BVB glücklich, Schalke ernüchtert Klopp lacht, Keller nicht mehr
02.10.2014, 11:42 Uhr
Dortmunds japanischer Spielmacher Shinji Kagawa trieb das Spiel seiner Mannschaft gegen den RSC Anderlecht immer wieder an.
(Foto: imago/Panoramic International)
Die Euphorie auf Schalke ist verflogen. Auf den Sieg gegen Borussia Dortmund folgt die Ernüchterung in der Champions League. Ganz anders hat der BVB die Pleite verpackt. Mit zwei Kniffen schaffte Trainer Klopp den Stimmungsumschwung.
Das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke kennt nur zwei Gefühle: Euphorie und Ernüchterung. Die Sieger lassen sich feiern, die Verlierer verlassen den Rasen wie geprügelte Hunde. Aber Gefühle sind zeitlich gebunden. Im Fußball halten sie meist bis zum nächsten Anpfiff vor. Wie schnell die Stimmungslage kippen kann, haben die beiden Ruhrgebietsklubs am zweiten Champions-League-Spieltag erfahren.
Samstagnachmittag, Schalke-Arena, Gelsenkirchen: Jens Keller lacht. Er springt. Er ballt die Faust. Seine Schalker haben das Revierderby gewonnen. Nicht weil sie besser Fußball gespielt haben. Nein, sie haben leidenschaftlich gekämpft. Sie haben sich der Eigenschaften bedient, die es braucht, um sich einer drohenden Krise entgegenzustemmen. Erfolgreich.
Samstagnachmittag, gleicher Ort: Jürgen Klopp lacht nicht. Er springt nicht. Er tröstet seine Spieler. Borussia Dortmund hat das wichtigste Spiel der Hinrunde, so sehen es zumindest die Fans, verloren. Nicht weil sie die schlechtere Mannschaft waren. Nein, ihnen fehlte es zumindest über lange Zeit des Spiels an der nötigen Einstellung und Zielstrebigkeit. Das dritte Spiel ohne Sieg, kein Drama, aber eine kleine Krise, zumindest eine Ergebniskrise.
Dortmund gewinnt deutlich, es fehlt aber die Leichtigkeit
Ein paar Tage später hat sich die Stimmungslage komplett gedreht. Jens Keller springt nicht mehr. Er lacht auch nicht mehr. Ganz anders Jürgen Klopp. Borussia Dortmunds Trainer hat sein Lächeln wieder gefunden. Ein bisschen verkniffen zwar noch, aber die Entspannung weicht. Seine Elf hat am Mittwochabend in der Champions League den zweiten Sieg eingefahren, 3:0 beim RSC Anderlecht. Deutlich, aber nicht so federleicht und unbeschwert herausgespielt, wie so oft, wenn Klopp seine Mannschaft von der Seitenlinie dirigierte. "Das war knallharte Arbeit mit einem günstigen Spielverlauf. Wir sind sehr zufrieden, das war heute ein großer und wichtiger Schritt für uns."
Die Arbeit begann mit der richtigen Einstellung. Mit einem frühen Tor. Mit der richtigen Aufstellung. Jürgen Klopp beorderte seinen japanischen Spielmacher Shinji Kagawa wieder in die Startelf und setzte auf Sebastian Kehl als Dampfhammer vor der Abwehr. Und beide erfüllten ihre Aufgabe mit Freude. Während der eine, Kagawa, regelmäßig sein technisch versiertes Füßchen Regie führen ließ, um seine Mitspieler fein in Szene zu setzen, räumte der andere, Kehl, alle belgischen Offensivbemühungen mit Leidenschaft ab.
Und der Rest der Mannschaft? Der hatte Spaß an der zurückgekehrten Kreativität und Stabilität. Fix ging's nach vorne. Und hinten? Da stand der BVB meistens, so nennen es die Trainer gerne, massiv hinter dem Ball. Was einfach übersetzt bedeutet: Versuchten sich die belgischen Offensivkräfte Defour, Mitrovic oder Suarez an schnellen Angriffen, blickten sie nicht selten in elf Dortmunder Augenpaare - von zwei, drei unaufmerksamen Momenten mal abgesehen. Alles wieder gut also? Keine, nennen wir es Ergebniskrise, mehr? Dortmunds Trainer antwortet mit der gebotenen Sachlichkeit: "Du brauchst im Fußball auch ein bisschen Glück, das hatten wir heute. Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir es perfekt verteidigt hätten. Es gibt da auch noch ein bisschen Spielraum. Das ist aber in Ordnung, ich habe keine Perfektion erwartet."
Perfektion hat Klopps Schalker Kollege Jens Keller sicher auch nicht erwartet, als sein personell amtlich gerupftes Ensemble NK Maribor am Dienstagabend zum ersten Heimspiel in der Champions League empfing. Aber ein bisschen kreativer und leidenschaftlicher hätte sich die Auswahl gegen den slowenischen Meister aus Sicht des Trainers schon anstellen dürfen. Wenig Tempo, wenig Überraschendes, die Offensivangebote der Schalker wurden von den Gästen gerne angenommen.
Und so gestand Julian Draxler: "Ich glaube nicht, dass wir an unsere Leistungsgrenze gekommen sind." Einzig ein starker Moment von Stürmer Klaas-Jan Huntelaar zum 1:1 verhinderte ein Debakel. Zum Stimmungsaufheller diente der Treffer nicht. Aber auch nicht zum Schwarzsehen, findet Keller: "Ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass wir noch das Achtelfinale erreichen." Vier Tage nach dem Duell gegen Schwarz-Gelb bleibt in Gelsenkirchen die Einsicht: Ein Derbysieg ist schön. Ein Derbysieg sorgt für Euphorie. Aber Euphorie ist endlich. Manchmal schneller, als den Euphorischen lieb ist. In Dortmund werden sie die Einsicht im Herbst 2014 sicher gerne teilen.
Quelle: ntv.de