Fußball

Wie Hoeneß den Bayern schadet Vom Macher zum Problemfall

Der Uli sei kein Betrüger, hatte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer gesagt, "da ist ihm irgendein Fehler unterlaufen, das kann sein".

Der Uli sei kein Betrüger, hatte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer gesagt, "da ist ihm irgendein Fehler unterlaufen, das kann sein".

(Foto: REUTERS)

Uli Hoeneß hat die Münchner ganz nach oben gebracht. Mit seinem Steuerskandal aber schadet er dem Wirtschaftsunternehmen FC Bayern mehr als dass er ihm nützt. Auch gemessen an seinen eigenen Ansprüchen muss er zurücktreten. Erhalten bleiben wird Uli Hoeneß dem Verein auch ohne Amt, dafür ist die Beziehung zu symbiotisch.

Die Luft, so sagen die Exegeten, wird dünner für Uli Hoeneß. Auch abseits der Frage, wie die Juristen seine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung bewerten. Die Aufsichtsräte der FC Bayern München AG bereiten seine Demission vor, heißt es. Es geht um seine berufliche Zukunft. Und die ist bei Uli Hoeneß gleichbedeutend mit seinem Lebenswerk. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat es so formuliert: "Der FC Bayern ist die leibhaftig gewordene Idee von Hoeneß." Und der FC Bayern ist der wichtigste Fußballverein im Land.

Wie Hoeneß abberufen werden kann

Der Aufsichtsrat der FC Bayern AG könnte die gerichtliche Abberufung von Chefaufseher Uli Hoeneß beantragen. Dazu müsste aber ein so genannter "wichtiger Grund" vorliegen – und dafür sind die Hürden sehr hoch. Hoeneß müsste sich dazu etwa in einem nicht überwindbaren Widerstreit mit den Interessen der AG befinden oder ein krasses gesellschaftswidriges Verhalten an den Tag legen und seine Tätigkeit für die AG unzumutbar sein. Kurz gesagt: Das fällt wohl aus.

Einfacher wäre eine außerordentliche Hauptversammlung mit einem eigenen Tagesordnungspunkt "Abberufung". Mindestens 75 Prozent der anwesenden Stimmrechte müssten sich hier für die Abberufung aussprechen. Da dem Verein rund 82 Prozent der AG gehört, wäre eine Abberufung sicher – sofern der Vorstand aus Karl-Heinz Rummenigge, Jan-Christian Dreesen, Matthias Sammer und Andreas Jung seinen eigenen Präsidenten an der Spitze des Aufsichtsrats der AG absägen möchte.

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Allein daraus ergibt sich, dass es sich bei seiner Steueraffäre nicht um eine reine "Privatangelegenheit des Präsidenten" handelt, wie es Trainer Jupp Heynckes sagte. Bei keinem anderen Verein ist eine Person so sehr mit einem Verein verbunden, die Klammer für alles, wie es scheint. Dennoch stellt sich die Frage, ob es den FC Bayern wirklich so sehr treffen würde, wenn ihr Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender gehen müsste. Die Antwort ist: Nein. Weil ein schneller Rücktritt von seinen Ämtern dem Verein weit weniger schaden würde als eine monatelang währende Affäre. Der Fall Uli Hoeneß wird von Tag zu Tag unübersichtlicher, Details kommen ans Licht, einige bleiben unkommentiert, andere werden umgehend dementiert. Einiges spricht dafür, dass das, was bekannt ist, nur die Spitze eines Eisberges ist - so wenig originell dieses Bild auch ist.

Ein Uli Hoeneß, nur auf freiem Fuß, weil er fünf Millionen Euro Kaution gezahlt hat, schadet dem Wirtschaftsunternehmen FC Bayern im Moment mehr als er ihm nützt. Das wissen auch die acht Aufsichtsräte, unter ihnen Martin Winterkorn von Volkswagen, Rupert Stadler von Audi, Herbert Hainer von Adidas, Dieter Rampl von Unicredit und Timotheus Höttges von der Telekom. Sie äußern sich zwar nicht öffentlich, dürften aber um den Ruf ihrer Firmen fürchten. Am kommenden Montag, dem 6. Mai, steht eine Sitzung an. Ausgang offen. Aber die Tendenz spricht gegen Uli Hoeneß. Und wenn am Ende dabei herauskommt, dass er seine Ämter nur ruhen lässt. Vielleicht nimmt er auch das Heft des Handelns selbst in die Hand und beweist damit ein letztes Mal die Geradlinigkeit, die er stets auch von anderen gefordert hat.

Längst nicht mehr so wichtig

In der Parallelwelt des Profifußballs aber sehen die Dinge anders aus. Da wird der FC Bayern nicht lange unter dieser Geschichte leiden. Dafür ist dieser Mikrokosmos viel zu schnelllebig. Zum einen ist die Mannschaft auf gutem Weg, eine der sportlich erfolgreichsten Spielzeiten der Geschichte zu liefern. Und wenn die Bayern am Ende der Saison als Deutscher Meister, Pokalsieger und Gewinner der Champions League dastehen, wird dieser dreifache Triumph viel überstrahlen. Ein noch wichtigerer Beleg für die These, dass die Affäre dem FC Bayern nicht nachhaltig zusetzen wird, ist die Tatsache, dass er längst nicht mehr so wichtig ist.

Strukturell ist das dadurch dokumentiert, dass er Ende 2009 vom Amt des Managers, der bestimmt, wohin der Weg führt, ins Ehrenamt wechselte. Nun sind Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender keine Frühstücksdirektorenjobs. Uli Hoeneß hat nach wie vor Macht und Einfluss. Wie viel, das ist für Außenstehende schwer zu beurteilen. Aber ist schwer vorstellbar, dass der Verein 40 Millionen Euro für den Spieler Javi Martinez ausgibt, ohne dass Uli Hoeneß dem zustimmt. Oder einen Trainer wie Josep Guardiola verpflichtet. Persönlich nach Gesprächen in New York, wie die "Süddeutsche Zeitung" seinerzeit berichtete. Andererseits die Münchner sind mittlerweile mit Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzenden der 2002 gegründeten FC Bayern AG, Matthias Sammer als Sportdirektor, um nur zwei Protagonisten zu nennen, zumindest so breit aufgestellt, dass nicht mehr alles an einer Person hängt. Das ist auch ein Verdienst von Uli Hoeneß. Und könnte seinen Abgang beschleunigen. In welcher Form auch immer.

Dennoch ist der Schaden am doch ganz guten Ruf nicht zu unterschätzen. Uli Hoeneß ist seit Jahrzehnten nicht nur, im Guten wie im Schlechten, das Gesicht des Klubs. Als Manager war er auch über drei Jahrzehnte der Macher. Er hat den FC Bayern zu dem gemacht, was er jetzt ist: Einen sehr gut aufgestellten Branchenführer. Er hat den Klub dorthin gebracht, wo er seinem Selbstverständnis nach hingehört: nach ganz oben. Sein enormer Verlust an Glaubwürdigkeit schadet schon jetzt dem Image der Bayern und dem des deutschen Fußballs. Wenn zum Beispiel jetzt jemand hierzulande die Korruption des Weltverbandes Fifa geißelte, der sähe sich mutmaßlich mit der Frage konfrontiert, wie es denn mit der Ehrlichkeit in Deutschland aussehe. Präsident Joseph Blatter dürfte gefeixt haben, als er davon erfuhr. Oder wie Sylvia Schenk, bei der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International zuständig für den Sport, populistisch aber treffend sagte: "Wem kann man jetzt überhaupt noch trauen, wenn nicht Hoeneß?"

Im Verein selbst tun sie das, die Spezis halten zusammen und schließen die Reihen. Allen voran Karl-Heinz Rummenigge, der erklärt hatte, er halte zu seinem Freund Uli Hoeneß. Was ein interessantes Licht darauf wirft, wie sie in München Steuervergehen beurteilen, bei denen der Täter das Gemeinwesen betrügt. Als stünden die Bayern über dem Gesetz. Der Uli sei kein Betrüger, hatte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer gesagt, "da ist ihm irgendein Fehler unterlaufen, das kann sein". Peinlichkeiten dieser Art würde Uli Hoeneß seinem Lebenswerk FC Bayern mit einem Rücktritt ersparen. Erhalten bleiben wird Uli Hoeneß dem Verein auch ohne Amt, dafür ist die Beziehung zu symbiotisch. Und wenn es, erst einmal, offiziell nur beratend ist. Und sie werden weiter Erfolge feiern, fast so, als wäre nichts gewesen.

Quelle: ntv.de

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