"In aller Form entschuldigen"Ulmer Kapitäne erklären sich nach Doppel-Entlassung

Beim SSV Ulm 1846 brennt es nicht nur sportlich, es droht der Absturz in die Regionalliga. Nach einem Brandbrief der Kapitäne werden Trainer und Sportdirektor entlassen. Die Verfasser des Briefes versuchen jetzt, für etwas Ruhe zu sorgen.
Es waren eindrückliche Worte, die Johannes Reichert und Christian Ortag gewählt hatten, um die Situation beim SSV Ulm 1846 zusammenzufassen. Beim Zweitliga-Absteiger, der in der dritten Liga nach fünf Niederlagen in Folge auf einen Abstiegsplatz durchgereicht wurde, sei das "Verhältnis zwischen Mannschaft, Trainer und vor allem dem Sportdirektor" inzwischen "komplett zerrüttet". Über die Situation innerhalb des Teams schrieben die Kapitäne, sie sei "mittlerweile unerträglich geworden". Gerichtet waren diese an den Aufsichtsrat und verbunden mit der Aufforderung, bitte zu handeln. Ein Neustart müsse her.
Am Montagabend verkündete der Klub, sich von Trainer Moritz Glasbrenner sowie Sportdirektor und Vorstandsmitglied Markus Thiele zu trennen. Laut offizieller Kommunikation nicht infolge des Brandbriefs der beiden Mannschaftskapitäne, sondern als Konsequenz "zahlreicher Gespräche in den vergangenen Tagen und Wochen". Zu den öffentlich gewordenen Aussagen von Reichert und Ortag wurde Bedauern dahingehend ausgedrückt, dass "vertrauliche Informationen nach außen gelangt sind und so zusätzliche Unruhe entstanden ist".
Das Schreiben zeigte also Wirkung, auch wenn die Personalentscheidungen nicht darin begründet sind. Und auch Reichert und Ortag sahen sich dazu veranlasst, öffentlich dazu Stellung zu beziehen. "Liebe SSV-Fans, liebe Ulmer", leiten Reichert und Ortag ihren Instagram-Post ein, den sie wortgleich auf ihren jeweiligen Accounts gepostet haben. Es gehe ihnen darum, "einige wichtige Punkte klarzustellen". Der Brandbrief sei eine Reaktion auf ein internes Gespräch in der Mannschaft am Sonntag gewesen, also am Tag nach der 0:5-Heimniederlage gegen Hansa Rostock. "In erster Linie haben wir sehr selbstkritisch unsere Leistungen auf dem Platz hinterfragt", so Reichert, und Einigkeit auf und neben dem Platz beschworen.
Was bemerkenswert ist mit Blick auf das, was darauf folgte: Denn danach "haben Chris [Ortag, Anm. d. Red.] und uns dazu entschieden, einen Brief an den Aufsichtsrat zu schreiben. Mit der Mannschaft war dies nicht abgestimmt." Sie hätten sich "als langjährige Kapitäne" in der Pflicht gesehen, "Verantwortung zu übernehmen". Keiner der Mitspieler habe davon etwas gewusst - zumal die "vertraulichen Zeilen [...] ausschließlich an den Aufsichtsrat gerichtet und in keinster Weise für die Öffentlichkeit bestimmt" gewesen seien. Dass sie trotzdem nach außen gedrungen sind, "beschäftigt uns sehr".
Denn, so Reichert weiter, seien dadurch Formulierungen öffentlich geworden, die "absolut falsch gewählt" gewesen seien. Gemeint sind "Aussagen wie 'vergiftete Atmosphäre' und 'unerträgliche Situation'". Dies habe den Eindruck einer Spielerrevolte erweckt, die es jedoch keineswegs gegeben habe. "Und zu keinem Zeitpunkt wollten wir als Mannschaft bestimmte Personen diskreditieren." Bei den entlassenen Glasbrenner und Thiele möchten sich Reichert und Ortag deshalb "in aller Form entschuldigen". Ob das reicht, um nach dem großen Knall wieder für Ruhe zu sorgen, bleibt abzuwarten.
Das nächste Spiel im Kampf gegen den Abstieg steht erst in neun Tagen an, am 22. November. Das Training übernimmt derzeit vorerst Oliver Unsöld, der bisherige Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Eine Niederlage beim sieglosen Tabellenletzten TSV Havelse könnte jedoch alles auch noch schlimmer machen.