Lautes Ende der Pleiten-Saison Schalke-Fans wüten gegen den "Ausbeuter"
26.06.2020, 13:49 Uhr
Clemens Tönnies ist vielen Schalkern ein Dorn im Auge.
(Foto: imago images/Revierfoto)
Die desaströse Rückrunde des FC Schalke 04 in der Fußball-Bundesliga wird mit vielen wütenden Fans enden. Nicht vor Ort beim letzten Saisonspiel, sondern beim Protest in Gelsenkirchen. In Freiburg droht das Abrutschen auf Platz 15 - doch längst nicht nur darüber wettern die Anhänger.
Den Spaß an seiner Arbeit hat David Wagner längst verloren und auch die Fans wollen gar nicht mehr hinsehen. Der angekündigte Protest mit einer Menschenkette um die Arena von Schalke 04 - zeitgleich mit dem letzten Saisonspiel 500 Kilometer entfernt in Freiburg - sagt alles: Um die sportliche Horrorserie und den dramatischen Absturz in der Rückrunde allein geht es beim Traditionsverein nicht mehr, die Wut der Anhänger richtet sich vor allem gegen die Klubführung um Clemens Tönnies.
"Er führt Schalke wie seinen Schlachthof", sagte Katharina Strohmeyer, die die Fan-Demo am Samstag pünktlich zum Spielbeginn um 15.30 Uhr mitorganisiert, dem WDR. Aufsichtsratschef Tönnies ist seit dem massiven Corona-Ausbruch in seinem Fleischimperium ins Zentrum der Kritik gerückt, immer lauter wird sein Rücktritt gefordert. Transparente auf dem Vereinsgelände waren schon in den vergangenen Tagen unmissverständlich: "Kein Kumpel, kein Malocher - Tönnies raus" oder "Keine Ausbeuter bei S04".
Trainer Wagner findet es "absolut in Ordnung, seinen Unmut, seinen Frust kundzutun". Dass dies ausgerechnet zeitgleich mit dem letzten Spiel beim SC Freiburg passiere, sei "natürlich ein Zeichen". Ob sein abgestürztes Team am Samstag zum 16. Mal in Folge nicht gewinnt und möglicherweise noch auf den 15. Tabellenrang, die schlechteste Platzierung seit dem dritten Bundesliga-Abstieg 1988, abrutscht, interessiert die Fans nur noch am Rande.
Wagner hat "ein gutes Gefühl"
Auch Wagner selbst, der in der Hinrunde seine Mannschaft mit attraktivem Fußball in die Spitzengruppe führte, gab zu: "Der Spaß ist in den letzten Wochen und Monaten sicherlich weniger da als zuvor." Seit dem 17. Januar hat Schalke kein Bundesligaspiel mehr gewonnen, ist von Platz fünf auf elf abgestürzt und verpasst zum dritten Mal in vier Jahren den Europapokal.
Dennoch darf Wagner aller Voraussicht nach in seine zweite Saison als königsblauer Chefcoach gehen. Sportvorstand Jochen Schneider, der ihn vor einem Jahr verpflichtete, steht weiter zu seinem Wunschtrainer. Er hatte "nie das Gefühl", dass er seinen Job verlieren würde, sagte Wagner, der zwischenzeitlich zehn verletzte Spieler ersetzen musste. Die mehrmals erneuerte Jobgarantie von Schneider gebe ihm "ein gutes Gefühl".
Auch wenn der Trainer, der in der desaströsen Rückrunde zunehmend ratlos wirkte, bei den Fans durchaus umstritten ist - der Protest richtet sich vor allem gegen Tönnies und Co: Nach dem Ärger um den Härtefallantrag für Ticketerstattungen in der Corona-Krise und die Kündigung langjähriger Fahrer der Nachwuchsabteilung "Knappenschmiede" sehen die Ultras einen "Ausverkauf der Schalker Werte" und "blanken Dilettantismus" in der Klubspitze. "Die einzigen Härtefälle sitzen in der Führungsetage unseres Vereins", war vor der Geschäftsstelle zu lesen.
Damit durften sich neben Tönnies auch die Vorstände Schneider und Alexander Jobst angesprochen fühlen. Nach dem überraschenden Abschied des Finanzchefs Peter Peters nach 27 Jahren befürchten viele Fans die Ausgliederung der Profiabteilung und den Einstieg von Investoren. Tönnies hatte diesen Weg angesichts von knapp 200 Millionen Euro Schulden und fehlenden Europacup-Einnahmen schon kurz nach der Corona-Pause angedeutet.
Immer mehr Widerstand
Nach mehreren Fanorganisationen forderte auch das ehemalige Ehrenratsmitglied Kornelia Toporzysek den Rücktritt des Fleischfabrikanten. "Er ist für Schalke 04 nur noch eine Belastung. Er schadet dem Ansehen massiv", sagte die Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf im Interview mit 11 Freunde: "Ich kaufe ihm ab, dass er nur das Beste für den Verein will. Das Beste wäre aber eben aktuell, wenn er sich zurückziehen würde, um den Verein aus der Schusslinie zu nehmen."
Toporzysek war aus dem Schalker Ehrenrat aus Protest zurückgetreten, nachdem Tönnies wegen rassistischer Äußerungen im vergangenen Jahr nur drei Monate sein Amt niederlegte. Schalke habe sich damals "den Interessen seines Aufsichtsratsvorsitzenden" gebeugt, sagte sie. "Er wollte um jeden Preis verhindern, als Rassist gebranntmarkt zu werden." Die Suspendierung für drei Monate habe er selbst vorgeschlagen. Sie habe sich im Ehrenrat, in den sie erst kurz zuvor gewählt worden war, "isoliert" gefühlt. Nach dem massiven Corona-Ausbruch in seinem Schlachtbetrieb und der Kritik an den prekären Arbeits- und Lebensbedingungen zahlreicher Mitarbeiter aus Osteuropa sei Tönnies jetzt erst recht nicht mehr tragbar für Schalke.
Quelle: ntv.de, Thomas Lipinski, sid