Fußball

Schalkes bittersüßer Pokaltriumph Neuer geht als großer Sieger

Das DFB-Pokalfinale wird für Keeper Manuel Neuer zur rauschenden Abschiedsgala. Mit 5:0 fegen seine Schalker den überforderten Zweitligisten MSV Duisburg vom Platz und beenden eine Chaossaison versöhnlich. Am Ende übertönt der Jubel die Pfiffe für Neuer. Auch deshalb, weil sich gleich zwei Spieler als würdige Nachfolger für den Ur-Schalker anbieten.

Na also: Pokal gewonnen, Saison (teilweise) gerettet.

Na also: Pokal gewonnen, Saison (teilweise) gerettet.

(Foto: dpa)

Seit mehr als 20 Jahren ist Manuel Neuer Mitglied des FC Schalke 04. Der Verein aus Gelsenkirchen, das betont der Torwart aus Gelsenkirchen immer wieder gern, ist die große Liebe seines Fußballerlebens. Die Wertschätzung ist gegenseitig. Deshalb war es für die beiden Liebenden umso schöner, dass sie im Berliner Olympiastadion vor großer Kulisse mit rund 40.000 Schalke-Fans gemeinsam den DFB-Pokal gewonnen haben.

Dem Schalke-Mitglied Neuer hat das überraschend souveräne 5:0 (3:0) gegen Zweitligist MSV Duisburg bereits die vierte Trophäe beschert, wenn man die königsblauen Sternstunden in UI-Cup und Ligapokal in dieser Erfolgsrechnung einmal großzügig vernachlässigt. Für den Schalke-Keeper und -Kapitän aber ist dieser Triumph am 21. Mai 2011 viel mehr: der hinreißend schöne Premierentitel mit "Königsblau" als Profi. Weshalb Neuer nach dem Spiel nüchtern feststellte: "Das toppt die ganzen Sachen natürlich schon."

Nach Lage der Dinge aber, und hier mischt sich Wehmut in die schöne Liebesgeschichte, wird dieser erste Titel auch der letzte sein, den Neuer mit Schalke auf absehbare Zeit gewinnen wird. Denn die Lage der Dinge besagt, dass er sich in der nächsten Saison aus Karrieregründen beim FC Bayern als Torwart verdingen möchte.

Zu groß für "Königsblau"

Die Lage der Dinge besagt auch, dass Manuel Neuer in dieser Saison endgültig zu groß geworden ist für den Verein, bei dem er als Vierjähriger Mitglied, als 20-Jähriger Stammtorhüter und weitere vier Jahre später zu Deutschlands Nr. 1 wurde. Damit ist er gerade groß genug für Deutschlands Fußball-Rekordmeister. Das kann auch Schalkes fünfter Pokalsieg gegen einen hoffnungslos unterlegenen Zweitligisten nicht ändern: Erstens, weil der auch ohne den Ur-Schalker im Tor, ja wohl sogar auch ohne jeden Keeper im Kasten absolut ungefährdet gewesen wäre. Zweitens, weil das Bundesliga-Gesetz der Serie besagt, dass Neuer in München in der kommenden Saison auf Anhieb Pokal und Meisterschaft gewinnen wird.

Schalke-Mitglied mit vier Jahren: Manuel Neuer.

Schalke-Mitglied mit vier Jahren: Manuel Neuer.

(Foto: dapd)

Aus der Sicht der Schalke-Fans sorgt Neuers Abschied für Verdruss, weil er ein großes Loch im Tor und in ihren Herzen hinterlässt. Als ihr Kapitän um 22.02 Uhr den Pokal in den Himmel über der Hauptstadt hob, feierten viele und pfiffen manche. Aus Sicht der Schalke-Bosse erhöht das überproportionale Leistungswachstum ihres besten Spielers auch dessen Wert für den Verein über Gebühr. Dass sich die Klub-Verantwortlichen nach dem im trüben Licht einer miserablen Ligasaison noch heller strahlenden Pokaltriumph darin versuchten, noch einmal Spannung in die Personalie zu bringen ("Er ist ein Schlüsselspieler, da machen wir es uns nicht leicht" und "Wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen"), ist dennoch hübsch abstrus.

Warum? Weil die Fertigkeit der Schalker Chefetage im Bau kunstvoller Drohkulissen genauso wenig mit dem Können von Neuer als Torwart mithalten kann wie ein personell arg dezimierter Zweitligist à la MSV Duisburg mit dem jährlich 78 Millionen Euro teuren Team aus Gelsenkirchen. Noch keine zwei Minuten waren in Berlin gespielt, als Neuer die Schalker Spielhälfte das erste Mal für sich allein hatte. Also stand er vor seinem Strafraum und sah einfach nur zu, wie sich seine Teamkollegen dem Kasten der Duisburger anzunähern versuchten.

So absolut regungslos, wie Neuer dort stand und schaute, drängte sich der Eindruck auf, dass er in seinem mutmaßlich letzten Spiel für Schalke gegen einen beschäftigungslosen Abend absolut nichts einzuwenden gehabt hätte. Und sei es, um mit weiteren Glanztaten den eigenen Preis nicht noch weiter hochzutreiben.

"Der Jeff spielt den Ball super rein"

Dass die Partie dann doch nicht ohne sein Mitwirken auskam, ist einer Kausalkette geschuldet, an deren Anfang der Berliner Rasen steht. Der ließ in der 31. Minute den Ball verspringen, weshalb ihn Jefferson Farfan nicht präzise passen und Klaas-Jan Hunterlaar nicht zum 3:0 ins MSV-Tor befördern konnte. Für Duisburg freilich war der verpasste Knock-out ein Segen, denn es folgte die einzige Sturm-und-Drang-Phase des MSV im gesamten Spiel: mit guten Chancen und guten Paraden von Neuer. Den 75.708 Zuschauern im Stadion zeigte sich dabei, dass auch das Team von Milan Sasic guten Fußball spielen kann, zumindest zeitweise.

Ur-Schalker Höwedes freut sich über sein Tor, Landsmann Draxler auch.

Ur-Schalker Höwedes freut sich über sein Tor, Landsmann Draxler auch.

(Foto: dpa)

Als Duisburgs Keeper David Yelldell in der 44. Minute bei einer Schalker Ecke "ein bisschen Pech beim Herauslaufen" hatte, wie es der Stadionsprecher mitfühlend ausdrückte, und der Ball deshalb erst auf dem Kopf von Höwedes und dann zu Schalkes 3:0-Pausenführung im MSV-Tor landete, war Duisburgs Widerstand endgültig gebrochen. Und es war unbestreitbar belegt, dass an Farfans Fehlpass in der 31. Minute wirklich nur ein Platzfehler schuld gewesen sein konnte. Die Ecke war schließlich schon seine dritte Vorlage im Spiel, weil er auch schon die Pässe auf Torjäger Huntelaar vor dem 2:0 (22.) und Youngster Julian Draxler zum 1:0 (18.) verantwortet hatte.

"Der Jeff bekommt den Ball in der Mitte und sieht, dass ich in den freien Raum starte und spielt den Ball super rein", beschrieb Draxler die Vorarbeit zum 1:0. Draxler ist erst 17 Jahre alt und seit seinem Achtelfinalsiegtor gegen den 1. FC Nürnberg Schalkes Pokalheld 2011. Die Erklärung schien dann auch fast so, als sei der anschließende Treffer nach Körpertäuschung und Volleyschuss aus 16 Metern kein Traumtor, sondern eine Selbstverständlichkeit gewesen.

"Am Ende habe ich nur noch gelacht"

Das war es aber genauso wenig wie der überdeutliche Sieg der Schalker, den Jurado (55.) und erneut Huntelaar (70.) noch auf das Rekordergebnis von 5:0 schraubten. Ein Sieg zur rechten Zeit: Vor allem Neuers Abschiedsankündigung vor vier Wochen und die bitteren Champions-League-Lehrstunden gegen Manchester United hatten unschöne Spuren im Schalker Nervenkostüm hinterlassen. Abwehrspieler Benedikt Höwedes diagnostizierte anschließend eine Verletzung, die kein Teamarzt der Welt heilen kann, weil sich ein "kleiner Bruch" im kollektiven Selbstvertrauen nur mit Erfolgen therapieren ließe.

Den Pokal trug eine Ur-Berlinerin ins Stadion: Franziska van Almsick.

Den Pokal trug eine Ur-Berlinerin ins Stadion: Franziska van Almsick.

(Foto: dapd)

Die aber blieben aus. Sechs Pflichtspiele in Folge verlor das Team von Ralf Rangnick vor dem Pokal-Endspiel, sechzehn Gegentore setzte es für Neuer. Die Euphorie über die vier Siege nach dem Rauswurf von Alleinherrscher Felix Magath war längst wieder der Furcht gewichen. Davor, dass dieses fragile Schalker Team im DFB-Pokal auch gegen einen ersatzgeschwächten Zweitligisten kollabieren und die Europa-League-Teilnahme verspielen könnte, womit die ohnehin missratene Saison komplett "versaut" wäre, wie es Manager Horst Heldt unverblümt dem "Kicker" anvertraute.

Es kam anders, weil Schalke im ersten Durchgang aus vier Chancen drei Tore machte und Duisburg aus drei Chancen keines. "Ich glaube, am Ende habe ich nur noch gelacht", sagte Abwehrspieler Höwedes nach der Partie und lachte noch immer. Es ist ja auch wirklich eine nette Pointe, dass mit ihm und Draxler ausgerechnet im wohl schönsten Abschiedsspiel der Schalker Vereinsgeschichte für Ur-Schalker Neuer zwei andere waschechte "Knappen" entscheidend zum fünften Schalker Pokalsieg beitrugen. Und es ist wahrscheinlich nur Zufall, dass der schon so unerhört erwachsen wirkende Draxler sein 1:0 mit einem Kuss auf das Vereinswappen des ausnahmsweise brombeerfarbenen Trikots feierte. Tatsache ist aber: Wenn der Ur-Schalker Neuer demnächst geht, dann muss ein neuer als Identifikationsfigur her. Oder zwei.

Quelle: ntv.de

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