Fußball

Statistisch nicht unersetzbar Warum der FC Bayern für Musiala nicht All-In gehen muss

M für München? M für Madrid? M für Manchester?

M für München? M für Madrid? M für Manchester?

(Foto: imago images/Sven Simon)

Jamal Musiala ist ein außergewöhnlicher junger Mann. Das hat zuerst und vor allem auch der FC Bayern erkannt. Zum Gesicht des Vereins soll der Mittelfeldspieler werden. Doch die Gespräche stocken - und bringen einen Grundsatz des FC Bayern ins Wanken.

Wenige Minuten vor dem Spiel gegen Holstein Kiel steht Bayern-Manager Max Eberl am Tisch des Sky-Teams. Moderator Sebastian Hellmann fragt, nicht ganz ernst gemeint, ob sich Jamal Musiala sein Gehalt schlicht selbst ins neue Arbeitspapier eintragen könne. Eberl erwidert, dass der Klub natürlich im Rahmen eines gewissen Budgets arbeiten muss. Er könnte zu klein sein. Laut dem "Daily Express" hat Jamal Musiala ein erstes Angebot des Klubs abgelehnt. Ob es das abgelehnte Angebot nun gibt oder nicht, schon zuvor betreibt Eberl deutliches Erwartungshaltungsmanagement. Im Sport1 Doppelpass sagt er, es wird "schwer, aber nicht unmöglich", Musiala zu halten.

Bis 2026 läuft der Vertrag des Dribbelkünstlers noch. Gelingt dem FC Bayern keine Verlängerung bis zum kommenden Sommer, müssten sie ihre Nummer 42 verkaufen, oder gar riskieren, ein Jahr später keine Ablöse mehr einzustreichen. Es wäre eine Zäsur. Was das Ringen um eine Vertragsverlängerung Jamal Musialas so bedeutsam macht, ist nur zum Teil seine unbestrittene Qualität. Der moderne FC Bayern gibt keine Spieler ab, wenn er nicht will. Der deutsche Branchenprimus ist einer der wenigen Klubs weltweit, der Leistungsträger nicht gegen seinen Willen abgeben muss. Die Ausnahme, die jede Regel hat, ist im Fall der Bayern Michael Ballack. Der Kapitän der Nationalmannschaft verlängerte seinen auslaufenden Vertrag beim Rekordmeister nicht und wechselte 2006 - Schlammschlacht mit dem FCB inklusive - ablösefrei zum FC Chelsea.

Nicht mit Kroos-Abgang zu vergleichen

Im Nachhinein war mit Sicherheit auch der Abgang von Toni Kroos ein Fehler, jedoch war die damalige sportliche Führung von Kroos bei Weitem nicht so überzeugt, wie sie es jetzt von Musiala ist. Der Wechsel von Robert Lewandowski ist insofern ein Sonderfall, als dass der Spieler zwar noch Vertrag, aber deutlich wahrnehmbar überhaupt keine Lust mehr hatte, in München zu kicken. Ein Musiala-Abgang hätte eine andere Qualität. Er ist mit 21 Jahren bereits ein Weltklasse-Spieler, kommt aus der Jugend des Vereins (so sehr wie ein 16-Jähriger noch aus der Jugend des Vereins kommen kann), spielt regelmäßig für die deutsche Nationalmannschaft und ist für die Fans eine riesige Identifikationsfigur. Salopp gesagt: Für Spieler wie Jamal Musiala macht der FC Bayern den ganzen Bums.

Den Verein zusperren muss der Klub jedoch auch nicht, sollte sich Musiala für einen Abgang entscheiden. Und bis es so weit ist, haben Eberl und Freund kein zu unterschätzendes Blatt für den Vertragspoker. Denn zumindest rein sportlich ist Jamal Musiala ersetzbar. Mit Xavi Simons flirtete der Klub bereits im vergangenen Sommer heftig, zwischenzeitlich war gar von einem sicheren Transfer die Rede. Letzten Endes entschied sich Xavi Simons für RB Leipzig, jedoch nur für ein weiteres Jahr. Mit der in Sachsen garantierten Spielzeit konnte der FC Bayern nicht konkurrieren. Doch Simons spricht bereits jetzt öffentlich von einem "weiteren Schritt" im Sommer. Der Niederländer ist bei PSG noch bis 2027 unter Vertrag, der Klub aus der französischen Hauptstadt soll offen für einen Verkauf sein.

Wirtz überragt Musiala (noch?)

Der noch naheliegendere und teurere Kandidat ist Florian Wirtz. Das Herz der Leverkusener Erfolgself aus der vergangenen Saison wird sich im nächsten Sommer seinen Klub frei aussuchen können. Angesichts der Leistungen des Duos in der Nationalmannschaft träumen Bayern-Fans bereits von "Wusiala" in der Allianz-Arena. An der Säbener Straße werden sie ungeachtet von Musialas Verbleib nichts unversucht lassen, um Wirtz nach München zu locken (Kumpel Musiala wäre für dieses Unterfangen aber natürlich eine große Hilfe).

Als Anfang September die Shortlist für die Verleihung des Ballon d'Or veröffentlicht wird, reiben sich deutsche Fußball-Fans verwundert die Augen. Auch der FC Bayern ist "überrascht" - denn Musiala fehlt. Florian Wirtz von Bayer Leverkusen findet sich unter den Nominierten. Ob Jamal Musiala nun zu den dreißig besten Fußballern der vergangenen Saison zählt oder nicht: Ein Blick auf die Zahlen der Saison 2023/24 zeigt, dass Flo Wirtz deutlich stärker performt hat. Auch Xavi Simons muss sich Musiala stellenweise geschlagen geben. Zunächst die offensichtlichen Statistiken: In den Pflichtspielen für Leipzig kommt Xavi Simons auf 23 Torbeteiligungen, Florian Wirtz sogar auf überragende 37. Musiala beendet die Saison mit 12 Treffern und sechs Assists, hat jedoch auch einige Einsätze weniger als seine Mitstreiter.

Xavi und Wirtz sind progressiver

Das Portal "fbref" bezeichnet Pässe, mit denen das angreifende Team dem Tor signifikant näher kommt als "progressive Pässe". Von denen spielt Jamal Musiala in der vergangenen Saison pro Spiel etwa 5,1, Wirtz kann einen Wert von 8,6 vorweisen, Xavi liegt mit 6 zwischen den beiden. Was die Daten der Plattform auch zeigen: Musiala schießt unter den drei Mittelfeld-Künstlern am häufigsten, steht im Schnitt am nächsten dran (etwa 14 Meter) und bringt den Ball dennoch seltener als Xavi und Wirtz auf das Tor.

Musialas große Stärke ist sein Dribbling. Kaum ein Spieler in Europa zieht so mühelos an Verteidigern vorbei wie er. Er gewinnt 58 Prozent seiner Offensivzweikämpfe (Xavi 53, Wirtz kommt auf 48). Dass sowohl Xavi als auch Wirtz deutlich mehr Distanz mit Ball am Fuß zurücklegen als Musiala, könnte an den Bayern-Gegnern liegen, die sich häufig weit in die eigene Hälfte zurückziehen.

"Wusiala" zum Nulltarif

Was alle drei Kandidaten neben ihrer Position und ihrem Jahrgang (2003) ebenfalls eint: Interessierte Vereine müssen tief in die Tasche greifen. Auch Jamal Musiala dürfte im Falle eines Abgangs 2025 trotz eines Jahr Restvertrags noch dutzende Millionen an Ablösesumme generieren. Klar ist allerdings auch, allein schon aufgrund der Identifikation muss der Verbleib von Jamal Musiala die favorisierte Option des FC Bayern sein. Darüber hinaus vermag keine Statistik der Welt die Magie, die Musiala versprüht, in Zahlen zu fassen. Musiala liefert am Fließband Aktionen, in denen er sich samt Ball durch engste Räume wieselt. Das erstaunt, das fasziniert, für solche Momente gehen Menschen ins Stadion.

Ohnehin muss der Rekordmeister auf der Suche nach weiterer Verstärkung im offensiven Mittelfeld womöglich nicht lange suchen. Im besten Fall wird "Wusiala" beim FC Bayern Realität, ohne einen Cent Ablösesumme zahlen zu müssen. Im Sommer 2025 kehrt Paul Wanner aus Heidenheim zu den Bayern zurück. Der steht momentan nach fünf Spielen bei sechs Scorern - einem Drittel des Musiala-Wertes aus der Vorsaison. "Vielversprechend" wäre untertrieben.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen