Fußball

Gefährlich oder taktische Klugheit? Neids riskantes Spiel

Nach dem souveränen Einzug ins Viertelfinale erwägt die deutsche Cheftrainerin Silvia Neid im abschließenden EM-Vorrundenspiel gegen Außenseiter Island an diesem Sonntag ab 15 Uhr in Tampere zahlreiche Stammkräfte zu schonen.

Hat ein Luxusproblem: Silvia Neid.

Hat ein Luxusproblem: Silvia Neid.

(Foto: dpa)

"Wir haben nun ein schönes Luxusproblem", sagte die 45 Jahre alte Fußball-Lehrerin nach dem 5:1 (3:0)-Erfolg gegen Frankreich und Norwegens 1:0-Sieg gegen Island am Donnerstagabend, der den DFB-Damen sogar den vorzeitigen Gruppensieg bescherte. Der Titelverteidiger ist in einer komfortablen Situation, die sich aber durchaus als Falle erweisen könnte. Der Trainerstab um Neid denkt nun intensiv über eine Totalrotation nach, weil das Duell mit den Isländerinnen aus deutscher Sicht nur noch Freundschaftsspiel- Charakter und statistischen Wert hat.

"Nach der langen Vorbereitung und den anstrengenden und laufintensiven Spielen gegen Norwegen und Frankreich können wir uns überlegen, vielleicht ein ganz anderes Team aufzustellen und einigen Spielerinnen eine Pause zu gönnen", betonte Neid. Man dürfe den Substanzverlust bei einem so langen Turnier nicht unterschätzen und verfüge zudem über 22 fast gleichwertige Akteurinnen. Alles richtig, aber es bleibt ein Vabanquespiel. Denn es gibt genügend Beispiele in der Fußball-Historie, dass Mannschaften in der gleichen Situation am Ende Schiffbruch mit der angeblich so klugen Taktik erlitten.

Prinz warnt vor der Rotation

So ließ Bondscoach Marco van Basten bei der EM 2008 nach grandiosen Siegen gegen Weltmeister Italien (3:0) und Vizeweltmeister Frankreich (4:1) im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel gegen Rumänien gleich neun Strammspieler auf der Bank. Zwar gewann die niederländische "B-Elf das Spiel mühelos 2:0, doch die Pause wirkte auf die erste Oranje-Garnitur wie ein Schlafmittel: Ausgeruht, aber ausgelaugt durch die einwöchige Untätigkeit schied Hollands im Viertelfinale wieder aufgebotene Starensemble gegen Russland aus.

Die deutsche Spielführerin Birgit Prinz erinnert sich gut daran, für sie ist es ein mahnendes Beispiel. "Wenn man sich die letzte Männer-EM anschaut, muss man sagen, rotieren bringt nicht unbedingt etwas", warnt die Rekordnationalspielerin. Andererseits täte einigen eine Erholung gut, und außerdem: "Die Spielerinnen, die bis jetzt draußen waren, hätten es sicher verdient zu spielen", sagte Prinz. Die Trainerin werde sich das "gut überlegen und die richtige Entscheidung treffen".

Doch es kann auch gelingen

Es gibt auch gelungene Rotationsexperimente: Vier Jahre zuvor, bei der Männer-EM 2004, machte Tschechiens "B-Team" im nur noch für Deutschland wichtigen letzten Gruppenspiel die DFB-Elf lächerlich. Die Teilzeitarbeiter von Trainer Karel Brückner bezwangen Deutschland mit 2:1, besiegelten damit das EM-Aus der Mannschaft von Rudi Völler, der danach als Teamchef frustriert zurücktrat. Die tschechischen Ballkünstler gerieten aber nicht aus dem Rhythmus und stürmten mit ihrem A-Team gegen Dänemark (3:0) ins Halbfinale. Erst danach war Schluss. "Es gibt also auch positive Beispiele", sagte Neid.

Die Kardinalfrage ist: Wie groß ist die Gefahr, dass die im Turnier an den Dreitage-Spielrhythmus gewohnte Stammelf aus dem Tritt gerät? Eine Antwort, was sie nun gegen Island vorhat, blieb Neid , geheimnisvoll lächelnd, noch schuldig. "Mal sehen, was wir machen." Doch irgendwie hat man Vertrauen, dass die erfahrene Trainerin auch diesen schwierigen Spagat meistert.

Fußball-Europameisterschaft, Frauen
Gruppe A

Sonntag, 23. August in Turku und Helsinki
Ukraine - Niederlande 0:2 (0:2)
Finnland - Dänemark 1:0 (0:0)
Mittwoch, 26. August in Helsinki
Ukraine - Dänemark 1:2 (0:0)
Niederlande - Finnland 1:2 (1:1)
Samstag, 29. August in Helsinki und Lahti
Finnland - Ukraine 16.30 Uhr
Dänemark - Niederlande 16.30 Uhr

1. Finnland23:16
2. Niederlande23:23
3. Dänemark22:23
4. Ukraine21:40

 

Gruppe B
Montag, 24. August in Tampere

Deutschland - Norwegen 4:0 (1:0)
Island - Frankreich 1:3 (1:1)
Donnerstag, 27. August in Tampere und Lahti
Frankreich - Deutschland 1:5 (0:3)
Island - Norwegen 0:1 (0:1)
Sonntag, 30. August in Helsinki und Tampere
Norwegen - Frankreich 15 Uhr
Deutschland - Island 15 Uhr

1. Deutschland29:16
2. Frankreich24:63
3. Norwegen21:43
4. Island21:40

 

Gruppe C
Dienstag, 25. August in Lahti und Turku

England - Italien 1:2 (1:0)
Schweden - Russland 3:0 (2:0)
Freitag, 28. August in Turku und Helsinki
Italien - Schweden 0:2 (0:2)
England - Russland 3:2 (3:2)
Montag, 31. August in Helsinki und Turku
Russland - Italien 18 Uhr
Schweden - England 18 Uhr

1. Schweden25:06
2. England24:43
3. Italien22:33
4. Russland22:60

 

Quelle: ntv.de, Ulli Brünger, dpa

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