Fußball

Rudi Bommer zum Drittliga-Start Was das DFB-Team von Elversberg lernen kann

Nach zwei Monaten WM-Pause nimmt die 3. Fußball-Liga als erste Profispielklasse in Deutschland den Betrieb wieder auf. Mit der SV 07 Elversberg thront ein Aufsteiger überraschend an der Spitze der Tabelle. Er ist der Konkurrenz um die ambitionierten Liga-Giganten Dynamo Dresden und 1860 München mit der zu diesem Zeitpunkt einer Saison besten Punkteausbeute der Liga-Geschichte weit enteilt. Acht Zähler beträgt der Vorsprung auf Verfolger 1. FC Saarbrücken. Nach RB Leipzig, den Würzburger Kickers und Jahn Regensburg wäre das Team aus dem Saarland erst die vierte Mannschaft, die den Durchmarsch von der 4. in die 2. Liga schaffen würde. Warum das möglich und der Erfolg kein Zufall ist und warum sogar das DFB-Team etwas von dem Dorfklub lernen kann, erklärt Ex-Bundesliga-Profi (417 Einsätze, 54 Tore für Fortuna Düsseldorf, Bayer Uerdingen und Eintracht Frankfurt) und Magentasport-Experte Rudi Bommer im Interview.

Herr Bommer, fallen wir direkt mit der Tür ins Haus: Steigt die SV Elversberg tatsächlich auf?

Rudi Bommer: Ja, ich meine schon. Der Kader ist einfach richtig gut zusammengestellt. Die haben kreative Spieler im Mittelfeld, gut geschulte Verteidiger und schnelle Offensivkräfte. Und was die noch können, das ist das Spiel Eins-gegen-eins. Das ist etwas Besonderes, denn das wurde in den vergangenen Jahren im deutschen Fußball kaum noch gefördert. Als ich noch Trainer des SC Hessen Dreieich war (Anmerk. d. Red.: Kooperationspartner von Eintracht Frankfurt) und mir vor ein paar Jahren der Leiter des Nachwuchszentrums von Eintracht Frankfurt gesagt hat, dass die Trainingskonzepte nun wieder umgeschrieben worden sind, übrigens auch beim DFB, und wieder mehr Wert auf Eins-gegen-eins, Zwei-gegen-zwei und so weiter gelegt werde, da musste ich laut lachen.

Wieso das?

Horst Steffen hat in Elversberg eine perfekt funktionierende Mannschaft zusammen.

Horst Steffen hat in Elversberg eine perfekt funktionierende Mannschaft zusammen.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Na, weil das doch elementar im Fußball ist! Ich habe ihm dann geantwortet, dass ich das in meiner Trainingsarbeit auch nie rausgenommen habe, sondern nur den Tiki-Taka-Mist übernommen habe. Ich habe von der 1. bis zur 4. Liga trainiert, bin mit verschiedenen Mannschaften aufgestiegen, und dann will mir da einer was vom Pferd erzählen?! Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Das ist doch auch ein Problem der Nationalmannschaft. Und damit komme ich wieder zu Elversberg: In dem Kader stehen nicht immer nur die besten Fußballer, sondern Fußballer, die perfekt zueinanderpassen. Zum Beispiel in der Abwehrkette, ganz anders als in der Nationalmannschaft. Hier ist alles sehr gut aufeinander abgestimmt. Das ist auch die gute Arbeit von Horst Steffen. Er hat diese Mannschaft entwickelt. Vielen modernen Trainern geht das ab. Sie wollen immer nur Pressing und Zauberfußball spielen. Aber es geht um andere Sachen. Wenn du zum Beispiel einen Typen wie Mario Basler hast, dann musst du schauen, wer dahinter perfekt zu ihm passt. Das hat Horst Steffen verstanden, er ist einer der altgeschulten Trainer, der das Spiel von der Pike auf gelernt hat. Und keiner aus dieser Laptop-Generation.

Was machen die denn anders?

Die schauen mir zu wenig auf das Spielermaterial und setzen direkt ihre Idee über alles. Das geht doch nicht. Du musst erstmal das Tagesgeschäft abwarten, nach 14 Tagen kennst du die Mannschaft, hast sie spielen gesehen. Dann kannst du anfangen, deine Ideen zu verwirklichen. Manche von den Jungs wollen direkt drei, vier Systeme spielen. Aber kümmere dich erstmal darum, dass eines richtig gut ist und nimm noch ein zweites hinzu. Alles andere ist doch lächerlich, da verunsicherst du die Spieler doch nur mit. Du spielst halt immer noch auf zwei Tore, die Sechzehner sind noch immer da und der Platz der gleiche. Und gerade auch in der 3. Liga, wo sehr robust gespielt wird, da kommst du mit Zauberfußball nicht weit. Horst Steffen und Elversberg machen das anders. Sie haben das über Jahre in der Regionalliga schon perfekt entwickelt. Die Zusammenstellung ist großartig. Von der gut geschulten Abwehr über das kreative Mittelfeld, die schnellen Außenspieler wie Jannik Rochelt und gradlinige Stürmer wie Luca Schnellbacher. Und sie arbeiten in Ruhe, haben ein entspanntes Umfeld. Auch medial. Anders etwa als beim 1. FC Saarbrücken oder bei 1860 München.

Sie sprechen Saarbrücken an. Die 1. und 2. Bundesliga warten seit 17 Jahren auf einen Klub aus dem Saarland. Mit Elversberg auf Platz eins oder Saarbrücken auf Platz zwei könnte es in dieser Saison den saarländischen Doppel-Wumms geben …

… es sieht im Moment danach aus. Elversberg rechne ich aber mehr Chancen aus, weil es ab Platz zwei doch sehr eng zur Sache geht. Da sind ja Wehen-Wiesbaden, Ingolstadt und 1860 München dicht dran. Und die 3. Liga, das haben die vergangenen Jahre ja wieder gezeigt, ist brandgefährlich. Erinnern wir uns an die Saison 2019/20, als der FC Bayern Meister wurde. Zur Winterpause waren die noch im Abstiegskampf und dann am Saisonende plötzlich ganz oben. Solche Konstellationen machen den Reiz der 3. Liga aus, da kann es immer ganz schnell in beide Richtungen gehen. Oder schauen wir uns in dieser Saison Dresden an, die Aufstiegsfavorit waren und jetzt im Mittelfeld rumhängen.

Ja, was ist denn da eigentlich passiert?

Rudi Bommer ist seit 2018 als Experte in der 3. Liga bei Magentasport aktiv.

Rudi Bommer ist seit 2018 als Experte in der 3. Liga bei Magentasport aktiv.

(Foto: picture alliance / Fotostand)

Du musst die Liga sofort annehmen und das war bei Dresden vielleicht am Anfang nicht der Fall. Die haben vom Kopf her nicht umgeschaltet, haben gedacht, ja, wir werden ja überall groß gehandelt, aber dann gehst du raus und auf einmal läuft es nicht so. Und dann umzudenken im Kopf, das ist ganz schwierig. Und dann finde ich auch, dass der Kader nicht so prickelnd zusammengestellt ist. Sie spielen bislang schlecht über die Außen trotz ihres Ochsensturms mit Manuel Schäffler und Stefan Kutschke. Jetzt haben sie mit Jakob Lemmer einen starken Außenstürmer aus Offenbach geholt, der kann das Eins-gegen-eins und die Stürmer auch mal richtig bedienen. Ob das aber reicht?

Bedeutet: Dynamo spielt in dieser Saison im Kampf um den Aufstieg keine Rolle mehr?

Nein, ich glaube nicht. Die haben jetzt 23 Punkte, damit 8 bis 10 Rückstand auf die direkten Konkurrenten. Das ist zwar noch keine Welt, aber ich halte Dresden nicht für so stabil, dass sie da nochmal eingreifen. Außerdem müsste ja oben in der Tabelle alles kaputtgehen, dann müssten alle kollegial versagen. Dass das passiert, kann ich mir nicht vorstellen. Dynamo sollte die Zeit jetzt lieber nutzen und die Mannschaft genau anschauen, entscheiden, was behalte ich und was muss ich im Sommer dann neu aufstellen. Ich würde den Rest der Saison aus der Managerperspektive betrachten und den Kader für einen Angriff in der nächsten Saison her denken und entsprechend planen.

Mit 1860 München mischt ein zweiter Drittliga-Riese noch kräftig mit im Aufstiegsrennen und hat sich mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi Raphael Holzhauser spektakulär verstärkt. Gibt es nun keine Ausreden mehr, falls es mit dem Gang in die 2. Bundesliga nicht klappen sollte?

Sie haben das in München selbst so rausgegeben und wollen damit auch ein Zeichen senden: Wir wollen unbedingt nach oben.

Und ist Holzhauser tatsächlich das fehlende Puzzleteil?

Ich finde die Verpflichtung nicht schlecht. Holzhauser steht voll im Saft. Er hat in seinem letzten Spiel in Belgien über 90 Minuten gespielt und ein Tor vorbereitet. Er kommt mit Selbstvertrauen und mit Praxis. Das ist im Winter keine Selbstverständlichkeit, siehe etwa Oldenburg mit Marc Stendera. Der Holzhauser ist sofort spielbereit und er hilft ihnen mit seiner Größe von 1,95 Meter auch bei Flanken und Standards. Da war seit Sascha Mölders nicht mehr viel.

Sie haben gerade angesprochen, wie eng es hinter Elversberg zugeht. Welche Mannschaft hat denn den größten Druck, aufsteigen zu müssen?

Mit Raphael Holzhauser hat 1860 München einen spektakulären Wintertransfer eingetütet.

Mit Raphael Holzhauser hat 1860 München einen spektakulären Wintertransfer eingetütet.

(Foto: IMAGO/Ulrich Wagner)

Für mich hat Ingolstadt den größten Druck, die sind abgestiegen und wollen sofort wieder hoch. Das ist bei denen Programm. Saarbrücken hat auch immer Druck, die wollen seit Jahren hoch und die haben einen Präsidenten, der für dich als Trainer schon mal gefährlich werden kann.

Und bei Dresden ist der Druck weg, weil der Abstand zu groß ist?

Ja, das denke ich schon. Es ist mir aber auch echt ein Rätsel, dass ein Verein mit so einem Umfeld, so einem tollen Stadion und solch tollen Fans es seit Jahren nicht hinbekommt, ein Team mit richtig Power aufzustellen. Dynamo, das muss man so sagen, ist eine Fahrstuhlmannschaft geworden.

Wo wir gerade im Osten des Landes sind, der Region droht der krachende Abstiegs-GAU, mit Halle, Zwickau und Aue kämpfen drei Teams um den Klassenerhalt. Endet die Saison richtig bitter für den ostdeutschen Fußball?

Nein, das glaube ich nicht. Auch im Tabellenkeller ist ja alles eng beisammen. Gerade Aue hat eine tolle Mannschaft auf dem Platz stehen. Mit Timo Rost als Trainer hat es nicht geklappt, aber gerade jetzt mit Pavel Dotchev haben sie einen Trainer, der das Umfeld kennt und sie schon einmal da unten rausgeholt hat. Ich denke, Aue wird es auf jeden Fall schaffen. Und Zwickau kennt die Lage, die wissen, wie man erfolgreich gegen den Abstieg spielt. Die agieren robust und versuchen nicht zu zaubern. Es gibt halt gewisse Gesetze im Fußball, die kannste einfach nicht verändern. Zwickau versteht das.

Springen wir kurz in den Westen. Mit Rot-Weiss Essen und MSV Duisburg tummeln sich zwei große Traditionsmannschaften im Niemandsland der Tabelle. Was geht da noch?

Bei Rot-Weiss Essen habe ich gedacht, die steigen ab und der Trainer fliegt. Die sind ganz schlecht weggekommen. Aber die sind ruhig geblieben, was ja dort nicht immer so ist, und können jetzt schon am neuen Kader bauen und dann nächste Saison neu angreifen.

Und dann geht das?

Das kann schon sein. Es kommt natürlich darauf an, was sie noch verpflichten. Aber mit Felix Götze und Clemens Fandrich haben die richtig gute Jungs und das Stadion ist eh geil.

Und was geht bei Ihrem Ex-Klub MSV?

3. Liga live bei Magentasport
  • Magentasport zeigt alle Spiele der 3. Liga live.
  • Freitags immer ab 18.30 Uhr ein Spiel.
  • Samstags ab 13.45 Uhr sechs Partien als Einzelspiel oder in der Konferenz.
  • Sonntags ab 12.45 Uhr und ab 13.45 Uhr zwei Partien.
  • Und nur noch in dieser Saison montags ab 18.45 Uhr mit einem Spiel.
  • Die 3. Liga läuft bis zur Spielzeit 2026/27 komplett bei Magentasport.

In Duisburg bekommen sie es einfach nicht mehr so richtig hin, die Mannschaft so hinzustellen, dass sie oben angreifen kann. Das ist schade, weil das Umfeld richtig gut ist. Und wenn man sieht, dass da 30.000 zum Spiel gegen Essen kommen (Anmerk. d. Red.: auch viele aus Essen natürlich), dann ist das schon super. Vor allem auch für die 3. Liga.

Wenn man sich die Zuschauerzahlen und die Tradition der Klubs anschaut, dann bekommt man den Eindruck, dass die Liga der perfekte Ort für Fußballromantiker ist …

Das ist schon eine tolle Liga, mit tollen Vereinen und tollen Stadien, eine der besten 3. Ligen der Welt. Hier wird guter Fußball gespielt, hier sind gute Jungs unterwegs. Hier gibt es einen tollen Mix aus erfahrenen und jungen Spielern.

Viele junge Spieler tummeln sich in den Zweitvertretungen der Bundesligavereine, die sind aber vielen Fans ein Dorn im Auge. Kaum Zuschauer, kaum Stimmung und ohnehin nicht berechtigt, aufzusteigen …

Für mich sind sie eine Bereicherung. Da findest du junge Spieler, die aus der A-Jugend kommen und erstmal aufgefangen werden. Die bekommen hier Spielpraxis im Profibereich und rücken dann eventuell nach oben durch. Das ist ja auch ein Stück weit der Sinn der 3. Liga und im Sinne der Entwicklung des Fußballs. Ich habe Freiburg in Mannheim gesehen. Die haben einen geilen Fußball gespielt. Das Pressing war überragend, da hat alles gepasst. Da gab es keine Lücke für den Gegner. Aber das Internat in Freiburg ist eines der besten, das es gibt. Da wird noch richtiger Fußball gelehrt. Die meisten Nachwuchsleistungszentren kannst du dagegen in die Tonne kloppen. In Frankfurt etwa, da kommt in den nächsten drei Jahren nichts raus.

Wenn Sie sich einen dieser Spieler aussuchen müssten, dem eine große Karriere winkt, wer wäre das?

Luca Kerber von Saarbrücken, das ist so einer. Der ist für seine 20 Jahre schon sehr robust, der ist auch taktisch gut geschult, hat ein gutes Auge. Und der hat auch noch einen guten Abschluss.

Mit Rudi Bommer sprach Tobias Nordmann

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen