Fußball

"Da kriege ich eine Gänsehaut" Overath, Künstler und Kölner Kind der Liga

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Rivalen unter sich: Wolfgang Overath mit Günther Netzer im Juni 1971.

Seine Rivalität mit Netzer ist legendär - genauso wie seine Spielkunst. Einer seiner größten Fans war Hermann Gerland. Aber auch Menotti, Ettmayer und Pelé verehrten Wolfgang Overath, der froh war, dass seine Frau keine Ahnung von Fußball hatte.

Der ehemalige Ko-Trainer des FC Bayern, Hermann Gerland, grinst übers ganze Gesicht, als er die Geschichte eines Abends in geselliger Runde erzählt. Er sei früher ein großer Fan von Wolfgang Overath gewesen, berichtet er. Und eines Tages habe er sich wieder einmal mit seiner Frau über den ehemaligen Spielmacher des 1. FC Köln unterhalten. Irgendwann habe er dann den Hörer des Telefons in die Hand genommen und die Nummer seines Freundes Ata Lameck gewählt, dem Bochumer Rekordspieler, der 518 Spiele für den VfL absolvierte.

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Auf der Tribüne: Für seinen 1. FC Köln war und ist Overath immer da.

(Foto: imago/Eibner)

Die beiden sind schon sehr lange befreundet. Jeder weiß genau, wie der andere tickt. Und nun rief Gerland seinen Kumpel Ata an, um seiner Frau zu beweisen, dass alle Spieler damals so sein wollten wie Overath. Gerland: "Ata, sag mal, wer war besser: Netzer oder Overath?" Lameck antwortete spitzfindig: "Hermann, kein Problem. Lass es mich in einem kleinen Vergleich sagen. Ich war Overath und du warst Netzer!" Gerland bedankte sich, lächelte und legte auf. Das war der Beweis. Nun wusste auch seine Frau, welcher Fußballer damals der größere von beiden war.

Für alle Spätgeborenen, die den unglaublichen Fußballer Wolfgang Overath nie haben spielen sehen, seien noch drei Zitate angefügt. Buffy Ettmayer, der österreichische Ausnahmekünstler vom VfB Stuttgart und dem Hamburger SV, sagte einmal: "Dem Overath müssten sie heute so lange mit Geldscheinen aufs Hirn schlagen, bis er bewusstlos ist. So viel Geld hätte der damals verdienen müssen." Der legendäre Cesar Luis Menotti, Weltmeistertrainer der argentinischen Nationalelf von 1978, flankierte seine Lobeshymne auf den Weltmeisterspieler von 1974 mit anderen berühmten Namen: "Das wahre Talent sensibilisiert mich. Overath, Cruyff, Maradona - da kriege ich eine Gänsehaut."

Auch Pelé schwärmte von ihm

Und Weltstar Pelé sagte 1970 anlässlich des Erscheinens des Buchs "Ja, mein Temperament" über Overath: "Ich wurde schon häufig gebeten, meine Traumelf aufzustellen. Das möchte ich nicht, weil ich sehr viele gute Spieler in der Welt kenne. Zwei deutsche Spieler aber würde ich bedenkenlos in meine Wunschmannschaft nehmen: Overath und Beckenbauer. Es muss ein Genuss sein, mit diesen beiden in einem Team zu spielen."

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Künstler unter sich: Overath und Pelé.

Das Buch erschien damals übrigens unter keinen guten Bedingungen, wie der Herausgeber Karlheinz Mrazek im Vorwort erklärte: "Diebe hatten die Tonbänder mit den Aufzeichnungen des Overath-Buchs entwendet. Unser Versprechen, sie unbehelligt zu lassen, wenn sie das Material anonym zurückschicken oder abgeben, blieb ohne Echo. So waren wir gezwungen, das Ganze zu wiederholen." Gut so. Denn ansonsten wäre diese Passage, die man auch als ein Stück Zeitgeschichte betrachten muss, nie erschienen: "Von weiblichen Fußballfans hält Wolfgang Overath nicht viel. Ehefrauen mit ausgeprägtem Fußballverstand und leidenschaftlichen Fußballinteressen sind nicht nach dem Geschmack des Spielers: Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als schreiende Fußballbräute auf den Tribünen. Gottlob ist meine Frau genau das Gegenteil. Sie hat wirklich keine Ahnung von Fußball."

Auf den Mund gefallen war Wolfgang Overath ohnehin nie, wie ein feiner Dialog aus der Saison 1973/1974 mit dem Herthaner Helmut Kronsbein zeigt: "Overath: Ich staune, dass ihr euch den Vorsprung noch habt entreißen lassen. Kronsbein: Daran siehst du, Wolfgang, wie viel Grünschnabel ich noch in der Mannschaft habe. Overath: Na, wenn es um das In-die-Beine-Treten geht, dann sind die aber gar nicht grün. Kronsbein: Die treten so gut, wie ihr spukt."

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Trautes Heim: Karin Overath mit ihrem Mann.

Schön auch das Gespräch zwischen Overath und Schiedsrichter Aldinger: "He, Aldinger, jetzt hast du wohl gerade deine schwachen zehn Minuten. Heinz Aldinger: Und du, Overath, spielst schon 70 Minuten Scheißdreck." Mit Günter Netzer verband Overath in den 70er-Jahren eine große Rivalität auf dem Platz. Der Sieger war zumeist der Kölner. So stand Overath auch im WM-Endspiel 1974 auf dem Rasen. Nur im legendären Pokalfinale 1973 hatte Netzer das bessere Ende auf seiner Seite. Nach dem Tor des Gladbachers sagte der ehemalige Kölner Franz Wichelhaus: "Sehen Sie, das ist der Unterschied: Overath hätte den Ball erst noch mal gestreichelt, Netzer hat ihn reingehauen!" Der Treffer war für Günter Netzer eine große Genugtuung, wie auch der Umstand, dass Overath einmal über Umwege an ein Auto von ihm gelangte.

"In einem fürchterlichen Lila"

Als Netzer den Jaguar (Cabrio, sechs Zylinder, 269 PS, 4,2 Liter Hubraum, 240 km/h schnell) fuhr, war er Anthrazitgrau. Doch dann ruckelte er plötzlich und es regnete durchs Dach. Netzer entschloss sich, das edle Stück zu verkaufen. Der Abnehmer war niemand Geringeres als Franz Beckenbauer. Doch auch der verlor schon bald die Lust an dem unzuverlässigen Wagen und ihn weiter - an Overath. Und der ließ den Jaguar als allererstes neu lackieren - und zwar "in einem fürchterlichen Lila", wie Netzer anmerkte. Doch viel Glück hatte Overath mit dem Jaguar nicht. Er sprang weiterhin nur sehr temporär an.

Für seinen 1. FC Köln war und ist Overath immer da. Von 2004 bis 2011 war er Präsident des Klubs. Seinen Rücktritt begründete er damals mit den ehrlichen Worten: "Wir wollen uns nicht mehr über Spielberichte ärgern, nicht mehr die Wochenenden versauen!"

Als Overath seine Spielerkarriere beendete, ging der letzte Mann der ersten Stunde beim 1. FC Köln. Am 24. August 1963 hatte er das erste Tor für seinen FC in der Bundesliga erzielt. Was wenige wissen: Hätte Overath im Abstiegskrimi 1969 nicht für die Kölner getroffen und den Klub gerettet - er wäre zum FC Bayern gegangen. Alles war genau besprochen.

Knapp 14 Jahre nach seinem Bundesligadebüt verließ Overath die große Bühne. Und er tat es rechtzeitig. Sein Wunsch war stets: "Ausgepfiffen möchte ich nicht werden!" Das hat er geschafft - mit Bravour. Heute wird der Mann 75 Jahre alt, der einst sagte: "Ich würde auch spielen, wenn ich kein Geld dafür bekäme. Aber da es Geld gibt, ist es noch besser"

Quelle: ntv.de

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