Klartext über Transfer-Politik Lahm schießt gegen Bayern
07.11.2009, 12:35 UhrFußball-Nationalspieler Philipp Lahm kritisiert die Verantwortlichen seines Vereins Bayern München für deren verfehlte Einkaufspolitik. Es fehle seit Jahren an einer Philosophie, wie sie andere große Vereine hätten.

Philipp Lahm sagt ganz offen, warum die Bayern seiner Ansicht nach zur Zeit im Regen stehen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
"Vereine wie Manchester oder Barcelona geben ein System vor - und dann kauft man Personal für dieses Sytem. So etwas gibt es bei uns nicht: Dass der Verein etwas vorgibt und alles darauf aufgebaut wird", sagte Lahm der Süddeutschen Zeitung.
Vor allem im internationalen Vergleich seien die Bayern schlechter besetzt als die Konkurrenz. "International brauchst du eben mindestens acht Spieler, die auf ihrer Position ausgebildet sind, Sicherheit haben und damit konkurrenzfähig sind", sagte Lahm: "Ich sehe diese acht Spieler nicht bei uns nicht, und das liegt nicht an den Spielern, sondern an der fehlenden Philosophie über die letzten Jahre."
Nicht einfach nur "gute Spieler" kaufen
Seine Kritik erläuterte der Abwehrspieler unter anderem an den Millionen-Transfers von Mario Gomez und dem erst nach Saisonbeginn von Real Madrid verpflichteten Arjen Robben. "Wenn ich einen Mario Gomez kaufe, muss ich sagen: Okay, dann spielen wir mit zwei Spitzen. Und wir haben ja auch in der gesamten Vorbereitung nur 4-4-2 gespielt. Und dann kommt plötzlich Robben, ein toller Spieler, der zu uns passt - und der am liebsten 4- 3-3 spielt", erläuterte Lahm - und kommt zu dem Fazit: "Man darf Spieler nicht einfach kaufen, weil sie gut sind..."
Van Gaal gilt als Verfechter des 4-3-3-Systems mit zwei Außen- und nur einem zentralen Angreifer. Dann haben die Bayern aber mit Gomez, Luca Toni und Miroslav Klose ein Überangebot an Mittelstürmern, zwei müssen auf die Bank. Für das 4-4-3 werden der verletzte Franck Ribéry und der zuletzt am Knie operierte Robben gebraucht.
Der FC Barcelona dagegen habe vor dieser Saison zwar den Schweden Zlatan Ibrahimovic gekauft, aber zugleich den Kameruner Samuel Eto'o abgegeben. "Weil sie gewusst haben: Bei uns spielen vorne (Thierry) Henry und Ibrahimovic, und ein Dritter von diesem Kaliber sorgt nur für Ärger, wenn einer immer auf der Bank sitzt", schilderte Lahm.
Hauptproblem Mittelfeld
Als besondere Schwachstelle des Teams sieht der Außenverteidiger das Mittelfeld an. "Wen soll man denn anspielen? Wo ist jemand, der mal was bewegt, der den Ball zur Seite mitnimmt, nach vorne schaut und irgendwie den Ball durchsteckt, dass man nachrücken kann? Das passiert bei uns kaum."
Gleichzeitig lobte Lahm die Arbeit des neuen Trainers Louis van Gaal. "Ich glaube schon, dass wir jetzt einen Trainer haben, der den Bau einer Mannschaft hinbekommen kann", so Lahm: "Es braucht noch Zeit, aber ich bin der festen Überzeugung, dass er ein guter Trainer ist. Er ist sicher auch manchmal schwierig im Umgang für viele Spieler. Aber er ist bestimmt kein Unmensch, er verlangt keine Undinge von uns."
Seinen nicht zustande gekommenen Wechsel zum Champions-League-Sieger FC Barcelona bereut der 25-Jährige nicht. "Ich bin immer noch der Meinung, dass hier bei den Bayern was entstehen kann. Mir liegt der FC Bayern am Herzen - deshalb spreche ich unsere Situation so offen an."
Lahm muss mit Konsequenzen rechnen
Lahms Kritik wird wohl nicht folgenlos bleiben. Bayern-Manager Uli Hoeneß kündigte laut "Sky" an, es werde "Konsequenzen" geben.
Bayerns Präsident Franz Beckenbauer forderte von Lahm, "sich selbst an die Nase zu fassen". "Er kommt auch nicht an seine beste Leistung heran", sagte Beckenbauer bei "Sky" in der Halbzeit der Bundesliga-Partie gegen Schalke 04. Ohne das Interview gelesen zu haben, wehrte sich der "Kaiser" gegen den Vorwurf einer verfehlten Einkaufspolitik: "Ich glaube, die Einkaufspolitik der letzten 40 Jahre war gut und fruchtbar. Umsonst sind wir nicht so oft Deutscher Meister geworden."
Quelle: ntv.de, sid/dpa