Fußball

Meistertitel in Berlin "Klopp des Ostens" bringt Energie Cottbus zurück

"Pele" Wollitz darf 20 Minuten nach Abpfiff endlich zu seinem Team, hier schreit er Stürmer Tim Heike an.

"Pele" Wollitz darf 20 Minuten nach Abpfiff endlich zu seinem Team, hier schreit er Stürmer Tim Heike an.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Energie Cottbus ist zurück in der 3. Liga. Die Lausitzer werden zum zweiten Mal in Folge Meister in der Regionalliga Nordost - und das, obwohl ausgerechnet im entscheidenden Spiel Kult-Trainer "Pele" Wollitz nur zuschauen darf.

"Liebe kennt keine Liga." Mit diesen Worten besingt der Lausitzer Alexander Knappe den FC Energie Cottbus in der inoffiziellen Vereinshymne ("Wir kommen auch morgen noch wieder"). Treffender könnten die Worte nicht sein, um den Weg zu beschreiben, den die Anhänger des Ostklubs in den vergangenen Jahren gehen mussten. Bundesliga, 2. Liga, 3. Liga, 4. Liga, 3. Liga, 4. Liga. In exakt dieser Reihenfolge. Treu hielten die Cottbuser Fans auch in den fußballerischen Niederungen zu ihrem Verein. Es hat sich ausgezahlt, denn Energie Cottbus ist zurück im Profifußball.

Am Pfingstsonntag machen die Lausitzer nach fünf Jahren die Rückkehr in die 3. Liga perfekt. Am letzten Spieltag der Regionalliga Nordost gewinnt die Mannschaft von Trainerlegende Claus-Dieter "Pele" Wollitz bei der zweiten Mannschaft von Hertha BSC mit 2:0. Etwa 8000 mitgereiste Cottbuser feiern ihre Mannschaft im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg.

Stürmer Timmy Thiele verfolgte die Partie aus dem Fanblock.

Stürmer Timmy Thiele verfolgte die Partie aus dem Fanblock.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Aber ein Selbstläufer, wie es das Endergebnis vermuten lässt, war die Partie nicht. Zwar ging Energie mit drei Punkten Vorsprung auf den Greifswalder FC in den letzten Spieltag, doch im Vorfeld hatte es einige Hiobsbotschaften für die Lausitzer gegeben. Trainer Wollitz sah eine Woche zuvor beim spektakulären 3:3 gegen den FSV Luckenwalde seine vierte Gelbe Karte und musste die Partie in Berlin deshalb von der Tribüne aus schauen. Auch Torjäger Timmy Thiele fehlte in der Hauptstadt gelbgesperrt, begab sich deshalb unmittelbar vor Anpfiff in den Cottbuser Fanblock und peitschte seine Mitspieler von hier aus nach vorn.

Cottbuser Party in Berlin-Prenzlauer Berg

In der neunten Minute dürfte ihm kurz der Atem gestockt sein. Mitspieler Maximilian Pronichev bekam den Ball so eindeutig an die Hand, dass sich das gesamte Stadion über den ausbleibenden Elfmeterpfiff des Schiedsrichters wunderte. Für Cottbus wurde die Szene nach nervösem Beginn dagegen zum Weckruf. Sechs Minuten später besorgte Joshua Putze nach einem Eckball die Gästeführung. Es dauerte keine zehn Minuten, da erhöhte Pronichev sogar auf 2:0. Von da an konnte die Cottbuser Party in Berlin-Prenzlauer Berg starten.

"Ich habe eine gute Nachricht für die Fans von Energie", verkündete der Stadionsprecher kurz vor Abpfiff. "Ihr müsst nicht über die Zäune klettern, die Tore werden aufgemacht." Drei Minuten zuvor hatte der Stadionsprecher noch darum gebeten, den Platz nicht zu betreten. Dann erkannten die Gastgeber im Jahn-Sportpark die Aussichtslosigkeit ihres Wunsches und ließen die Fans raus.

Nach dem Abpfiff gab es bei den Cottbuser Fans kein Halten mehr.

Nach dem Abpfiff gab es bei den Cottbuser Fans kein Halten mehr.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Nur Trainer Wollitz musste noch minutenlang warten, bevor er auf den Rasen zu seiner Mannschaft durfte. Die Regeln sehen vor, dass gesperrte Trainer eine halbe Stunde vor und nach Abpfiff keinen Kontakt zu ihrer Mannschaft haben dürfen. "Lasst ihn frei", skandierten die Cottbuser Anhänger vor der Haupttribüne und so hatte der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) schon nach etwa 20 Minuten ein Erbarmen mit dem Gesperrten. Das Tor öffnete sich und Wollitz war mit seiner Mannschaft wiedervereint.

Ende eines Albtraums

Der Aufstieg von Energie ist das Ende eines fünfjährigen Albtraums. 2016 waren die Cottbuser zwar schon einmal in der Viertklassigkeit versunken, stiegen jedoch nach zwei Jahren wieder auf. Nach dem Intermezzo folgte allerdings unmittelbar der nächste Abstieg im Jahr 2019. Dann ging es vier Jahre in der Regionalliga Nordost weiter, mit Gegnern wie Eilenburg, Rathenow, Bischofswerda, Auerbach und Meuselwitz. Auf Letztere waren an diesem Sonntag ebenfalls ein paar Cottbuser Augen gerichtet. Hätte der kleine Verein aus Ostthüringen beim Greifswalder FC gepunktet, wäre Cottbus selbst im Falle einer Niederlage aufgestiegen. Aber der ZFC Meuselwitz verlor an der Ostsee mit 1:4, Cottbus musste es selbst regeln.

Meister der Regionalliga Nordost und zurück in der 3. Liga: Energie Cottbus.

Meister der Regionalliga Nordost und zurück in der 3. Liga: Energie Cottbus.

(Foto: IMAGO/Beautiful Sports)

Das war vor einem Jahr noch schiefgegangen. Zwar hatte das Team von Kult-Trainer "Pele" Wollitz (der Kultbegriff ist abgenutzt, im Fall Wollitz aber alternativlos) die Meisterschaft gewonnen, war jedoch in den Aufstiegsspielen an der SpVgg Unterhaching gescheitert, dem Meister der Regionalliga Bayern. Der DFB hat für die Champions der fünf Regionalligen in Deutschland (Nordost, Nord, Bayern, Südwest, West) nur vier Aufstiegsplätze vorgesehen. Jahr für Jahr bleibt ein Meister deshalb auf der Strecke. Diesen Modus als umstritten zu bezeichnen, wäre maximal untertrieben. Wollitz nannte die Regelung voriges Jahr "absurd" und "bodenlos", das trifft es besser.

Diesmal steigt der Meister auf

Immerhin musste sich Wollitz in dieser Saison nicht mit dem DFB herumärgern, weil der Nordost-Meister diesmal direkt aufsteigt. Dass Cottbus seinen Titel verteidigen würde, hatte sich nach dem 29. Spieltag abgezeichnet, als Energie im Topspiel gegen Greifswald gewann und die Tabellenführung übernahm. Drei teils emotionale (Derby in Babelsberg), dramatische (Last-Minute-Sieg gegen Lok Leipzig), und von Ausschreitungen überschattete (beim BFC Dynamo) Siege später hätte Cottbus schon am vorletzten Spieltag aufsteigen können. Konkurrent Greifswald patzte schwer, ein Sieg gegen Kellerkind Luckenwalde hätte gereicht. Doch Energie konnte froh sein, nach 0:3-Rückstand immerhin noch einen Punkt im heimischen "Stadion der Freundschaft" gerettet zu haben.

In der Woche vor dem entscheidenden Spiel in Berlin wurden deshalb wieder die vielen Geschichten vom Scheitern erzählt. In den vergangenen Jahren ging Cottbus in mehreren Endspielen die Energie aus. 2016 stiegen die Lausitzer durch eine Heimniederlage gegen Mainz II in die Regionalliga ab, 2019 hatte ein Unentschieden bei Eintracht Braunschweig am letzten Spieltag den erneuten Abstieg in die Viertklassigkeit zur Folge. Vor weniger als einem Jahr war Cottbus ausgerechnet in den Entscheidungsspielen gegen Unterhaching von der Rolle.

Ein Jahr später klappte es dann auch mit dem Aufstieg. Cottbus ist Erster. Cottbus ist Meister. Meister müssen aufsteigen. Und "Pele" Wollitz muss sich fortan nicht mehr mit der umstrittenen Aufstiegsregelung auseinandersetzen.

Trainer mit Legendenstatus

Wollitz ist der Vater des Cottbuser Erfolgs. Von 2009 bis 2011 hatte "Pele", wie der 58-Jährige seit seiner Kindheit genannt wird, die Cottbuser in der 2. Bundesliga trainiert. 2016 kehrte er zurück, seine zweite Amtszeit endete 2019. Zwei Jahre später kehrte Wollitz ein weiteres Mal in die Lausitz zurück. Längst hat er Legendenstatus erreicht, wird von den Fans verehrt wie Jürgen Klopp in Liverpool, Christian Streich in Freiburg oder Frank Schmidt in Heidenheim.

Auch über die Grenzen von Cottbus hinaus hat Wollitz längst Kultstatus erreicht. So mancher emotionale Ausraster während, nach oder vor Spielen dürfte dafür förderlich gewesen sein. Eine kürzlich erschienene RBB-Doku dürfte ebenso darauf einzahlen. Wollitz ist bekannt als erstklassiger Motivator, der es in dieser Saison geschafft hat, eine nach Jahren der Enttäuschungen am Boden liegende Mannschaft noch einmal aufzurichten. So wie es einem anderen Kult-Trainer in England einst auch gelungen ist. "Pele" Wollitz ist gewissermaßen der Klopp des Ostens.

Ein Jahr wird Wollitz noch als Trainer arbeiten, dann rückt er bei Energie Cottbus in die Rolle des Sportdirektors. In welcher Liga auch immer. Denn Liebe kennt bekanntlich keine Liga.

Quelle: ntv.de

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