Lethargisch zum Rekord - und ins Achtelfinale Sammer streichelt die Seelen der Bayern
06.11.2013, 12:04 Uhr
"Selbstkritik ist immer ein guter Ratgeber": Matthias Sammer.
(Foto: imago sportfotodienst)
Zwei Spieltage vor Toresschluss bucht der FC Bayern das Achtelfinale der Champions League. Zufrieden sind die Münchner dennoch nicht, die Spieler kritisieren sich selbst. Nur einer mag nicht mäkeln - und gibt überraschend den Gute-Laune-Bären.
Tor: 0:1 Mandzukic (65.)
Pilsen: Kozacik - Rajtoral, Cisovsky, Prochazka, Hubnik (71. Reznik) - Horava, Horvath - Petrzela, Kolar, Duris (84. Pospisil) - Tecl (87. Bakos)
München: Neuer - Rafinha, van Buyten, Contento, Alaba - Lahm - Götze (87. Weiser), Schweinsteiger (59. Martínez), Toni Kroos, Ribery - Thomas Müller (59. Mandzukic)
Referee: Lahoz (Spanien) Zus.: 11.360
Und wieder ein Sieg, und wieder ein Rekord - und wieder nicht z ufrieden: Nach dem Arbeitssieg des FC Bayern bei Viktoria Pilsen in der Fußball-Champions-League mehren sich die kritischen Stimmen in den eigenen Reihen. Während sich die Spieler hinterfragen, überrascht Trainer Josep Guardiola mit seiner Startelf - und Matthias Sammer in seiner neuen Funktion als Seelenstreichler. Nein, schön war es nicht, was die Bayern da in Pilsen geliefert haben. Nach den Gala-Vorstellungen beim 3:1 in Manchester und dem 5:0 im Hinspiel leisteten die Münchner mal wieder "Dienst nach Vorschrift", wie es Sportdirektor Sammer ihnen vor wenigen Wochen noch vorgeworfen hatte. Ohne Esprit und Spielwitz, dafür wieder mit einer schläfrigen Anfangsphase mühte sich die Mannschaft zu einem müden 1:0 durch ein Tor des eingewechselten Mario Mandzukic nach 65 Minuten.
Egal, könnte man meinen, schließlich haben die Bayern damit das Ticket für das Achtelfinale schon nach vier Spieltagen gebucht. "Das ist schön, aber wir hätten uns trotzdem eine bessere Leistung gewünscht", sagte Torwart Manuel Neuer, der längst nicht der Einzige war, der sich an die eigene Nase fasste. "Es war jetzt kein Festival, wir haben uns relativ schwer getan. Wir hatten zu viele einfache Ballverluste", sagte Toni Kroos. Daniel van Buyten sprach von "fehlender Konzentration" und erkannte, "dass wir nicht unser Spiel aufgezogen haben. Es ist jetzt schon ein paar Spiele so, dass wir unsere Schwierigkeiten haben."

"Natürlich sitzen wir jetzt nicht in der Kabine und machen 'ne Flasche Schampus auf": Thomas Müller.
(Foto: imago sportfotodienst)
Apropos van Buyten: Fast niemand hatte damit gerechnet, dass der Belgier wie schon im Hinspiel die Innenverteidigung mit Diego Contento bildet. Obwohl Dante wieder fit war und Jeróme Boateng seine Strafe abgesessen hatte, mussten die etatmäßigen Verteidiger auf der Bank Platz nehmen. Trainer Guardiola hatte nach dem 2:1 am Wochenende bei der TSG Hoffenheim zwar Umstellungen angekündigt, damit hatte aber wohl kaum jemand gerechnet. Nur: Es änderte sich nichts an der lethargischen Spielweise in der Anfangsphase.
Wieder fehlten die Körperspannung, die letzte Konzentration und die richtige Entschlossenheit in den Zweikämpfen. "Was wir schnell in den Griff bekommen müssen, ist unsere Anfangsphase. Wir lassen den Gegner kommen und ihn glauben, dass was zu holen ist", sagte Philipp Lahm und kam zu dem Schluss: "Vielleicht denken wir teilweise, dass es zu einfach ist. Das darf uns nicht passieren." Thomas Müller sah ebenfalls ein, dass man sich "nicht mit Ruhm bekleckert" habe. "Natürlich sitzen wir jetzt nicht in der Kabine und machen 'ne Flasche Schampus auf."
"Man sollte die Kirche im Dorf lassen"
Und nachdem alle Spieler unisono die eigene Leistung schlecht geredet hatten, tauchte dann auch noch der große Mahner in den Katakomben auf: Sammer, der Mann, der alles und jeden kritisiert, und sogar dann noch ein Haar in der Suppe findet, wenn die Mannschaft ihre Gegner mit Schützenfesten aus dem Stadion schießt. Also, Köpfe einziehen und Feuer frei, Herr Sammer!, hatten sich die Pressevertreter schon auf knackige O-Töne gefreut - vergeblich.
Während die Nasen von Lahm & Co. ob des eigenen Anfassens schon ganz rot waren, behielt die Gesichtsfarbe von Sammer ihre Ursprungsfarbe. "Wir haben letztes Jahr zu dieser Zeit in Borissow verloren. Wir haben auch letztes Jahr in Hoffenheim um diese Zeit nicht gut ausgesehen", sagte er im schon fast sanften Ton und bewies sich als Seelenstreichler: "Wir müssen sehen, was unser Anspruch ist und, dass wir Dinge auch besser machen können. Selbstkritik ist immer ein guter Ratgeber. Aber: Man sollte die Kirche auch mal im Dorf lassen."
Da ist zweifelsfrei was dran, trotzdem ist Kritik angebracht. Mit seiner Experimentierfreudigkeit in der Defensive begibt sich Guardiola auf dünnes Eis. Van Buyten und Contento spielten lässig, ließen für dieses Niveau einfach zu viele Chancen zu, die Pilsen nicht nutzte. Kommt im Achtelfinale ein anderer Gegner mit mehr Qualität in der Offensive, werden die Bayern für solche Unzulässigkeiten bestraft. Weil Pilsen aber das Tor nicht traf und Guardiola mit der Einwechslung von Mario Mandzukic ein glückliches Händchen bewies, wahrten die Bayern ihre Weiße Weste. Dank des Joker-Tores des Kroaten war es saisonübergreifend der neunte Champions-League-Sieg in Folge; die Bestmarke des FC Barcelona ist damit eingestellt. Das freut natürlich auch Guardiola: "Ich bin sehr glücklich über diesen Rekord. Ich hoffe, dass wir ihn in Moskau verbessern."
Quelle: ntv.de, sport.de