
Angespannt nach dem Katastrophen-Start: Thomas Letsch.
(Foto: IMAGO/Michael Weber)
Bereits nach dem ersten Spieltag brennt in Bochum die Luft. Dabei ist der Klub mit so viel Euphorie in die dritte Saison hintereinander in der ersten Fußball-Bundesliga gestartet. Doch die im Sommer verkündeten "grundlegenden Änderungen" im Spielsystem greifen (noch) nicht.
"Es war auf dem Platz ein sehr komisches Gefühl!" Bochums Kapitän Anthony Losilla zeigte sich bereits vor einer Woche, nach der deprimierenden Pleite (nach Elfmeterschießen)im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld, auf eine fast schon befremdliche Art und Weise irritiert von seiner eigenen Mannschaft. Nun, nach dem Fünf-Tore-Desaster zum Bundesliga-Auftakt beim VfB Stuttgart, ließ der 37-Jährige tief in das Innenleben seines Klubs blicken: "Wir müssen uns noch mal zusammensetzen und dieses Spiel tiefer analysieren, weil so können wir uns nicht präsentieren, das ist einfach Fakt. Das ist einfach nicht bundesligatauglich."
Man kann es nicht anders sagen: Bereits nach nur einem Spieltag brennt in Bochum die Luft. Denn auch Trainer Thomas Letsch fand klare Worte: "Wir müssen den Finger in die Wunde legen. Ich muss bei mir anfangen, jeder Spieler bei sich und hinterfragen, was der Grund war, dass wir uns so präsentiert haben, welche Fehler wir gemacht haben." Schon am nächsten Spieltag - es geht ausgerechnet ins Derby gegen den letztjährigen Vizemeister Borussia Dortmund - wird sich zeigen, ob die Worte von Letsch nur die üblichen Phrasen waren oder ob sich der Verein tatsächlich grundlegend hinterfragt. Denn noch vor der Saison hatte der Trainer des VfL den Fans versprochen: "Keiner in Bochum muss Angst davor haben, dass wir jetzt etwas völlig anderes machen, was nicht zur Mannschaft passt." Doch genau diese Sorge besteht in der Stadt des Tabellen-Vierzehnten der letzten Saison - und das nicht erst nach einer Vorbereitung mit überwiegend schon gewohnt schlechten Ergebnissen.
"Spielansatz war nicht sonderlich komplex"
In der Sommerpause hatte ein Newsletter an die VfL-Anhänger bei genauerem Lesen aufhorchen lassen. Dort hatte der heutige Sportdirektor des Klubs, Marc Lettau, überraschend deutliche und ehrliche Worte über die Spielidee des VfL Bochum in der vergangenen Saison gefunden: "Unser Spielansatz war nicht sonderlich komplex und die gegnerischen Mannschaften haben sich mit zunehmendem Saisonverlauf immer besser auf unser Spiel eingestellt." Damals sei es allerdings nach dem schwachen Saisonstart und dem erfolgten Trainerwechsel zu Thomas Letsch darum gegangen, "der Mannschaft durch einen einfachen, aber klar definierten Spielansatz Stabilität und Sicherheit zu geben." Und tatsächlich lebte das Spiel des VfL Bochum über weite Teile der Saison von "langen Bällen" (Thomas Letsch) und der Fokussierung auf den zweiten Ball. Nicht schön anzusehen - doch der Klassenerhalt gab allen Beteiligten am Ende recht.
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Nun zur neuen Spielzeit sollte sich allerdings einiges ändern beim VfL Bochum. Lettau gab vor: "Um auch zukünftig erfolgreich zu sein, wollen wir insbesondere in Ballbesitz variabler werden und eine gesunde Balance aus Positionsspiel und dem Spiel auf den zweiten Ball herstellen." Auch der Begriff "Dreierkette" schwebte seit diesen Tagen Ende Juni über dem Ruhrstadion. Nicht wenige Fans des Vereins empfanden diesen Begriff von Anfang an allerdings eher als Damoklesschwert, denn als Hoffnungsschimmer. Doch zuerst wurden selbst die schlechtesten Auftritte des Klubs in der Testspielphase noch unter dem Eindruck der Euphorie des letzten Spieltags beiseite getan. Schließlich hatte Lettau auch gesagt: "Die Vorbereitung auf eine neue Saison ist der optimale Zeitpunkt, um solch grundlegende Änderungen anzugehen - abseits von jeglichem Ergebnisdruck."
Wo ist die DNA des VfL-Fußballs hin?
Die Stimmung in Bochum hat sich nach den beiden Auftaktpleiten nun jedoch gedreht. Die Geduld mit und das Vertrauen in das Führungspersonal beim VfL Bochum ist deutlich kleiner geworden. Der Unmut darüber, dass man mal wieder einen Start in die Spielzeit offensichtlich leichtfertig verschenkt hat, wird zusehends größer. Denn allen - Fans wie Offiziellen - ist klar: Es muss sich sehr schnell und grundlegend etwas ändern beim VfL Bochum. Ob das, was dann auf dem Platz von der Mannschaft angeboten werden wird, sich allerdings erheblich von dem unterscheiden wird, was das Team bereits in der vergangenen Saison gezeigt hat, bleibt abzuwarten.
Nach den Eindrücken in der Vorbereitung und nach den beiden ersten Partien in Liga und Pokal scheint es eher auf eine komplette Rückkehr zum Spielsystem der letzten Saison hinauszulaufen. Denn bisher konnte man auf dem Platz noch nicht einmal ansatzweise eine erfolgreiche Umsetzung eines neuen Systems erkennen. Doch wohlweislich hatte Lettau in seinen Worten an die Anhänger des Klubs in der Sommerpause auch versichert, dass "die Fans auf wesentliche Elemente des Fußballs à la 'Anne Castroper'" nicht werden verzichten müssen. Lettau versprach: "Kampfgeist, Intensität und Einsatzbereitschaft gehören fest zur DNA des VfL-Fußballs." Davon war bisher jedoch wenig zu sehen.
Noch hofft man in Bochum, dass die Mannschaft, die etwa mit Lukas Daschner, mit Maximilian Wittek, mit Bernardo und Matus Bero klug ergänzt wirkte (was bei den Fans für reichlich Optimismus gesorgt hatte), zügig und rechtzeitig wieder in die Spur kommt. Schließlich spielt der Verein nicht umsonst bereits das dritte Jahr hintereinander in der ersten Fußball-Bundesliga. Doch sollte es schieflaufen, darf man gespannt sein, wie die sportliche Leitung des VfL die Situation bewerten wird. Schließlich hatte Marc Lettau zum Ende seiner Ausführungen in der Sommerpause gemeint, dass er "überzeugt (sei), dass Thomas Letsch die neue Spielphilosophie auch jenen Spielern erfolgreich vermitteln wird, die bisher eher fokussierten Fußball der Marke 'Karo einfach' gewohnt waren." Eine komplette Mannschaft jedoch wird man im Falle des Misserfolgs wohl auch beim VfL Bochum nicht auswechseln. Noch allerdings besteht Hoffnung, dass die "tiefe Analyse" auf allen Ebenen schlussendlich zum Erfolg führen wird. Auch wenn man am Ende die Idee eines neuen Spielsystem wohl erst einmal wird aufgeben müssen.
Quelle: ntv.de