Fußball

Von den Königlichen zu den Kanonieren Özil flieht aus dem Circus Maximus

Es gibt Menschen, die nennen ihn den "Zauberer von Oz": Mesut Özil. Ein prima Fußballer ist er allemal.

Es gibt Menschen, die nennen ihn den "Zauberer von Oz": Mesut Özil. Ein prima Fußballer ist er allemal.

(Foto: dpa)

Wenn ein 24-jähriger Fußballprofi von Real Madrid zum FC Arsenal wechselt, wirkt das wie ein Abstieg. Aber auch wenn Mesut Özil traurig und nicht der deutsche Messi ist - London passt. Er trifft dort Freunde und einen feinsinnigen Trainer.

Das nennt man dann wohl professionell. "Ich bin extrem glücklich, mich einem Verein der Klasse Arsenals anzuschließen, und ich freue mich darauf, in der Premier League zu spielen." Sagte Mesut Özil, nachdem es endlich offiziell war, dass er nicht mehr für Real Madrid, sondern ab sofort in der englischen Premier League Fußball spielt. Der deutsche Nationalspieler wechselt zum FC Arsenal, er hat dort einen Vertrag über fünf Jahre unterschrieben. Fünf Tage zuvor hatte er über seinen seit gestern alten Arbeitgeber gesagt: "Unser Ziel sind Titel, wir sind der größte Verein der Welt. Und ich werde mich auch in diesem Jahr durchsetzen."

"König der Vorlagen"

The Sun: "Arsenal hat den 'deutschen Messi' geholt. Özil ist der kreativste Spieler Europas, seit er bei der WM 2010 die große Bühne betreten hat. Wenger radierte mit dem Transfer das Gehaltsgefüge bei Arsenal aus." - Daily Mail: "Der 'Zauberer von Oz' verfügt über Magie. Arsenal hat endlich die finanzielle Zwangsjacke abgelegt. Mit der Verpflichtung hat der Klub sein Versprechen eingelöst, einen Hochkaräter zu holen. Ein vertrauliches Gespräch mit Wenger überzeugte Özil, ein lukrativeres Angebot aus Paris auszuschlagen." - The Guardian: "Özil ist der König der Vorlagen, seine Technik und seine Pässe machen ihn zum Liebling der Fans. Die Möglichkeit für einen Transfer dieser Größenordnung ergibt sich nicht oft. Wenger gab daher sofort seine Zustimmung, auch wenn die Ablösesumme seinen natürlichen Instinkten widerspricht." - Telegraph: "Wenger hat einen der großen Stars des Weltfußballs nach London gelockt. Um Özil zu verpflichten, hat Arsenal sein Gehaltsgefüge zerstört. Eine große Rolle bei dem Transfer spielte Per Mertesacker." - The Mirror: "Arsene Wenger wollte Özil schon vor drei Jahren haben, er ist immer ein großer Fan des 24-Jährigen geblieben. Wenger sprach gegenüber Özil von seinem Traum-Transfer."

Und nun? Mit 24 Jahren von den Königlichen zu den Kanonieren - das is t ein Abstieg. Oder? Was ist passiert? Es gibt zwei Thesen, die ineinander verschränkt sind: Real hat für knapp 100 Millionen Euro den Waliser Gareth Bale gekauft und sich so ein Überangebot an offensiven Mittelfeldspielern geschaffen. Für keinen anderen hätten sie so viel Geld bekommen wie für Mesut Özil - 50 Millionen Euro, mehr als jemals zuvor für einen Akteur in der Geschichte des Vereins. An Werder Bremen hatten die Madrilenen seinerzeit 15 Millionen Euro überwiesen. Das ist die finanzielle Seite aus Sicht eines Klubs, der sich wie kaum ein zweiter als Circus Maximus versteht, in dem die Akteure regelmäßig ausgetauscht werden, weil es immer das Neuste vom Neuen, das Spektakulärste vom Spektakulären sein muss.

Aus der Perspektive des Spielers dürften sportliche Gründe den Ausschlag gegeben haben: Die Konkurrenz war ihm zu groß. Knapp acht Monate vor der Weltmeisterschaft in Brasilien wollte es der Spielmacher der DFB-Elf nicht riskieren, die halbe Saison auf der Bank zu verbringen. Wie am vergangenen Sonntag. Real Madrid gewann mit 3:1 gegen Athletic Bilbao. Und Mesut saß erstmals unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti 90 Minuten auf der Bank. Für ihn spielte der 21 Jahre alte Spanier Isco, seines Zeichens U-21-Europameister, auf der zentralen Position im Mittelfeld. Und erzielte zu allem Überfluss zwei Tore. Rechts stürmte der argentinische Nationalspieler Angel di Maria, links der unantastbare Portugiese Cristiano Ronaldo. Weil jetzt noch Bale kommt und mit dem Kroaten Luka Modric ein weiterer offensiver Hochkaräter im Kader steht, wird Mesut Özil nach drei Jahren spätestens jetzt gemerkt haben: Das wird hier verdammt eng für mich. Real brauchte Geld, der Spieler einen Stammplatz. Nun haben beide, was sie wollten. Auch wenn Özil traurig ist über den Abschied, der wie eine Flucht wirkt. Aber so sei eben das Geschäft.

"Weil er alle Eigenschaften hat, die ich suche"

Es spricht aber viel dafür, dass der FC Arsenal für Mesut Özil die richtige Wahl ist. Vor allem sportlich. Abgesehen davon, dass er auch in London mutmaßlich nicht mit Kaugummis entlohnt wird. Auf seiner Position in der Schaltzentrale spielt Thomas Rosicky. Wer sich daran erinnert, dass der 32 Jahre alte Tscheche zwischen 2001 und 2006 für Borussia Dortmund in der Bundesliga spielte, ist geneigt zu sagen: immer noch. Dem Vernehmen nach waren auch Paris St. Germain und Manchester United mit in der Verlosung. Aber in London trifft er auf Lukas Podolski und Per Mertesacker, seine Kollegen aus der Nationalmannschaft. Vor allem Mertesacker habe, wie der englische "Telegraph" berichtet, eine wichtige Rolle gespielt, als es darum ging, Mesut Özil davon zu überzeugen, zum FC Arsenal zu wechseln. Man kennt sich aus gemeinsamen Zeiten beim SV Werder Bremen.

In London trifft Özil auf einen Trainer, der Verständnis für Ballkünstler aufbringt. Oder wie der Spieler es selbst formuliert: "Schon während ich mit Arsene Wenger sprach, habe ich das gespürt, was ich zuletzt vermisst habe. Das ist hundertprozentiges Vertrauen in mich." Wenger äußerte sich euphorisch: Der Verein habe den Spieler "schon einige Zeit beobachtet und bewundert, weil er alle Eigenschaften hat, die ich suche". Vielleicht hat er nicht "einen der großen Stars des Weltfußballs nach London gelockt", wie der "Telegraph" schrieb. Und Mesut Özil ist wohl auch nicht der "deutsche Messi", wie das Krawallblatt "The Sun" titelte.

Aber Wenger bekommt einen richtig guten Spieler. Mesut Özil kam für Real Madrid neben seinen 27 Toren in den vergangenen drei Jahren auf 74 Vorlagen, zudem auf 20 für die DFB-Elf. Zum Vergleich: Cesc Fabregas, auch kein Schlechter, kam in der gleichen Zeit auf 49 für Arsenal, den FC Barcelona und die spanische Nationalelf. Es gibt durchaus Menschen in Madrid, die wissen, wen sie da haben ziehen lassen. Bei einer Umfrage der meistverkauften spanischen Sportzeitung "Marca" stimmten 77,7 Prozent der Real-Fans gegen den Wechsel. Vergeblich.

Quelle: ntv.de

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