"Schande" für den MSV Duisburg Die traurigen Zebras galoppieren in die Schweineliga
06.05.2024, 08:19 Uhr
Beim MSV Duisburg sieht es düster aus.
(Foto: picture alliance / dpa)
Einst ein großer Name, nun der Absturz in die Bedeutungslosigkeit: Der langjährige Fußball-Bundesligist MSV Duisburg steigt in die 4. Liga ab. Ein Remis des Rivalen Waldhof Mannheim beim FC Ingolstadt raubte den Zebras am Sonntagabend die letzte Chance auf den Drittliga-Klassenerhalt.
Das lange Warten der Zebras auf die bittere Gewissheit ist beendet. Am Sonntagabend, um kurz vor halb zehn, hatte es der MSV Duisburg endgültig schwarz auf weiß: In der kommenden Saison geht es für den einst stolzen Traditionsklub in der viertklassigen Regionalliga weiter. Rivale Waldhof Mannheim holte zum Abschluss des 36. Spieltags ein Remis beim FC Ingolstadt (1:1) und hat nun sieben Punkte Vorsprung auf die Meidericher. Bei zwei noch ausstehenden Spielen ist damit nichts mehr zu holen für die Duisburger. Mannheim und Halle machen im Schlussspurt den vierten und letzten Absteiger unter sich aus. Für den MSV geht es nun nur noch darum, den Weg aus dem Profifußball mit größtmöglicher Haltung anzutreten.
Am Freitagabend war ihnen das nicht gelungen. Beim längst als Absteiger feststehenden VfB Lübeck verspielte der MSV einen 3:1-Vorsprung. Mit drei Gegentoren binnen neun Minuten gab der Klub das Spiel noch aus der Hand (5:3). "Wir steigen ab und ihr kommt mit", sangen die Lübecker Fans spöttisch. Thomas Pledl rang nach diesem surrealen Einbruch mit sich und suchte nach Worten. "Unfassbar enttäuscht. (...) Jetzt ist es erstmal nur komplette Leere, wenn man in der 65. Minute noch dasitzt und 3:1 führt, man den Schritt vorgemacht hat, die anderen nachlegen müssen. Und jetzt stehen wir eine halbe Stunde später hier mit vier Gegentoren."
"Das ist ein schwarzer Tag für den Klub"
Nun erwischt der Absturz den Klub nicht auf dem falschen Fuß. Seit Wochen beschäftigen sie sich intensiv mit der Zeit abseits des Profifußballs, mit dem Neuaufbau in der Regionalliga, auch als "Schweineliga" abgetan, der so schwer ist. Wie andere Riesen der Vergangenheit zu berichten wissen. Rot-Weiss Essen etwa, der große Rivale, der so lange und so verzweifelt darum gekämpft hatte, wieder auf die unterste, bundesweite Liga aufzurücken. Bereits nach der Niederlage in Lübeck hatte Übergangstrainer Uwe Schubert geahnt, dass der MSV nicht mehr zu retten sein würde. "Jeder weiß, was diese Niederlage für uns bedeutet", sagte der Trainer: "Das ist ein schwarzer Tag für den Klub, für die Stadt und alle, die mit dem MSV fiebern." Einige Fans, die vorher schon wütende Plakate gezeigt hatten ("Ihr seid 'ne Schande für Duisburg"), stürmten nach dem nächsten sportlichen Debakel in den Innenraum der Lohmühle. Bevor aber eine womöglich heikle Situation entstehen konnte, wurden sie aufgehalten.
Zuletzt hatte bereits der leidenschaftliche Duisburg-Fan und RTL-Tanzjuror Joachim Llambi abermals ein knallhartes Urteil über seinen Herzensklub gefällt: "In den vergangenen drei oder vier Jahren ist es ein Abstieg auf Raten gewesen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei viel Vertrauen verloren gegangen. "Ich glaube, dass man in der Viertklassigkeit die komplette Führungsetage austauschen sollte. Das muss neu sortiert werden." Der gebürtige Duisburger hadert vor allem mit den Fehlern der Vergangenheit. Er verwies unter anderem auf den unglücklich agierenden Ex-Sport-Geschäftsführer Ralf Heskamp. Da seien "viele teure, ältere Spieler geholt" worden, "die zwar mal erste oder zweite Liga gespielt hatten, aber im Grund nirgends mehr unterkamen. Die haben hier auf ihre Rente gewartet. So ist die Situation entstanden, die wir nun haben."
Besonders kurios: Mit der alternden Identifikationsfigur Moritz Stoppelkamp wurde im vergangenen Sommer unter der Ägide von Heskamp ohne jede Not ein Leistungsträger abgegeben. Der 37-Jährige wollte sogar gerne bleiben. Dass nun zarte Gerüchte über eine Rückkehr aufkeimen, ist Zeugnis der völlig verfehlten Planungen.
"Das wäre fatal"
Llambi, der sich regelmäßig in den sozialen Medien über seinen Klub auslässt und dabei immer sehr deutliche Worte findet, sehnt sich dringend nach einer neuen Perspektive: "Ich glaube, dass der Verein durchaus eine Saison unter Drittliga-Bedingungen in der Regionalliga West spielen kann. Aber die Frage ist, was passiert, wenn der direkte Aufstieg nicht gelingt. Das wäre fatal."
In dieser Saison war der MSV, Vize-Meister der ersten Bundesliga-Saison 1963/64, eigentlich nie in der Lage, sich dem Abstiegskampf erfolgreich entgegenzustellen. Auf kleinere Schläge des Aufbegehrens folgten immer wieder heftige Treffer, die die Meidericher zu Boden schickten. Dabei hatte alles ganz anders werden sollen in Duisburg. Im nächsten Jahr, 2025, sollte eigentlich wieder Zweitliga-Fußball an der schönen Wedau gespielt werden, so die große Vision, die vor etwa anderthalb Jahren ausgerufen worden war. Nichts könnte derzeit weiter weg sein. Die Gegner in der kommenden Saison heißen unter anderem 1. FC Bocholt, 1. FC Düren, aber auch Wuppertaler SV, Fortuna Köln und Rot-Weiß Oberhausen.
Bereits seit Wochen war der Gang in die Regionalliga West vorbereitet worden. Etwa am 23. April mit der zweiten Trainerentlassung in dieser Saison: "Wir müssen jetzt die Weichen für die neue Spielzeit stellen und den Neuaufbau offensiv starten. Dazu gehört die Entscheidung, nicht mit Boris Schommers in die Saison 2024/25 zu gehen", begründete Geschäftsführer Michael Preetz die Entscheidung. Bis zum Ende der Spielzeit stehen Uwe Schubert und Branimir Bajic in der Verantwortung für die Mannschaft, die im Sommer zu großen Teilen auseinanderbrechen wird. Schubert leitet seit 2011 das erfolgreiche Nachwuchsleistungszentrum der Zebras und war von Oktober 2011 bis August 2012 auch Co-Trainer der Profimannschaft des MSV.
Zwei große Talente verlassen den Klub
Das Nachwuchsleistungszentrum wird beim Neuaufbau der Zebras eine elementar wichtige Rolle einnehmen. Denn der Verein steht seit Jahren finanziell nicht sonderlich gut da. Besonders bitter vor diesem Hintergrund: Mit Baran Mogultay verlässt bereits der dritte hoch veranlagte Jugendspieler den Verein. Er wechselt zur Zweitvertretung von Borussia Dortmund und folgt damit Stürmer Julian Hettwer, der diesen Weg bereits im vergangenen Sommer gegangen war. Schon länger ist klar, dass der MSV nicht mehr auf sein wohl größtes Talent bauen kann: Casper Jander zieht es zum 1. FC Nürnberg. Größter Hoffnungsträger beim Umbau dürfte Kaan İnanoğlu werden. Der 18 Jahre alte Stürmer erzielte in der U19-Bundesliga in 14 Spielen elf Tore und sammelte erste Erfahrungen in der 3. Liga.
Seit Jahren geht es mit dem Klub konstant bergab, inklusive kleiner Zwischenhochs. Aber die großen Zeiten des Klubs aus der Arbeiterstadt sind vorbei. In den 70er-, 80er- und sogar noch 90er-Jahren konnte man im alten Stadion und auf den damals größtenteils nicht überdachten Tribünen internationalen Fußball bestaunen. 1979 erreichte der MSV das Halbfinale des UEFA-Pokals, scheiterte aber am Ligarivalen Borussia Mönchengladbach.
Nun ist das schlimmste Szenario eingetreten, aber es soll schnell wieder bergauf gehen. "Wir haben dennoch den Anspruch, sollten wir absteigen, sofort wieder aufzusteigen", sagte der kämpferische Präsident Ingo Wald vor einigen Wochen bei der Jahreshauptversammlung. Gelingen soll das womöglich über die Gründung einer Genossenschaft, die dem Verein frisches Geld als Darlehen zur Verfügung stellt. Preetz möchte den seit Jahren mit wirtschaftlichen Turbulenzen kämpfenden Klub seriös aufbauen. "Wir müssen Wege aus der wirtschaftlichen Misere finden und in die Zukunft investieren", sagte er zuletzt bei der Mitgliederversammlung. Er sprach auch davon, die 3. Liga "irgendwann wieder in die richtige Richtung zu verlassen". Davon ist der MSV indes ewig weit entfernt.
Quelle: ntv.de