Bunte Kapitänsbinden bei der WM Jetzt bloß keinen Applaus für die FIFA!
30.06.2023, 19:15 Uhr
Die FIFA lässt bei der Frauen-WM mehrfarbige Kapitänsbinden im Stile der "One Love"-Binde zu.
(Foto: Adam Davy/Press Association/dpa)
Das Verbot der "One Love"-Binde durch die FIFA sorgt bei der Männer-WM für reichlich Wirbel. Die Frauen dürfen nun eine ähnliche Kapitänsbinde tragen. Doch Komplimente verdient sich die FIFA nicht, denn die Entscheidung entlarvt die Feigheit des Weltverbands.
Australien ist nicht Katar. Das hat die FIFA für sich ausgemacht und beweist auf unkritischem Terrain Haltung. Bei der Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland sind Botschaften im Sinne der Menschlichkeit erlaubt. Aus acht verschiedenen Kapitänsbinden dürfen die Spielerinnen wählen und können damit auf gesellschaftliche Missstände in aller Welt aufmerksam machen. Doch was genau möchte die FIFA damit als "Erfolg" verkaufen? Womöglich, dass es die Stoffstreifen nun schon vorab mit Botschaften gibt und nicht erst nach einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Debatte, die die FIFA bei der Katar-WM nur mit massiven Drohungen abwürgen konnte?
FIFA-Boss Gianni Infantino hebt 20 Tage vor dem WM-Eröffnungsspiel hervor, dass die Botschaften bei allen 64 Partien gesendet werden. Er wirkt sehr zufrieden. So wie er es immer ist, wenn er seine Agenda durchgeboxt hat. So unstrittig die WM-Aktion in Kooperation mit den Vereinten Nationen ist, so wenig Widerstände gab es zu überwinden. Der Weg zur Haltung ist ein kurzer. Einer, der mächtigen Freunden in autokratischen Regimen nicht wehtut. Zumal diese beim Turnier in "Down Under" ohnehin nicht prominent involviert sind. Gleichzeitig führt dieser Weg nicht zu einer übergroßen weltweiten Aufmerksamkeit. Das ist auch ein massiver Unterschied zu einer Männer-WM.
Und das entlarvt eben die Feigheit des Weltverbands. Dort wo mächtige Interessen wirken, wo die FIFA sehr viel Geld generieren kann, da windet sie sich aus einer gesellschaftlichen Verantwortung. Betont die Bedeutung des unpolitischen Spiels Fußball, das zwar ein verbindendes Element ist, aber eben nicht mehr. Immer in der Sorge, Quellen des Machterhalts und des großen Geldes versiegen zu lassen.
In Katar, bei der Männer-WM Ende des vergangenen Jahres, ging die Panik gar so weit, dass den Nationen Sanktionen angedroht worden waren, hätten sie sich eigenmächtig die "One Love"-Binde um den Oberarm gespannt. Als schlechten Kompromiss gab es vor einem halben Jahr vom Weltverband bereitgestellte Binden mit Anti-Diskriminierungs-Botschaften, das Kernthema Diversität wurde dabei höflich umschifft.
Popp ist zufrieden, sie muss es sein
Dass die FIFA danach angekündigt hatte, mit den Verbänden in Dialog zu treten, war der devoteste Weg raus einer weiteren Eskalation. Gastgeber Katar wurde nicht brüskiert und hatte zuvor seine Show bis zum Ende, bis zur Instrumentalisierung von Weltmeister Lionel Messi unmittelbar nach dem Finale durchziehen können. Dabei sollte der Sport doch dem vertretenen Duktus der Mächtigen das Gegenteil sein. Er sollte nicht instrumentalisiert werden. Die Wahrheit: Er wurde es die ganze Zeit.
Und so verdient sich die FIFA keinen Applaus dafür, dass die Spielführerinnen acht bunte Kapitänsbinden bei der WM zur Verfügung stellt. Zumal der Regenbogen, als Toleranzzeichen für die LGBTIQ+-Community und für mehr Diversität in der Gesellschaft, weiterhin untersagt bleibt.
Dass DFB-Spielführerin Alexandra Popp sich zufrieden äußert, steht dabei nicht im Widerspruch zur Kritik. Sie hatte sich zwar für den Regenbogen starkgemacht, aber auch den Boden für Kompromisslösungen bereitet. Und was für eine fatale Eigendynamik eine Debatte um den Regenbogen oder "One Love" annehmen kann, hat die WM in Katar gezeigt. Die deutsche Mannschaft hatte sich sportlich blamiert und sich von den Folgen des Debakels bis heute nicht erholt.
Nein, die FIFA verdient sich für ihre Entscheidung keinen Applaus. Aber immerhin: Sie bleibt bei ihrer Haltung.
Quelle: ntv.de