Mannschaft in irgendeiner Sportart innerhalb weniger Wochen eine so unglaubliche Imagewandlung durchgemacht? Die Clowns von Eriwan, die Götter von Budapest. Jetzt und in Zukunft, wo immer Grün getragen wird, sind sie verändert, völlig verändert ..." Euphorischer wurde in dem seit 1859 gegründeten Blatt wohl nie über Fußball geschrieben. In Eriwan hatten die Iren im September 1:2 gegen Armenien verloren. Ein Desaster. Nun hat man das eigene Schicksal maximal dramatisch gewendet.

In den Playoffs, die am kommenden Donnerstag ausgelost werden, kämpfen 16 Teams um die letzten vier europäischen Tickets für das Turnier in den USA, Kanada und Mexiko. Zwölf Gruppenzweite aus der Qualifikation (unter anderem Italien, die Ukraine, Spanien oder die Türkei, Niederlande oder Polen) und vier Nachrücker aus der Nations League werden auf vier Playoff-Turniere mit Halbfinals und Finale verteilt.

Quelle: ntv.de

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