43 oder 44 Spieler? Pep-Schüler Maresca soll Chelseas Milliarden-Rätsel lösen
21.08.2024, 14:44 Uhr
Chelsea-Trainer Enzo Maresca könnte hier gerade im Kopf alle Spieler durchgehen und hält sicher daher die Augen zu.
(Foto: IMAGO/Shutterstock)
Im Frühjahr 2022, nur ein Jahr nach dem Triumph in der Champions League, übernimmt Todd Boehly den FC Chelsea. Zwei turbulente Jahre später weiß kaum ein Funktionär oder Sportjournalist noch, wie viele Spieler im Kader der Blues stehen. Ein Guardiola-Lehrling soll inmitten des Chaos den Erfolg zurückbringen.
Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten. Man weiß ja nie, wen sie beim FC Chelsea gerade wieder kaufen oder verkaufen oder verleihen wollen. Stand Mittwochmittag jedenfalls hatten 42 Spieler einen gültigen Vertrag beim Klub aus der englischen Premier League, andere behaupten, es seien 43. Nicht eingerechnet ist João Félix, der für 50 Millionen Euro noch von Atlético Madrid kommen wird. Dabei haben sie gar keinen Platz mehr für ihn.
Ob nun 42, 43 oder 44: Der FC Chelsea selbst macht seine eigene Rechnung auf. Stand Mittwochmittag listete der Klub 33 Spieler für die erste Mannschaft auf seiner Website auf, elf weitere mit einem gültigen Vertrag sind demnach derzeit verliehen. Macht also insgesamt 44 - darunter sind allein zehn Torhüter. Aber: Nicht eingerechnet ist so prominentes Personal wie Kepa Arrizabalaga, noch immer der teuerste Torhüter der Geschichte, oder Romelu Lukaku.
"Wo soll der sich umziehen?"
Im Internet, wo Bilder vom überfüllten Fitnessraum des FC Chelsea kursieren, machen sie sich mittlerweile lustig über den monströsen Kader - mit "Memes" von einem vierstöckigen Mannschaftsbus oder von Team-Besprechungen, bei denen sich Spieler zu Menschentürmen aufhäufen. Jamie Carragher, einst englischer Nationalspieler und nun TV-Experte, fragt sich: Falls jetzt auch noch João Félix komme, "wo soll der sich umziehen?" Und er betonte: "Das meine ich todernst."
Der Mann, der für all das die Verantwortung trägt, heißt Todd Boehly. Er ist schon Mehrheitseigentümer der Dodgers (Baseball) oder der Lakers (Basketball) aus Los Angeles, er leitet zudem das Konsortium Clearlake, das seit Sommer 2022 Besitzer des FC Chelsea ist. Seitdem hat Boehly scheinbar willkürlich 39 Spieler verpflichtet - für eine Gesamtsumme von umgerechnet mehr als 1,3 Milliarden Euro. So nebenbei verschliss er fünf Trainer, direkt zu Amtsantritt Boehlys musste Thomas Tuchel seine Sachen packen - gewonnener Champions League zum Trotz.
Nur ein Sieg in der Vorbereitung
Parallel zur chaotischen Kaderpolitik stürzt Chelsea in den vergangenen Jahren auf Tabellenplätze ab, die Ex-Trainer wie José Mourinho, Carlo Ancelotti oder ebenjener Thomas Tuchel nur vom Hörensagen kennen. Am Ende der Saison 22/23 steht ein katastrophaler Platz 12. Im vergangenen Jahr hievt sich das Team irgendwie noch auf Platz sechs, als Dank muss Trainer Mauricio Pochettino gehen.
Seit Saisonbeginn schlägt sich nun Enzo Maresca, nach der Trennung von Mauricio Pochettino für knapp zwölf Millionen Euro vom Premier-League-Aufsteiger Leicester City abgelöst, mit diesem XXXL-Kader herum. Trainer Maresca war zu Amtsantritt der Hoffnungsschimmer im undurchsichtigen Londoner Spieler-Salat. Doch bereits in der Vorbereitung bekam auch die Personalie an der Seitenlinie mindestens mal einen bitteren Beigeschmack. Gegen den AFC Wrexham, ein durch Besitzer Ryan Reynolds zum Kult gewordener Drittligist, trennten sich die Blues 2:2. Wenig später setzte es dann sogar eine 1:4-Pleite gegen Celtic Glasgow. In der Vorbereitung gewann Chelsea nur ein Spiel - ein 3:0 gegen den mexikanischen CF America.
Neben dem Erfüllen sportlicher Ziele muss Maresca auch noch den unvergleichlich aufgeblähten Kader moderieren. Das führt zu Härtefällen. Beim 0:2 zum Saisonauftakt gegen Meister Manchester City, wo er vor zwei Jahren noch Pep Guardiola assistierte, sah Maresca etwa für Nationalspieler Raheem Sterling keine Verwendung: Er stand nicht mal im Spieltagskader. Auch Kepa (zuletzt an Real Madrid verliehen), Lukaku (zuletzt an Inter Mailand verliehen) oder der erst 2023 für 45 Millionen Euro Ablöse aus Monaco losgeeiste Axel Disasi sollen gehen können.
"Spieler müssen aufhören, bei Chelsea zu unterschreiben"
Auf der Seite der Zugänge ist bisher kein Ende in Sicht. Neun Spieler hat Chelsea in diesem Sommer bereits geholt, Felix wäre der zehnte. Er soll einen Vertrag über sechs Jahre plus Option für ein weiteres unterschreiben. Er wäre nicht der einzige mit einem derartigen Rentenpapier. Cole Palmer, in der vergangenen Saison zum besten jungen Spieler der Premier League gewählt, hat sein Arbeitspapier kürzlich bis 2033 verlängert. Ganze 17 Spieler im Kader haben Verträge, die bis mindestens 2030 laufen.
"Chelsea muss aufhören, Spieler zu kaufen. Und die Spieler müssen aufhören, bei Chelsea zu unterschreiben", ereifert sich der ehemalige Liverpooler Profi Carragher, der zudem sagt: Er könne nun wirklich nicht verstehen, "wie man als Spieler einen Sieben-Jahres-Vertrag unterschreiben kann". Die auffällig langen Verträge sind zu Beginn der Boehly-Ära ein Finanztrick. Die Blues können die Ablösesumme für die Spieler so über die Vertragsjahre abschreiben. Mittlerweile hat die Premier League dem Treiben ein Riegel vorgeschoben, und den Zeitraum für die Abschreibung von Transfersummen auf fünf Jahre begrenzt. Chelsea selbst erlebt nun auch die Schattenseiten der Praktik. Spielern über einen Zeitraum von sieben Jahren ein fürstliches Gehalt zu garantieren, macht es nicht einfacher, sie wieder zu verkaufen.
Quelle: ntv.de, fpa/sid