Fußball

Terodde jetzt zum FC Bayern? Keine Gnade für Schatzi!

Gierig, immer gierig: Simon Terodde.

Gierig, immer gierig: Simon Terodde.

(Foto: imago images/Noah Wedel)

Noch immer darf sich Dieter Schatzschneider Rekord-Torjäger der 2. Fußball-Bundesliga nennen. Allerdings hat er diesen Titel nun nicht mehr exklusiv - und wohl auch nicht mehr sehr lange. Das Phänomen Simon Terodde schließt zur Legende auf und zieht vermutlich schon sehr bald vorbei.

Es war ein wirklich wunderbares Tor. Ein Tor des Monats. Eventuell auch das schönste des Jahres. Und dann war es auch noch historisch. Der Volley-Karatekick-Scherenschlag (das trifft es wohl am besten) war schließlich der erste Treffer im Profileben von Mehmet Can Aydin. Perfekt hatte der 19-jährige Schalker den Ball nach einer Ecke aus etwa zehn Metern getroffen und unter die Latte des Ingolstädter Tores gedroschen (65.). Es war das 2:0 für die Königsblauen im Zweitliga-Heimspiel gegen den Aufsteiger. Und dennoch wurde über dieses Kraft-Kunstwerk noch peripher gesprochen. Denn zwölf Minuten später fiel noch ein weiterer Treffer. Ebenfalls ein historischer. Nur eben von einer ganz anderen Bedeutung. Denn Simon Terodde hatte sein 153. Tor in Liga zwei erzielt.

Es war ein Abschluss, über den sich eigentlich nicht eine Sekunde zu reden lohnt. Nach erfolgreichem Gegenpressing war der Stürmer von seinen offensiven Kollegen Marius Bülter und Dominick Drexler so schön freigespielt worden, dass er den Ball nur noch lässig über die Linie schieben musste. Für einen Mann wie Terodde ist eine solche Aufgabe fast schon eine Beleidigung. Viel zu simpel ist sie. Aber Terodde ist immer eben ein Vollblutangreifer und schließlich ist ein Tor ein Tor. Wie es erzielt wurde, das ist meistens egal. Selbst wenn es ein Rekordtreffer ist. Oder erinnert sich noch jemand daran, wie es Robert Lewandowski geschafft hatte, die ewige 40-Tore-Marke des gerade verstorbenen Gerd Müller zu knacken? Eher nicht. Und so zählt auch nun nur der Moment.

Und der Moment am Sonntagnachmittag in der Schalker Arena machte Terodde zum erfolgreichsten Zweitliga-Stürmer der Geschichte. Er schloss mit seinem 153. Treffer zu Dieter Schatzschneider auf. Vorerst muss sich der Schalker den Titel mit dem ewigen "Schatz" teilen, der Ende der 1970er- und Anfang der 80er-Jahre bei Hannover 96 zum Tormonster mutierte. Dass der Weg der Beiden an der Spitze nur ein kurzer gemeinsamer wird, dessen ist sich der nun Eingeholte sicher. Zu unaufhaltsam ist Terodde seit Jahren in Liga zwei. Womöglich zieht der 33-Jährige bereits am nächsten Spieltag vorbei. So sehr Schatzschneider seinem Nachfolger den alleinigen Rekord gönnt, so ungern möchte er das in zwei Wochen erleben, wenn es nach der Länderspielpause weitergeht. Denn dann wird Schalke in Hannover vorstellig. Entthront werden in der Heimat, das muss nicht sein.

Der Maßstab ist einfach zu krass

Alles andere ist der Legende egal. Und das muss es wohl auch sein, denn verhindern kann er eh nicht, dass Terodde weiter das macht, was er am besten kann: Tore in der zweiten Liga schießen. Und so sagte Schatzschneider dem Sportinformationsdienst gerade erst: "Wenn er eine hohle Nuss wäre, würde ich mir keine Mühe geben. Ich merke aber, er ist ein guter Junge und er hat meinen Respekt für eine ganz, ganz tolle Leistung. Er ist ein Guter, und Feierabend." Ja, Terodde ist ein Guter. Aber mit einem gewaltigen Makel. Ihm hängt der ewige Verdacht an, dass er zu gut für Liga zwei, aber nicht gut genug für Liga eins ist. 58 Mal spielte er im Oberhaus. Zehn Tore gelangen ihm dort. Das ist nicht fürchterlich schlecht, aber auch nicht richtig gut.

Das Problem für Terodde ist: Er selbst hat den Maßstab für die Bewertung seiner Leistung sehr weit oben angesetzt. Denn im Unterhaus ist er einfach nicht zu stoppen. Landet der Ball in der Nähe des Strafraums bei ihm, dann wird es fast immer gefährlich. Denn er ist für seine Gegner einfach nicht ausrechen- und damit auch nicht beherrschbar. Terodde ist gut im Kopfballspiel, er trifft aber auch regelmäßig sowohl mit dem linken als auch mit dem rechten Fuß. Vom Punkt ist er gnadenlos effektiv. Terodde kann den Ball stark behaupten und sich schnell um seine Gegner drehen. In der 2. Liga zerlegt er regelmäßig seine Gegner. Und er lässt auch mit jedem Jahr, das er älter wird, nicht nach. Für die Schalker steht er nach neun Spielen bereits wieder bei elf Ligatoren. Für den wieder einmal am Aufstieg gescheiterten Hamburger SV traf er in den vergangenen Saison 24 Mal. Eine bemerkenswerte Ausbeute, die sich Zweitliga-Saison für Zweitliga-Saison wiederholt. Für den 1. FC Köln schlug er 29 Mal zu, für den VfB Stuttgart und den VfL Bochum davor je 25 Mal. Zahlen, die in dieser Regelmäßigkeit nur Robert Lewandowski eine Etage höher erreichen.

Rekordmenschen.

Rekordmenschen.

(Foto: imago images/RHR-Foto)

Aber warum hat es für Terodde nun nicht zu einer großen Karriere in der 1. Liga gereicht? Peter Neururer hat da eine durchaus interessante Theorie. "In der Bundesliga haben seine Teams immer wieder das System umgestellt und er konnte dort nicht zeigen, was er eigentlich kann", sagte der Vorstand des Wuppertaler SV gerade erst bei Sport1. Tatsächlich braucht Terodde Hereingaben - egal ob hoch oder flach - in einem antreibenden Offensivspiel. Er ist nicht der Typ hoffnungsvoller Alleinunterhalter in einem defensiven Verzweiflungsfußball.

Die Entwicklung des Stürmers zu einem Phänomen hat übrigens sehr viel mit dem Trainer Neururer zu tun. Er schickte ihn erst im Sommer 2008 weg vom MSV Duisburg. "Es war eine blöde Situation für einen Trainer, der ein Riesentalent sieht, aber vier, fünf Top-Zweitligastürmer hat", erinnert sich Neururer. "Es hat weh getan, aber ich habe ihm dann zu einem Wechsel geraten. Ein überragender Typ damals schon, der sich unglaublich engagiert hat." Terodde begab sich auf einen harten Weg, der ihn sogar an die Grenzen trieb. Zwischendurch, so verriert Terodde den "11Freunden", hatte er keine Lust mehr. Er meldete sich bei seinem Vater und sagte: "Ich höre auf mit Fußball, das bringt nichts mehr." Es kam anders. Es wurde gut.

Dem "Schatz" wurde ein Tor aberkannt

In Bochum trafen sie sich sechs Jahre später wieder. Terodde war bei Union Berlin zu einem guten Stürmer geworden, aber nicht der herausragende Torjäger, der er nun ist. Neururer setzte voll auf das Talent, das er einst nicht einsetzen konnte. Und wurde belohnt. Auch wenn er selbst die Saison als Trainer nicht überstand, für Terodde war es der Durchbruch. Von Spielzeit zu Spielzeit wurde er besser, wurde er gefährlicher. Und nun, zehn Jahre, nachdem er seinen ersten Zweitliga-Treffer (für Union) erzielt hatte, ist er der erfolgsreichste Mann der Unterhaus-Historie. Ein kleiner Zufall half ihm dabei. Denn Mitte September wurde Schatzschneider ein Tor aberkannt. Ein um 42 Jahre verspäteter "Videobeweis", wie es Sport1 nennt, ergab bei der Sichtung von Archivbildern des NDR, dass das 1:0 von Schatzschneider beim 4:2-Sieg in Bremerhaven am 28. Juli 1979 gar nicht von ihm erzielt wurde, sondern ein Eigentor war. Der Treffer wurde ihm daraufhin tatsächlich gestrichen.

Nun ist es freilich nicht so, als hätte das irgendwas geändert. Womöglich wäre der Rekord erst in zwei, drei, vier Wochen gefallen. Aber er wäre gefallen. Und was nun? Klar, erstmal alleiniger Mann an der Spitze werden. Aber dann? Nochmal ein ambitioniertes Ziel zum Karriereende? Womöglich geht’s ja zum FC Bayern? Schatzschneider würde dem Rekordmeister dringend eine Verpflichtung anraten. "Wenn ich Bayern München wäre, ich würde mir den holen. Das schadet doch nicht. Und dann spielt er eben nur zehnmal", sagte er zu Sport1. Auch Neururer sieht es ähnlich: "Ich bin mir sicher: Würde er als Backup beim FC Bayern spielen, dann würde er dort mindestens genauso viele Tore erzielen wie Eric Maxim Choupo-Moting." Nun, es muss nicht unbedingt der FC Bayern sein, Ex-Klub Bochum hätte nach der schweren Verletzung von Simon Zoller Bedarf. Und ein System, was Terodde entgegenkommt: schnelle Außenspieler, die dringend einen Abnehmer suchen.

Aber aktuell hat Terodde sein Glück gefunden und ist vielleicht so wertvoll wie nie. Er steuert aktuell (statistisch) auf 41,5 Tore (was natürlich nicht geht) hin. Er würde dann den ewigen Rekord von Horst Hrubesch einstellen. Der traf in der Saison 1977/78 phänomenale 41 Mal für Rot-Weiss Essen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen