Jugendfußballer ist hirntot Was über den Vorfall in Frankfurt bekannt ist
30.05.2023, 17:55 Uhr
Bei einem Jugendfußballturnier kam es zu einem folgenschweren Gewaltausbruch. (Symbolbild)
(Foto: Friso Gentsch/dpa/Symbolbild)
Bei einem Gewaltausbruch während eines Jugendfußballturniers ist ein 15-jähriger Spieler eines Berliner Teams so schwer verletzt worden, dass er künstlich am Leben erhalten werden muss. Das Opfer habe durch Schläge gegen den Kopf und den Hals "schwerste lebensbedrohliche Kopfverletzungen" erlitten. Der mutmaßliche Täter, ein 16 Jahre alter Spieler einer französischen Mannschaft, sei vorläufig festgenommen worden und am Montag in Untersuchungshaft gekommen. Über den Zustand des jungen Spielers gab es im Laufe des Tages widersprüchliche Meldungen. Am Abend gibt es traurige Gewissheit: Er ist hirntot. Fragen und Antworten zu dem Fall.
Was ist passiert?
"Nach bisherigen Erkenntnissen kam es gegen 16.10 Uhr, nach dem Abpfiff eines Fußballspiels, zu einem Spielertumult, der in einer Schlägerei zwischen den Spielern eskalierte", berichten Staatsanwaltschaft und Polizei in einer gemeinsamen Erklärung am Montag. "Im weiteren Verlauf soll ein 16-jähriger Spieler aus der französischen Fußballmannschaft einen 15-jährigen Berliner Spieler gegen den Kopf bzw. Hals geschlagen haben. Daraufhin sackte der Getroffene zu Boden und wurde in der Folge reanimationspflichtig. Die alarmierten Rettungskräfte brachten den Jugendlichen umgehend in ein nahegelegenes Krankenhaus. Dort stellten die Ärzte lebensbedrohliche Hirnverletzungen fest."
Inzwischen wurden auch Details zum Tathergang bekannt: Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf das Amtsgericht am Mittwoch berichtete, soll der aus Frankreich stammende Beschuldigte zunächst einen anderen Gegenspieler angegriffen und ihm mit beiden Fäusten ins Gesicht geschlagen haben. Anschließend habe er den 15-Jährigen in den Schwitzkasten genommen und in die Magengegend geschlagen. Dieser habe sich zunächst befreien und weggehen können. Der Beschuldigte sei ihm nachgelaufen und habe ihm von hinten einen festen Schlag auf den Kopf gegeben. Als der Jugendliche zusammenbrach, sei er weggegangen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte den Ablauf.
Die Polizei bittet Zeugen, die Hinweise zum Sachverhalt geben können, weiterhin, sich mit der Kriminalpolizei unter der Rufnummer 069 / 755 - 51199 oder jeder anderen Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen. Zudem wurde ein Portal eingerichtet, über das Zeugen Bild- und Videomaterial hochladen und den Ermittlern zur Verfügung stellen können.
Wie ist der Zustand des Opfers?
In einer ersten Meldung hatte die "Frankfurter Rundschau" unter Berufung auf den Anwalt des mutmaßlichen Täters und einen Verbandsfunktionär berichtet, der Berliner sei bei dem Vorfall, zu dem es bereits am Sonntag beim "Germany Cup" gekommen war, tödlich verletzt worden. Diesen Schilderungen widersprach die Polizei. Der 15-Jährige sei nach den Schlägen "reanimationspflichtig" geworden. "Die alarmierten Rettungskräfte brachten den Jugendlichen umgehend in ein nahegelegenes Krankenhaus", hieß es vonseiten der Polizei: "Dort stellten die Ärzte lebensbedrohliche Hirnverletzungen fest." Am Dienstagabend verkündete ein Polizeisprecher schließlich, der Junge sei für hirntot erklärt worden. Der junge Berliner wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur Organspender.
Welche Teams waren in die Auseinandersetzung involviert?
Das Spiel, nach dem es zu dem Gewaltausbruch kam, war die Begegnung der B-Jugend des Berliner Stadtteil-Klubs JFC Berlin und einer Auswahl der Jugend-Akademie des französischen Zweitligisten FC Metz. Beide Mannschaften standen sich im Halbfinale im Rennen um Platz 5 gegenüber. Daniel Springer, 1. Vorsitzender des JFC Berlin, teilte auf Anfrage des RBB mit, dass der Verein "aus Respekt gegenüber der Familie und da es sich hier um ein offenes Verfahren handelt, [...] zur Zeit keine Auskunft erteilt."
Was bedeutet "hirntot"?
Mit der Diagnose Hirntod ist der Tod des Menschen nach neurologischen Kriterien sicher festgestellt. "Der irreversible Hirnfunktionsausfall wird definiert als Zustand der unumkehrbar erloschenen Gesamtfunktion des Gehirns (Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm). Dabei wird durch kontrollierte Beatmung und andere intensivmedizinische Maßnahmen die Herz- und Kreislauffunktion künstlich aufrechterhalten", heißt es in einer Definition der "Deutschen Stiftung Organtransplantation".
Welche Informationen gibt es zum mutmaßlichen Täter?
Ein 16-jähriger Spieler aus dem Team des "Performance Programm" der FC Metz International Academy, der Nachwuchsschmiede des Klubs, wurde festgenommen und am Montag einem Haftrichter vorgeführt. Dieser erließ einen Untersuchungshaftbefehl. Laut Frankfurts Polizei wird gegen den Spieler momentan nur wegen schwerer Körperverletzung ermittelt. Weitere Angaben zum Verdächtigen machten weder Polizei noch Staatsanwaltschaft. Wie der FC Metz am Dienstag in einer Mitteilung schreibt, bestreitet der Jugendliche, "dass er dem verletzten jungen Spieler absichtlich körperlichen Schaden zugefügt hat". Sein Mandant habe, wie er ihm selbst gegenüber erklärte, aus Notwehr gehandelt und dem 15-Jährigen lediglich "eine Ohrfeige" gegeben, sagte der Anwalt des Tatverdächtigen.
Der FC Metz "sowie alle anwesenden Spieler und Eltern stehen den deutschen Behörden selbstverständlich zur Verfügung, um dazu beizutragen, dass die Ermittlungen voranschreiten", schrieb der Klub. "Der gesamte FC Metz ist von dieser Tragödie zutiefst schockiert und spricht dem jungen Spieler, seiner Familie sowie seinen Angehörigen seine aufrichtige Unterstützung aus."
Was ist das FC Metz "Performance Programm"?
"Indem wir uns auf ihre sportliche Qualität, ihre Motivation und ihre Arbeitsfähigkeit stützen, wollen wir jedem Spieler ein geeignetes Sport- und Schulprogramm anbieten, das es ihm ermöglicht, sein Potenzial voll auszuschöpfen", heißt es in der Selbstbeschreibung des Nachwuchsprogramms des Aufstiegskandidaten in die französische erste Liga. "Die internationale Fußballakademie des FC Metz ist mehr als ein Trainingszentrum, sie soll ein Sprungbrett ins Erwachsenenleben sein und die Entwicklung von Fußballern, Schülern und Individuen fördern." Einer der Spieler, die die Akademie durchliefen, ist der Senegalese Sadio Mané, der aus Metz erst zu Red Bull Salzburg wechselte, beim FC Liverpool zum Weltstar wurde und inzwischen für den FC Bayern München in der Bundesliga spielt.
Gewalt im Jugend- und Amateurfußball: Passiert so etwas öfter?
In seinem jährlichen Lagebild zur Gewalt dokumentierte der Deutsche Fußball-Bund für die Saison 2021/2022 3544 durch Schiedsrichter gemeldete Gewalthandlungen im deutschen Jugend- und Amateurfußball. Erst im April war ein Schiedsrichter in Frankfurt von einem C-Jugend-Spieler mit zwei Faustschlägen im Gesicht getroffen worden.
Der Hessische Fußball-Verband (HFV) zeigte sich "fassungslos" und "schockiert darüber, dass ein Jugendlicher durch Gewalt auf einem hessischen Fußballplatz um sein Leben kämpft", sagte HFV-Vizepräsidenten Silke Sinning. "Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des Jungen."
Was ist der Germany Cup?
Der Germany Cup ist eine international besetzte Turnierserie für Jugendteams für alle Altersklassen an zwölf Standorten in ganz Deutschland. Veranstaltet wird der Germany Cup von einer Agentur aus dem fränkischen Feucht. Das Turnier in Frankfurt war die vierte Veranstaltung in diesem Jahr. Sie fand unter anderem auf der Anlage des SV Viktoria Preußen statt, wo die Partien der U17 ausgetragen wurden und wo es am Sonntag, dem letzten Tag des dreitägigen Turniers, zu dem folgenschweren Vorfall kam. Das Turnier der U17 wurde nicht zu Ende gespielt.
Die Veranstalter des internationalen Jugendturniers kündigten auf ihrer Website an, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um ihren Beitrag zur Aufklärung des Vorfalls zu leisten. "Wir sind zutiefst erschüttert über die Ereignisse. Es ist unfassbar traurig. Wir sind am Boden zerstört. Die Gewalt auf den Fußballplätzen muss ein Ende haben. Unsere Gedanken sind bei den Mitspielern und Eltern des Spielers."
Quelle: ntv.de, ter