Fußball

Bremens hausgemachtes Abwehrproblem Viele Schnäppchen, keine Stars

Schnäppchen Mikael Silvestre war der bisher letzte Versuch der Bremer, die Viererkette auf der linken Seite zu stärken.

Schnäppchen Mikael Silvestre war der bisher letzte Versuch der Bremer, die Viererkette auf der linken Seite zu stärken.

(Foto: picture alliance / dpa)

Werder Bremen droht zum ersten Mal seit 2004 den Sprung ins internationale Geschäft zu verpassen. Schuld daran ist auch die wackelige Defensive. Doch Geld für Neueinkäufe will Sportdirektor Klaus Allofs nicht in die Hand nehmen. Dabei könnte er es sich leisten und bei Coach Thomas Schaaf einige Sorgenfalten glätten.

Den Rückrundenauftakt haben die Bremer gerade noch gerettet. In der Nachspielzeit hämmerte Torsten Frings einen Freistoß ins Hoffenheimer Tor und verschaffte seinem Klub mit dem 2:1 ein Polster auf die Abstiegsplätze. So kann sich Sportdirektor Klaus Allofs fürs Erste wieder einmal bestätigt sehen in seinem Credo "Ruhe bewahren". In Bremen reagiert man auf eine sportliche Talfahrt nicht mit Schnellschüssen.

Zwischen Thomas Schaaf und Klaus Allofs passt kein Blatt Papier. Eine Seltenheit in der Bundesliga.

Zwischen Thomas Schaaf und Klaus Allofs passt kein Blatt Papier. Eine Seltenheit in der Bundesliga.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das ist in Bezug auf den Trainer sicher mehr als angebracht. Sechs Mal führte Thomas Schaaf sein Team in den vergangenen sieben Spielzeiten in die Champions League, vereinsintern ist er unumstritten. Allofs spart nicht mit Lob für Schaaf. Dafür spart er gern beim Kader, denn das Credo "Ruhe bewahren" gibt er auch beim Thema Spieler aus. Der schwedische Stürmer Danny Avdic kam in der Winterpause nur, weil Hugo Almeida ging. Konkurrenz für die Spieler, die in Bremen bisher unter den Erwartungen blieben, ist nicht in Sicht.

"Wir müssen uns von der Schnelllebigkeit lösen und einen anderen Weg gehen, indem wir ruhig bleiben und an unsere eigene Stärke glauben", ließ Allofs gegenüber dem Online-Portal Spox verlauten. Solche Worte hört man bei vielen Vereinen – doch nur bei Werder scheinen sie verbindlich. Zumindest halbwegs.

Qualität hat ihren Preis

Halbwegs deshalb, weil sich selbst in Bremen seit Jahren immer wieder neue Spieler als Linksverteidiger versuchen dürfen, meist mit wenig Erfolg und noch weniger Einsätzen. Der jüngste Neuzugang Mikael Silvestre  benötigte neun desaströse Spiele, um gegen Frankfurt und Hoffenheim endlich einmal Können und Erfahrung aufblitzen zu lassen. Das heißt aber noch nicht, dass er sich endgültig gefangen hat. Falls doch, wäre Werder sein Problem auf links los, das den Verein seit 2004 plagt.

Überraschend ist die chronische Bremer Glücklosigkeit auf der linken Abwehrseite nicht unbedingt. Zum Einen, weil gute Linksverteidiger generell ein knappes Gut sind. Das merkt auch der FC Bayern München, der seit längerem vergeblich einen bezahlbaren Ersatz für Umschuler Philipp Lahm sucht. Andererseits haben hochwertige Spieler meistens ihren Preis, was Werder allerdings seit Jahren erfolglos zu widerlegen versucht. Dass eine geringe Ablösesumme nicht zwangsläufig für einen Mangel an Qualität stehen muss, haben sie an der Weser auch mit Abwehrspielern hinlänglich bewiesen. Valérien Ismael und Mladen Krstajic kamen als Schnäppchen und wurden zu Stars. Nur: Das klappt nicht immer. Auf links klappte es gar nicht.

Werders Fehlversuche auf links

SaisonSpielerAblöse in EuroLigaspieleverabschiedet
2004/05Gustavo Nery    500.000           3        2005
2005/06Jelle van Damme 325.000 (Leihe)           8        2006
2006/07Pierre Womé    ablösefrei         28        2008
2007/08Sebastian Boenisch  3.500.000         51    noch nicht
2007/08Dusko Tosic  1.800.000         22        2009
2009/10Aymen Abdennour    200.000           6        2010
2010/11Mikael Silvestre    ablösefrei         11    noch nicht

Den damals 21-jährigen van Damme holte der Champions-League-Teilnehmer für kleines Geld vom englischen Zweitligisten FC Southampton. Der ablösefreie Womé durchlief zwar Europas Top-Ligen, konnte sich jedoch nirgendwo wirklich durchsetzen. Abdennours Erfahrung war auf die erste tunesische Liga begrenzt, wo er jetzt auch wieder spielt. Und Silvestre kam nur deshalb nach Bremen, weil er bei Arsenal London keinen neuen Vertrag bekam. Geduld hat Werder nur beim vergleichsweise teuren U21-Europameister und langzeitverletzten Sebastian Boenisch gezeigt. Bei allen anderen wirkt es, als habe man bei minimalem finanziellen Risiko auf einen kometenhaften Aufstieg gehofft und die Geduld einfach an der Höhe der Ablöse orientiert.

Problemzone Abwehr

Der 26-jährige Behrang Safari wäre einer, der in das Bremer Anforderungsprofil passt.

Der 26-jährige Behrang Safari wäre einer, der in das Bremer Anforderungsprofil passt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Aktuell wird der schwedische Nationalspieler Behrang Safari mit Werder in Verbindung gebracht. Der ist jung, wechselwillig und hat beim FC Basel sogar schon seine Champions-League-Tauglichkeit nachgewiesen. Allerdings scheint sich Klaus Allofs an der Ablösesumme von 2,5 Millionen Euro zu stoßen - und bringt vielleicht auch deshalb immer öfter den Kampf gegen die Schnelllebigkeit ins Spiel.

Ähnlich zögerlich ist der Verein auf der Innenverteidiger-Position. Dort ist Werder mit Per Mertesacker und Naldo erstklassig besetzt. Da der Brasilianer aber für die komplette Saison auszufallen droht, muss neben dem schwankenden Mertesacker der einzige Ersatz-Innenverteidiger Sebastian Prödl ran. Von dem jungen Österreicher forderte Trainer Schaaf vor der Saison, er müsse endlich "eine Marke setzen". Nach der Hinrunde standen für Werder 35 Gegentore zu Buche. Wenn die Werder-Abwehr wackelte, wackelte Prödl mit.

Im nächsten Spiel gegen Köln ist der Naldo-Ersatz gesperrt, dann muss ein nomineller Außenverteidiger in die Zentrale rücken. Trotz dieser offensichtlich dünnen Personaldecke im Abwehrzentrum sieht es derzeit nicht so aus, als ob Werder Geld für einen neuen Innenverteidiger ausgeben möchte. Zwar soll Interesse am Briten Curtis Davies von Aston Villa bestanden haben. Die kolportierte Ablöse von rund drei Millionen Euro schreckte Allofs aber anscheinend ab. Davies ist ihm schlicht zu teuer.

Das Geld wäre da

Es ist keineswegs unsympathisch, wenn ein Verein nicht mit beiden Händen Millionen ausgibt. Allerdings verlangt das auch niemand von Klaus Allofs. 2,5 Millionen Euro sind dieser Tage längst kein Großbetrag mehr. Und leisten könnten sich die Bremer einen Mann wie Safari oder einen weiteren Innenverteidiger allemal. Allein die Gruppenphase der Champions League, in der sie in den vergangenen sieben Jahren Stammgast waren, brachte den Werderanern diesmal fast neun Millionen Euro. Im Vorjahr verdienten sie laut "Syker Kreiszeitung" durch Gruppenplatz drei sogar sogar 22 Millionen Euro. Hinzu kommt ein Transferplus von 24,5 Millionen Euro in den letzten beiden Spielzeiten.

Für Igo de Camargo überwies Mönchengladbach vor der Saison vier Millionen Euro an Standard Lüttich.

Für Igo de Camargo überwies Mönchengladbach vor der Saison vier Millionen Euro an Standard Lüttich.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotzdem geben Abstiegskandidaten wie der 1. FC Kaiserslautern oder Borussia Mönchengladbach, an deren letzte internationale Auftritte sich nur die Wenigsten wirklich erinnern können, weitaus mehr Geld aus, als sie eingenommen haben. In dieser Spielzeit verbuchten beide Klubs jeweils ein Minus von über vier Millionen Euro, in der Saison 2008/2009 waren es bei Gladbach sogar fast elf Millionen Euro.

Und auch die Borussia aus Dortmund, die in der Saison 2004/2005 am Rande des Ruins stand, investiert inzwischen wieder. Dass sich der Verein auf dem Weg der finanziellen Gesundung befindet, hängt zwar nicht mit eisernem Sparen bei Einkäufen zusammen. Die verschwenderischen Tage in dieser Ruhrmetropole sind trotzdem vorbei, weil die Verantwortlichen ein äußerst glückliches Händchen beweisen. Kevin Großkreutz, Shinji Kagawa, Sven Bender – Dortmund ist im Moment das bessere Bremen.

Verhaftet in der Vergangenheit?

Vor gar nicht allzu langer Zeit hatten Allofs und Schaaf noch oft den besten Riecher bewiesen. Krstajic, Ismael oder auch Meister-Regisseur Johan Micoud kamen für wenig Geld und lieferten Glanzleistungen ab. Teurere Spieler wie Diego oder Mesut Özil verkaufte man für ein Vielfaches. Sie waren keine Nottransfers, sondern Teil eines Konzepts. Bremen ist, was die Bayern nicht sein wollen: Ein Verkäuferverein. Vielleicht erklären auch diese Erfahrungen Allofs übermäßige Zurückhaltung auf dem Transfermarkt. Jedes Konzept wird aber mal durchkreuzt, nicht jeder Spieler hält, was er verspricht. Das beweist die bislang vergebliche weil inkonsequente Suche nach einem geeigneten linken Verteidiger.

Eines ist klar: Ein Klub, der zu viel Geld für zu wenig Qualität ausgibt, versinkt leicht im Mittelmaß. Eine ähnliche Entwicklung kann ein Klub jedoch auch nehmen, wenn er trotz Bedarfs an neuem Personal und vorhandener Mittel nicht nachbessert und dadurch wie Werder das internationale Geschäft verpasst. Natürlich hätte dieser Klub dann für die folgenden Jahre ohne Europacup-Einnahmen einiges auf der hohen Kante. Nur: Qualitätsspieler lockt er mit einem dicken Sparbuch nicht an, wenn er nicht gleichzeitig international spielt. Und leichter macht er die Arbeit für seinen Trainer auch nicht. Selbst wenn der Thomas Schaaf heißt.

Quelle: ntv.de

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