Paukenschlag mit Konfliktpotenzial Van Gaal will Kraft durchsetzen
07.01.2011, 10:39 UhrBayern-Trainer Louis van Gaal versteht sich als Förderer der Jugend. Da scheint es nur konsequent, dass er auf den 22-jährigen Thomas Kraft als Stammkeeper setzen will. Überraschend ist, dass die Zukunft sofort beginnen soll und der Coach bewusst eigenmächtig entschieden hat.

Bayern-Coach Louis van Gaal will die Rückrunde mit Thomas Kraft im Tor bestreiten. WM-Fahrer Jörg Butt wird Edelreservist.
(Foto: dpa)
Wachablösung im Tor von Rekordmeister FC Bayern: Trainer Louis van Gaal setzt in der Bundesliga-Rückrunde offenbar nicht mehr auf den bisherigen Stammtorhüter Jörg Butt und schenkt stattdessen dem jungen Thomas Kraft sein Vertrauen. Der 22-Jährige soll mehreren Medien zufolge bereits zum Start der zweiten Halbserie am 15. Januar beim VfL Wolfsburg im Tor stehen.
Offiziell bestätigen wollte van Gaal den spektakulären Torwartwechsel zur Bundesliga-Rückrunde noch nicht. "Das werden wir abwarten, weil ich das jetzt noch nicht sagen werde", sagte der Niederländer im Trainingslager in Doha, fügte aber an: "Er hat ein großes Talent, deswegen müssen wir ihn auch ein bisschen ausbilden, dass er unter Druck spielen kann." Weitere Nachfragen lehnte er verärgert ab. Allerdings: Über Abwehrtalent David Alaba hatte sich van Gaal zuletzt ähnlich geäußert. Der Österreicher wurde aber, um Spielpraxis zu bekommen, an 1899 Hoffenheim ausgeliehen.
Beim Trainingsspiel stand Kraft bereits im Tor des A-Teams. "Das ist sicherlich ein Zeichen", sagte Torjäger Mario Gomez, auch wenn der Trainer mit dem Team noch nicht über die Torhüter gesprochen habe: "Ich glaube nicht, dass es schon definitiv ist", meinte Gomez und fügte hinzu: "Wir haben Vertrauen in beide Torhüter." An diesem Samstag im Testspiel gegen den katarischen Erstligisten Al-Wakrah sollen beide Torhüter zum Einsatz kommen, kündigte van Gaal an.
Eine Verpflichtung von Nationaltorhüter Manuel Neuer wäre aber auch bei der zu erwartenden Beförderung von Kraft nicht vom Tisch. Der Keeper von Schalke 04 steht nach wie vor auf der Wunschliste der Münchner Vereinsführung, wenngleich sich van Gaal schon mehrfach für Kraft ausgesprochen hat. Der Vertrag des 22-jährigen Talents läuft ebenso am Saisonende aus wie der von Routinier Butt (36).
Die Fans wollen Kraft
Kraft, der seit 2004 im Verein ist und bisher zwei Pflichtspiele in der Champions League absolviert hat, hatte für den Fall einer Verpflichtung von Neuer bereits seinen Abschied aus München angekündigt. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung wollte van Gaal ihm schon in der Hinrunde das Vertrauen schenken, ehe er sich von der Vereinsführung von seinen Plänen abbringen ließ. Nun sei der Niederländer entschlossen, sich durchzusetzen. Deshalb habe er auch zunächst die beiden Torhüter über seine Entscheidung informiert und erst dann die Vereinsspitze, was einen neuerlichen Führungsstreit beim Rekordmeister provozieren könnte.
Denn mit seiner Entscheidung würde van Gaal eigenmächtig Fakten im Poker um einen neuen Torhüter schaffen. Wenn sich der auch von den Bayern-Fans als neue Nr. 1 favorisierte Kraft bewährt, wäre eine millionenteure Verpflichtung von Neuer dem eigenen Anhang noch schwerer zu vermitteln. Zudem hat sich der Niederländer schon mehrmals Einmischungen in seine Aufstellung verboten, die eine Verpflichtung Neuers gegen seinen Willen aber zweifelsohne wäre.
Degradierung ohne Anlass
Dem in der Hinrunde schon mehrmals arg strapaziertem Betriebsklima wird van Gaals mutmaßlicher Alleingang sicher nicht gut tun. Zur Verwunderung der Bosse über das Vorgehen ihres Trainers dürfte sich auch Verärgerung gesellen, schließlich geschieht der Wechsel ohne Not. Der 36-jährige Butt war in der Bundesliga-Hinrunde ein sicherer Rückhalt für die oft unsichere Abwehr. Er hielt grundsolide, wenn auch nicht überragend. Als er von seiner Degradierung erfuhr, soll er aus allen Wolken gefallen sein, zumal er sich als Edelreservist nicht mehr für einen neuen Verein empfehlen kann. Sportdirektor Christian Nerlinger, bisher der engste Vertraute des Trainers, soll sich schockiert über den Alleingang gezeigt haben.
Nicht zuletzt birgt der Wechsel im Bayern-Tor erhebliche Risiken für Verein und Trainer. Ist der zweifellos hochveranlagte, aber unerfahrene Kraft der Herausforderung und dem Druck als Nr. 1 nicht gewachsen, sind die großen Ziele der Bayern in Gefahr - und damit letztlich auch van Gaals Job. Dass der Niederländer in der Rückrunde auf die beiden 21-jährigen Innenverteidiger Breno und Holger Badstuber setzen will, macht die Sache nicht einfacher.
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa