Fußball

"Eine verrückte Idee, aber eine gute" Reform macht EM 2020 attraktiv

Falls Bundeskanzlerin Angela Merkel solange im Amt bleibt, kann sie 2020 sehr wahrscheinlich zu EM-Heimspielen des DFB-Teams reisen.

Falls Bundeskanzlerin Angela Merkel solange im Amt bleibt, kann sie 2020 sehr wahrscheinlich zu EM-Heimspielen des DFB-Teams reisen.

(Foto: REUTERS)

Die Fußball-Revolution kommt - wie sie genau aussieht, wird erst im Frühjahr 2013 feststehen. Sicher scheint nur: Die erste Europa-EM erspart der Uefa eine mögliche Blamage, ist wirtschaftlich sinnvoll - und erhöht die Attraktivität für Fans und Ausrichter. In Deutschland ist der Städtewettstreit um EM-Heimspiele bereits entbrannt.

Europa freut sich auf die Europa-EM: Kaum war die Nachricht von der Fußball-Revolution im Jahr 2020 in der Welt, gab es die ersten öffentlichen Beifallsbekundungen und Bewerbungen. Während der Fußball-Weltverband Fifa durch die Verteilung des Turniers auf den ganzen Kontinent schon vorab den "Geist des Wettbewerbs zerstört" sah, lobte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge die "Entscheidung in Zeiten eines vereinigten Europas" und wirtschaftlicher Krisen - und brachte nebenbei München als Spielort ins Gespräch.

Von allen Ideen, die Uefa-Präsident Michel Platini in seiner Amtszeit bislang präsentiert hat, zählt der neue EM-Modus zweifellos zu den besseren. Tatsächlich können an einer Fußball-EM in rund einem Dutzend europäischer Länder mehr Fans und Länder direkt teilnehmen, ohne dass das Turnier an Reiz für Fußballreisende verliert. Statt in ein oder zwei Länder geht es für die nun eben in mehrere verschiedene europäische Städte.

Reformer wider Willen? Mit seiner Reformidee beseitigte Uefa-Boss Michel Platini auch einen Bewerbungsengpass, den er mit einer anderen Idee - der EM-Aufblähung - selbst herbeigeführt hatte.

Reformer wider Willen? Mit seiner Reformidee beseitigte Uefa-Boss Michel Platini auch einen Bewerbungsengpass, den er mit einer anderen Idee - der EM-Aufblähung - selbst herbeigeführt hatte.

(Foto: dpa)

"Für die Fans wird das fantastisch sein", feierte Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino die eigene Reform. Platini versprach, bei der konkreten Ausgestaltung zu große Reisestrapazen zu vermeiden: "Wir bringen die Euro zu den Fans. Bislang mussten sie zur Euro kommen, jetzt kommen wir zu ihnen".

Revolution der Vernunft

Wichtiger als die Integrationskraft einer europäischen EM, mit der sich die Uefa trotzdem gern schmücken wird, dürften profane pragmatische Erwägungen gewesen sein. Eine EM mit 24 Mannschaften, wie sie ab 2016 ausgetragen wird, bedeutet enorme finanzielle und logistische Herausforderungen für die Gastgeberländer. Obwohl das ebenfalls auf Drängen von Platini aufgeblähte Turnier mehr Ländern die Teilnahme ermöglicht, schrumpft neben dem sportlichen Wert der Vorrundenspiele auch der Kreis der potenziellen Gastgeber, selbst in Zweierkonstellationen wie bei der EM 2012.

Dieses Problem wird - zunächst nur für - 2020 umgangen. Durch die Wahl von Großstädten als Spielorte wird auf bestehende Stadien und Infrastrukturen zurückgegriffen. Teure Neubauten prunkvoller Fußballtempel in der Provinz, die nach dem Turnier zu oft als teure "Weiße Elefanten" enden, sind für die EM in acht Jahren nicht nötig.

Mehr als wirtschaftliche Sorgen um die EM-Ausrichter dürfte die Uefa aber die Angst vor einer Blamage zur Revolution bewogen haben. Mit der Türkei gab es für das Turnier 2020 laut "Spiegel" nur einen ernsthaften Bewerber, der DFB etwa verzichtete. Das Problem dabei: Die Bewerbung der Türkei war daran geknüpft, nicht den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2020 zu erhalten. Um die hat sich das Land mit Istanbul ebenfalls beworben – und gilt als Favorit auf den Zuschlag.

Statt zu riskieren, nach der Olympiavergabe im Jahr 2013 plötzlich ohne ernstzunehmenden Ausrichter-Kandidaten für seine Jubiläums-EM dazustehen, geht die Uefa zum 60. Turnier-Geburtstag neue Wege. Die sonst gern reformunwilligen Fußballer setzen damit um, was zuvor schon die Basketballer erwogen, dann aber doch wieder verworfen hatten: eine Europameisterschaft in ganz Europa.

Fast alle Fragen noch offen

Zuvor sind allerdings noch viele Fragen zu klären: In wie vielen Ländern wird die EM in acht Jahren ausgetragen? Wie wird das Bewerbungsprozedere genau aussehen? Sind auch mehr Städte aus einem Land als Austragungsorte möglich? Haben die stärksten Nationen in ihren Gruppenspielen tatsächlich immer Heimrecht, was sportlich fragwürdig wäre? Alles noch ungeklärt.

Die konkrete Form der ersten europaweiten Fußball-EM wird erst im kommenden Jahr feststehen. Im Januar oder März 2013 wird die Exekutive zunächst entscheiden, in wie vielen Ländern und in wie vielen Städten die EM 2020 ausgetragen wird – und im Frühjahr 2014 dann, in welchen genau.

Länderspiele im EM-Format

Berlin ist eine von bisher vier deutschen Städten, die gern Co-Gastgeber der EM 2012 wären.

Berlin ist eine von bisher vier deutschen Städten, die gern Co-Gastgeber der EM 2012 wären.

(Foto: dapd)

Sicher ist nur, dass die Atmosphäre dieser EM eine andere sein wird. Statt während der Spiele fröhliches Miteinander vieler Fans aus verschiedenen Ländern zu präsentieren, dürften viele Vorrundenpartien eher Länderspielen gleichen. Trotzdem ist nicht nur Platini überzeugt: "Es ist vielleicht eine verrückte Idee, aber eine gute".

Anders als für das EM-Turnier im traditionellen Format stehen die Bewerber trotzdem Schlange, auch der Deutsche Fußball-Bund will jetzt dabei sein. Neben München träumen Berlin, Dortmund und Hamburg öffentlich von EM-Heimspielen in acht Jahren, der Städtewettstreit ist bereits voll entbrannt.

Der englische Fußballverband spekuliert derweil schon auf die Halbfinals und das Endspiel im Londoner Wembley-Stadion. "Natürlich steht Wembley bei der Uefa hoch im Kurs und wir werden uns dafür einsetzen", sagte FA-Chef David Bernstein. Bislang wurde Istanbul stets als Favorit für den Turnierabschluss genannt – die Türken allerdings stimmten am Donnerstag als einziger Verband gegen die Revolution.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

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