Höfliche Türken, grellgrüngelber Götze Süper! Löw und seine Panzerchen
08.10.2011, 07:18 Uhr
(Foto: dpa)
Manuel Neuer glänzt gegen die Türkei in der Offensive, Lukas Podolski hat einen gebrauchten Abend, Sami Khedira lässt Worten kaum Taten folgen und Marko Reus spielt in Istanbul erstmals tatsächlich mit. Die deutschen Fußballspieler in der Einzelkritik.
Die Türken werden ihrem Ruf gerecht und erweisen sich in Istanbul als gute Gastgeber. Die Zuschauer machen im neuen Galatasaray-Stadions einen Höllenlärm, die Fußballer auf dem Rasen stemmen sich wenig dagegen, dass die deutsche Mannschaft mit 3:1 gewinnt und ihren neunten Sieg im neunten Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft im nächsten Sommer feiert.
Und im Stadionheft weisen die Veranstalter höflich auf die Erfolge der DFB-Elf hin, von wegen dreimal Weltmeister und zweimal Europameister. Dass sie das unter der Überschrift "Kupa zengini Panzerler" tun - geschenkt. Erstens hört sich für deutsche Ohren "Panzerler" viel niedlicher an als Panzer. Und "Kupa zengini", reich an Pokalen, klingt auch süper. Joachim Löws Panzerchen in der Einzelkritik.
Manuel Neuer: Der beim FC Bayern weitgehend beschäftigungslose Torhüter hatte gleich am Anfang seinen ersten großen Auftritt, als er einen Schuss des Ex-Bayern Hamit Altintop mit einem prima Reflex parierte. Glänzte ansonsten, weil weitgehend beschäftigungslos, als Offensivspieler, was Bundestrainer Joachim Löw hinterher extra lobend erwähnte. 35 Minute: Abwurf auf seinen Münchner Vereinskollegen Thomas Müller, der flankt zum Münchner Vereinskollegen Mario Gomez, 1:0 für Deutschland. Das zweite deutsche Tor bereitete Manuel Neuer mit einem Befreiungsschlag auf Mario Götze vor, auch wenn der Bundestrainer in diesem Fall vermutet, dass da doch etwas Glück im Spiel gewesen sei.
Jerome Boateng: Fußball-Deutschland ist der Antwort auf die Frage, wer künftig dauerhaft bei der deutschen Mannschaft auf der rechten Seite verteidigt, ein Stück näher gekommen. Der Münchner Vereinskollege von Manuel Neuer, Thomas Müller und Mario Gomez machte seine Sache richtig gut, war enorm zweikampfstark, schnell und nervte seinem Gegenspieler Arda Turan so sehr, dass der Türke schnell die Seite wechselte. Die Zahl der Experten, die nach wie vor die Lösung favorisieren, dass Kapitän Philipp Lahm sich klonen lässt und dann beide Außenpositionen besetzt, nimmt ab. Auch wenn Jerome Boateng ja eigentlich Innenverteidiger ist. Nach 74 Minuten nach einem Schlag aufs Knie, wie der Bundestrainer berichtete, für den Schalker Benedikt Höwedes ausgewechselt.
Per Mertesacker: Der Neu-Londoner lieferte in der nicht sehr häufig und selten sehr heftig unter Druck gesetzten Innenverteidigung eine solide Partie und darf sich, weil er mit seinen 27 Jahre alt fünf älter ist als sein Nebenmann Holger Badstuber, mit dem Titel Abwehrchef schmücken. Noch hält ihm der Bundestrainer die Treue, auch wegen seiner Verdienste bei großen Turnieren. Und weil er meist zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Doch da gibt es ja noch Mats Hummels. Der Dortmunder saß in Istanbul 90 Minuten auf der Bank, lauert aber auf seine Chance. Und die wird er bestimmt bekommen.
Holger Badstuber: Der Münchner Vereinskollege von Manuel Neuer, Thomas Müller, Mario Gomez und Jerome Boateng lieferte in der Innenverteidigung eine gute Partie, enorm ballsicher, gewann fast jeden Zweikampf und war in der Spieleröffnung wesentlich besser als der Abwehrchef, oft mit diagonalen Pässen auf seinen Spezi Thomas Müller. Wenn Mats Hummels also lauert, dann besser auf den Platz von Per Mertesacker. Und weil Mats Hummels ein knappes Vierteljahr älter ist als Holger Badstuber, wäre er dann gleich auch der neue Abwehrchef.
Philipp Lahm: Der Münchner Vereinskollege von Manuel Neuer, Thomas Müller, Mario Gomez, Jerome Boateng und Holger Badstuber hatte anfangs auf der linken Abwehrseite einige Probleme mit seinem Münchner Ex-Kollegen Hamit Altintop, der nun für Real Madrid spielt. Später liebe Mühe mit Arda Turan und Gökhan Töre. War auch deswegen nicht so stark in der Offensive, wie er es sein kann. Kann aber auch daran gelegen haben, dass vor ihm Lukas Podolksi auch nicht seinen besten Abend hatte.
Sami Khedira: Nachdem er zuletzt drei Spiele, weil verletzt, aussetzen musste, war ihm von Beginn an anzumerken, dass er sich für dieses Spiel etwas vorgenommen hatte. Nur was? Wirkte auf der Sechserposition im defensiven Mittelfeld übermotiviert, bisweilen arg hektisch, auch wenn er sehr fleißig war. So, als wolle er allen zeigen, dass noch mit ihm zu rechnen ist. Denn als er nicht dabei war, füllte der diesmal krank zu Hause gebliebene Toni Kroos, übrigens Spieler des FC Bayern, die Lücke bemerkenswert gut aus. Über angebliche respektlose Kritik an ihm hatte Sami Khedira sich vor der Partie ungewohnt laut aufgeregt. Und ließ eine eher leise Leistung folgen. Prompt deutete der Bundestrainer an, dass am Dienstag im letzten Gruppenspiel gegen Belgien Toni Kroos wieder auflaufen könnte.
Bastian Schweinsteiger: Der Münchner Vereinskollege von Manuel Neuer, Thomas Müller, Mario Gomez, Jerome Boateng, Holger Badstuber und Philipp Lahm war als bessere Hälfte der Doppelsechs der Chef auf dem Platz, lenkte das Spiel, war dort, wo es was zu tun gab, wenn auch in der Offensive nicht ganz so präsent. War aber auch in seinem 90. Länderspiel nicht seine vornehmliche Aufgabe. Verwandelte seinen fünften von fünf Elfmetern im DFB-Trikot. Und: Jetzt haben wir sie alle beisammen: Sieben bayrische Panzerchen standen am Freitagabend auf dem Platz.
Thomas Müller: Einer der Spieler, der in jüngster Zeit stets zu den Besten gehört. War, wie der Bundestrainer hinterher extra noch einmal erwähnte, im rechten, offensiven Mittelfeld an allen Toren beteiligt. "Auch am Gegentor." Da ließ er seinen Gegenspieler Hakan Balta einfach laufen, holte aber danach den Elfmeter zum 3:1-Endstand raus. Das 1:0 bereitete er vor, das 2:0 schoss er selbst. Einer der Besten halt.
Mario Götze: Spielte für den verletzten Mesut Özil auf der zentralen Position im Mittelfeld und zeigte, dass er technisch mindestens ebenso viel drauf hat. Elegant wie ein Tänzer. Nur klappt, bis auf die feine Vorarbeit zum 2:0 durch Thomas Müller, nicht alles. Noch nicht. So lange sollte er keine grellgrüngelben Fußballschuhe tragen. Und dann auch nicht. Für ihn durfte die letzten vier Minuten tatsächlich der Mönchengladbacher Marko Reus sein Debüt geben. Er war wirklich dabei, wir haben es selbst gesehen!
Lukas Podolski: Der Kölner und Auch-mal-Münchner musste nach einer guten Stunde dem Leverkusener André Schürrle auf der rechten Mittelfeldposition weichen. Warum? Weil es nicht sein Abend war, auch wenn er sich sehr emsig bemühte. Rannte zu oft mit dem Ball an der Außenlinie entlang und verlor ihn dann. Ein gebrauchter Abend.
Mario Gomez: Machte aus der ersten Chance der deutschen Mannschaft gleich das erste Tor. Mehr kann man von einem Stürmer nicht erwarten, zumal er vor seinem Treffer, seinem 20. im Trikot der Nationalelf, tatsächlich seinen Gegenspieler Servet Cetin austanzte. Besser hätte das Miroslav Klose, der verletzt auf der Tribüne saß und, ganz nebenbei, ein Münchner Ex-Kollege ist, auch nicht gemacht. Und noch etwas für die Freunde der gepflegten Statistik: In seinen jüngsten sechs Länderspielen schoss Mario Gomez jeweils ein Tor.
Quelle: ntv.de