Fußball

Selbst San Marino lacht nur noch Ratloser Liverpool-Coach verheddert sich in irritierenden Ausreden

Nun ja, das war wohl nichts gegen Crystal Palace.

Nun ja, das war wohl nichts gegen Crystal Palace.

(Foto: picture alliance / empics)

Beim FC Liverpool läuft es überhaupt nicht. Der englische Fußballmeister weist mittlerweile sechs Niederlagen aus den vergangenen sieben Spielen auf. Auch im Ligapokal gibt es eine Pleite. Trainer Arne Slot macht diesmal aber die Kadertiefe verantwortlich - und das nach einem massiven Investment.

Es ist das Schöne und zugleich Schreckliche am Fußball, dass alles blitzschnell gehen kann. Mal ist der Protagonist der Held, Sekunden später der Depp. Die Geschichte kann auch Trainer Arne Slot beim FC Liverpool erzählen. Noch im vergangenen Jahr war der Niederländer derjenige, der das scheinbar Unmögliche geschafft hatte: Slot schulterte nicht nur das monumentale Erbe, das der Menschenfänger Jürgen Klopp in der englischen Hafenstadt hinterlassen hat. Er führte die Reds sogar auch noch zur ersten Post-Corona-Meisterschaft in der Premier League.

Naja, und nun? Da könnte es um Slot nicht schlechter stehen. Die aktuelle Bilanz ist verheerend. Die Statistik weist sechs Niederlagen aus den vergangenen sieben Spielen aus. Am Mittwoch gab es dann auch noch das Aus im Carabao Cup, mit 0:3 gegen Trainer Oliver Glasner und sein Crystal Palace. Die ohnehin harsche englische Presse spekuliert deshalb schon über die Entlassung Slots. In Spanien mutmaßte man schon, dass "Köpfe rollen" würden. Selbst San Marino bettelt nun scherzhaft darum, dass Liverpool doch bitte gegen den Letzten der FIFA-Weltrangliste spielen möge. Damit die auch mal gewinnen.

Slot verteidigte nach Spielende seine Aufstellung beim überraschend frühen Aus im Ligapokal. Tatsächlich hatte er heftig rotiert, veränderte die Mannschaft auf gleich zehn Positionen. Im Vergleich zum 2:3 am Wochenende in der Premier League beim FC Brentford verschwanden die Topstars aus der Startelf, der deutsche Nationalspieler Florian Wirtz war nicht einmal im Kader. Ebenso wie Starstürmer Mohamed Salah, Abwehrchef Virgil van Dijk und Hugo Ekitiké sowie Rekordeinkauf Alexander Isak. "Dieser Verein hat diesen Wettbewerb schon immer auch für Akademiespieler genutzt", sagte Slot auf der Pressekonferenz. Es habe sich richtig angefühlt, die Entscheidung würde er nicht ändern, nur weil sie verloren hatten.

Slot: Wenn ich mir Manchester City anschaue ...

Slot hat dabei durchaus einen Punkt. Der Carabao Cup oder Ligapokal ist üblicherweise die Bühne auf der Insel, auf der sich mal die zweite oder dritte Reihe der Topklubs beweisen darf. Die Partien werden eher als Freundschaftsspiele betrachtet, halt mit Wettbewerbscharakter. Deshalb liefen bei Liverpool auch gleich vier Teenager auf, später wechselte Slot dann auch noch weitere ein. Dass der Kapitän der U21-Mannschaft, Amara Nallo, in seinem zweiten Profieinsatz die zweite Rote Karte sieht, gehört dazu. Schon im vergangenen Januar war er bei seinem Champions-League-Debüt gegen PSV Eindhoven vom Platz geflogen.

Dennoch machte Slot nach dem Spiel etwas Überraschendes: Er begann, sich herauszureden. Denn auch die anderen Topteams ließen die Jugend in dem Wettbewerb forschen, nur halt mit erfolgreichem Ausgang. "Ich habe die Aufstellung von [Manchester] City gesehen und glaube nicht, dass sie einen einzigen Stammspieler vom Wochenende dabei hatten, aber wenn man sich ihre Aufstellung ansieht, hat es sich angefühlt, als hätten sie mit ihren elf Stammspielern gespielt", sagte Slot.

"Vielleicht gibt das einen kleinen Einblick in das, was alle immer gesagt haben, nämlich wie groß unser Kader ist. Als wir gegen Chelsea gespielt haben, habe ich gesagt, dass ihnen acht Spieler fehlen, aber sie können immer noch Estevao einwechseln." Den 18-jährigen Brasilianer hatten die Londoner im Sommer für 45 Millionen Euro verpflichtet. "Uns fehlen derzeit nur vier Spieler und schon mussten wir mit vier Spielern unter 19 Jahren beginnen. Nach zwei Auswechslungen waren es dann sechs."

Ein millionenschwerer Sommer

Die Sätze sind vor allem auch deshalb irritierend, weil hinter dem FC Liverpool ein bemerkenswerter Sommer liegt. Normalerweise sind die Reds im Vergleich zu ihren völlig enthemmten Marktbegleitern für ihre noch konservative Transferpolitik bekannt. In diesem Sommer wurde aber der Klub kräftig verjüngt. Das bedeutet: In Wirtz, Isak und Co. flossen insgesamt fast 500 Millionen Euro - und damit auch in Kader. Dass sich der Trainer jetzt über die Kaderbreite beschwert, verwundert. Vincent Kompany mit seinem nicht üppigen Aufgebot könnte das vielleicht machen. Aber ausgerechnet Arne Slot?

Auch der Ex-Frankfurt-Trainer Glasner erinnerte daran, dass selbst diese Liverpooler B-Elf eine Topmannschaft ist. Innenverteidiger Joe Gomez ist etwa nicht nur englischer Nationalspieler, sondern auch Champions-League-Sieger. Dazu kommen im Mittelfeld der argentinische Weltmeister Alexis Mac Allister und Mittelfeldmotor Wataru Endo, der Kapitän der japanischen Nationalelf ist. Die Anerkennung gehöre deshalb auch Crystal Palace, sagte Glasner.

Es scheint, als versuche Slot, von anderen Problemen abzulenken. Schon nach der Brentford-Pleite machte er entsprechende Andeutungen. "Die Gegner haben eine bestimmte Art, gegen uns anzutreten", sagte er. Gemeint sind vor allem ein tiefer defensiver Block und viele schmerzhafte Konterangriffe. "Das ist eine gute Strategie und wir haben darauf noch keine Antwort gefunden. Dass wir dann jedes Mal in Rückstand geraten, hilft uns auch nicht wirklich." Nach dem Umbruch ist die Ratlosigkeit groß.

Bislang ist es ihm noch nicht gelungen, die neuen Puzzleteile zu einem passenden Bild zusammenzusetzen. Dabei ist es der erste richtige Slot-Kader, die Meisterauswahl hatte er besenrein von Klopp übernommen. Aber mit den Abgängen von Trent Alexander-Arnold hat sich die Statik verändert. Zudem hat Starspieler Salah seine Topform in der vergangenen Saison gelassen. Dazu kommt die komplett ausgetauschte Offensive, mit den Abgängen Darwin Núñez und Luis Diaz sowie dem verstorbenen Diogo Jota. Am Ende stehen auch beim FC Liverpool nur Menschen auf dem Feld, die lange mit Jota zusammengespielt haben. Welche Folgen der tragische Todesfall kurz vor der Saisonvorbereitung für das Team hat, lässt sich nur erahnen.

Und die neuen Mosaiksteine suchen noch ihren neuen Platz. Beispiel Wirtz: Zwar konnte der deutsche Nationalspieler beim Champions-League-Erfolg gegen Eintracht Frankfurt seine ersten Scorerpunkte feiern, aber eine feste Position im Liverpooler System hat er noch nicht. Der 22-Jährige tauchte wahlweise schon als Flügelspieler, Mittelstürmer, Zehner oder zeitweise sogar im defensiven Mittelfeld auf. Rekordeinkauf Isak struggelt noch mit der Fitness. Der sündhaft teure Linksverteidiger Milos Kerkez sucht noch seine Form.

Das sehen auch die Verantwortlichen. Und so wächst der Druck auf Arne Slot. Da hilft auch nicht, dass ihm der Spielplan derzeit nicht wirklich freundlich gesinnt ist. Am Samstag wartet Aston Villa in der Liga, dann Real Madrid in der Champions League und am darauffolgenden Wochenende dann Manchester City. "Es entspricht nicht den Liverpool-Standards, sechs von sieben Spielen zu verlieren", sagte Slot und verwies auf den Terminkalender. "Der Druck ist schon sehr hoch für die kommende Woche, in der wir wieder gegen drei sehr starke Team antreten müssen." Immerhin ist nach diesen sieben Tagen klar, ob Slot als Held oder Depp in die Liverpooler Geschichtsbücher eingeht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen