Fußball

Schalke, wie es tanzt und lacht Bochums Fußballer sind von eigenen Fans entsetzt

Die Bochumer Spieler um Manuel Riemann und Philipp Hofmann stellten sich den Fans.

Die Bochumer Spieler um Manuel Riemann und Philipp Hofmann stellten sich den Fans.

(Foto: IMAGO/Treese)

Der VfL Bochum vergeigt das brisanteste Spiel der Saison. Im kleinen Revierderby stimmt die Leistung in Halbzeit eins, doch nimmt ein kurioses Eigentor der Mannschaft jeden Schwung. Die Stimmung im Stadion kippt. Gegner Schalke 04 ist das indes herzlich egal.

Der FC Schalke 04 hat in der Fußball-Bundesliga am Ende dieses Samstagnachmittags 19 Punkte gesammelt und glaubt an das Wunder, den Klassenerhalt. Auch der VfL Bochum steht am Ende dieses Samstagnachmittags bei 19 Zähler, dort aber kippte die Stimmung. Nach dem 2:0 (1:0) der Gelsenkirchener im kleinen Revierderby "anne Castroper" könnte die Lage bei den Stadtnachbarn kaum unterschiedlicher sein. "Natürlich können wir jetzt schmunzeln und lachen", sagte Schalke-Keeper Ralf Fährmann. Ausgerechnet in diesem brisanten Duell hatte die Mannschaft nach 38 verzweifelten Versuchen mal wieder auswärts in der Bundesliga gewonnen.

Schalke singt und lacht.

Schalke singt und lacht.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Weder schmunzeln noch lachen wollten die Bochumer. Trainer Thomas Letsch kündigte nach dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz an, dass nun "definitiv mal Zeit für die Peitsche ist". Die wird beim VfL laut knallen. Wähnte sich der Klub im Abstiegskampf zwischendurch auf einem guten Weg, so trampelt man derzeit auf dem falschen Pfad durch die Liga. Die letzten vier Spiele gingen verloren, jeweils ohne eigenes Tor. Und wieder mit hanebüchenen Fehlern. Dieses Mal durch Manuel Riemann, der sich das 0:1 auf kuriose Weise selbst in den Kasten boxte (45.). Innenverteidiger Erhan Masovic hätte ohne Eingreifen des Keepers klären können. Riemann kauerte wie ein Häufchen Elend auf dem Rasen, Trost gab es nach dem Spiel bezeichnenderweise nur von den Schalker Spielern. "Es ist ein massives Problem, dass wir nach einer überlegen geführten Halbzeit, in der wir lediglich unsere Chancen nicht nutzen, erneut nicht zumindest mit einem 0:0 in die Pause kommen", so Letsch.

Es sind die individuellen Aussetzer, die die Mannschaft immer näher an den Abgrund schubsen. "Wir sind heute nicht abgestiegen und haben vorher schon gesagt, dass es kein Endspiel ist", sagte der VfL-Coach. "Es wird alles hinterfragt und analysiert und dann brauchen wir die Leute, die die richtigen sind, um uns da rauszuholen."

"Das ist nicht zu akzeptieren"

Bei den Fans wächst derweil die Wut und das Vertrauen, dass es in der Mannschaft, die ihre Spiele mangels der großen individuellen Qualität fast immer über maximalen Einsatz gewann, ausreichend Kämpfer gibt (immerhin kehrt Kapitän und Chefmalocher "Toto" Losilla nach seiner Rotsperre am nächsten Spieltag zurück), um die Lore noch aus dem Schacht zu ziehen. Nach dem Schlusspfiff brach es wütend aus ihnen, die vor dem Spiel so voller Hoffnung, Adrenalin und Leidenschaft waren, heraus, was im Team der Bochumer nicht gut ankam. Mittelfeldspieler Philipp Förster etwa war fassungslos über die Wut und den Hass, der über die VfL-Profis teilweise hereinbrach. "Ich verstehe, dass die Fans unzufrieden sind. Es geht aber nicht, dass uns Stinkefinger gezeigt werden. Das ist nicht zu akzeptieren." Schon während des Spiels war die Atmosphäre im mit 26.000 Zuschauern ausverkauften Stadion immer hitziger und aggressiver geworden. "Wir wollen euch kämpfen sehen", hatten die Fans gesungen und nach dem Spiel gepfiffen. Die Spieler wurden beim Gang vor die Kurve zudem noch lautstark beschimpft.

Noch vor dem Anpfiff hatte sich die Wut auf jemand ganz anderen gerichtet, auf Trainer Thomas Reis. In Bochum war er im vergangenen Sommer zur Heldenfigur aufgestiegen. Er hatte die Mannschaft aus den Tiefen der 2. Liga zurück ins Oberhaus geführt und dort den Klassenerhalt auf furiose Weise geschafft. Mit spektakulären Siegen gegen den FC Bayern etwa oder auch bei Borussia Dortmund. Doch dann kamen der Fehlstart in die laufende Saison und Berichte darüber auf, dass er im Sommer bereits zum FC Schalke 04 wechseln wollte. Zwischen Reis und dem Klub kam es zu einem bitterbösen Zerwürfnis und Loyalitätsvorwürfen- und Zweifeln. Vor dem ersten Wiedersehen hatte sich alles auf den Trainer komprimiert, der versuchte das kleinzureden. Doch das misslang.

"Das war natürlich brutal wichtig"

Entsprechend wütend wurde er begrüßt, unter anderem mit einem beschämenden "Bastard"-Plakat. Reis mit Schalke-Logo auf dem Pullover an der Seitenlinie jubelte bei den Toren für sein Team nicht und wollte aus dem Hass von den Rängen später auch keine weitere Geschichte spinnen. "Kein Kommentar dazu, alles gut. Wir können über das Spiel sprechen. Wir haben drei Punkte eingefahren und das ist für mich heute das Wichtigste." Und wie wichtig das war: Erstmals seit Ende Oktober ist Schalke nicht mehr Schlusslicht, ist Schalke wieder voll drin im Kampf um den Klassenerhalt, den Stand jetzt, die beiden Revierrivalen, Hertha BSC, der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim unter sich ausmachen werden. "Das war natürlich brutal wichtig", sagte Keeper Fährmann, der wieder einmal die Null gehalten hatte: "Die positiven Sachen nehmen wir mit."

Schon wieder hat's hinter Riemann geklingelt.

Schon wieder hat's hinter Riemann geklingelt.

(Foto: IMAGO/MIS)

Zu den positiven Sachen gehören vor allem die Punkte, die Leistung dagegen eher weniger. In den ersten 45 Minuten bestimmten die Gastgeber das Geschehen, wenngleich auf einem mäßigen Niveau. Philipp Hofmann, Patrick Osterhage und Christopher Antwi-Adjei ließen drei gute Gelegenheiten liegen. Schalke hatte bis zur Pause keine und führte trotzdem. Nach einer Flanke von Rodrigo Zalazar unterlief Riemann zuerst die Hereingabe und bugsierte den Ball dann über die Linie. "Da war ich nicht mehr dran", gestand Marius Bülter, der am nächsten an der Szenerie stehende Schalker, der in der seltsam vor sich hindümpelten zweiten Halbzeit auch das 2:0 noch erzielte (79.). "Kurioses Ding, aber das Glück muss man sich auch mal erarbeiten und das haben wir aktuell."

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Wie lange das anhält? Gute Frage. Nächste Woche kommt Borussia Dortmund in die eigene Arena. Eine schwerere Aufgabe gibt es im deutschen Fußball derzeit nicht. Der Erzrivale rauscht derzeit wie von Sinnen durch die Liga, zaubert manchmal oder stemmt sich mit lange ungeahnter Gier gegen drohende Niederlagen wie am Freitag gegen RB Leipzig (2:1). "Das war heute der nächste Schritt, aber es sind noch einige zu gehen. Wir müssen weiterhin Punkte sammeln", bekannte Reis. "Wir haben ein Heimspiel und müssen jetzt erst einmal das Spiel heute verarbeiten. Zwei sogenannte Schicksalsspiele haben wir jetzt bravourös bestanden und sind wieder da. Jetzt schauen wir, dass wir lange dableiben." Der Glaube ist zurück, der Mut, die Freude - herausgelassen wurde sie beim Tanz mit den Fans vor dem Gästeblock.

Mehr Gegensätze zum VfL gehen nicht. "Es ist schwierig in Worte zu fassen, aber es geht mir komplett gegen den Strich, weil wir uns viel vorgenommen hatten und die drei Punkte hierbehalten wollten", schimpfte Keven Schlotterbeck. "Im Endeffekt stehen wir wieder mit null Punkten da. Scheißdrecks Gefühl." Alles soll nun auf den Prüfstand, ehe es am Freitag zum schweren Auswärtsspiel beim 1. FC Köln geht. Trainer Letsch sagt: "So wie wir uns in letzter Zeit präsentiert haben, haben wir unter dem Strich zu wenig rausgeholt und haben so unsere gute Ausgangsposition verspielt." Die Stimmungslage mit 19 Punkten könnte nicht unterschiedlicher sein.

Quelle: ntv.de

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