Fußball

Fußballschiedsrichter im Visier "Wer Arschloch sagt, kriegt die Rote Karte"

Wir wissen nicht, was Andreas Angersbach von der SG Kelkheim zu Schiedsrichter Dieter Storck sagt. Aber dieses Foto aus dem Mai 2014 soll symbolisieren, dass die Unparteiischen auch und gerade in den unteren Ligen keinen leichten Stand haben.

Wir wissen nicht, was Andreas Angersbach von der SG Kelkheim zu Schiedsrichter Dieter Storck sagt. Aber dieses Foto aus dem Mai 2014 soll symbolisieren, dass die Unparteiischen auch und gerade in den unteren Ligen keinen leichten Stand haben.

(Foto: imago/Marcel Lorenz)

Anti-Gewalt-Training für Kicker aus der Kreisliga? Das bringt etwas, sagt Bodo Brandt-Chollé, Vorsitzender des Schiedsrichterauschusses im Berliner Fußballverband. Denn jedes Wochenende gibt es auf den Fußballplätzen Pöbeleien und Handgreiflichkeiten. Im Mittelpunkt der Anfeindungen stehen meist die ehrenamtlichen Schiedsrichter. Auch Bundesligaspieler tragen daran eine Schuld, sagt Brandt-Chollé. Deutschlandweit suchen Verbände händeringend Nachwuchs-Schiedsrichter. Doch wer lässt sich schon gerne anpöbeln?

n-tv.de: Herr Brandt-Chollé, auch der Berliner Fußball-Verband sucht immer neue Jugendliche und Erwachsene, die als Schiedsrichter Spiele pfeifen. Wie führen Sie junge Menschen an die Aufgabe des Unparteiischen ran?

Bodo Brandt-Chollé: Wir suchen immer Nachwuchs. Pro Jahr werden zwischen 150 und 160 Schiedsrichter vom Berliner Fußball-Verband ausgebildet. Ab 14 Jahren dürfen Jungen und Mädchen Spiele leiten. Wir haben es zum Prinzip gemacht, dass beim ersten Einsatz eines jungen Schiedsrichters immer ein erfahrener Schiedsrichter als Begleitung mitläuft. Er gibt Ratschläge und schützt den Nachwuchs somit auch vor dem, was auf ihn einprasselt. Es gibt eine dreimonatige Begleitung. So wollen wir auch vermeiden, dass junge Unparteiische schnell wieder die Lust verlieren. Diejenigen, die das erste Jahr auf dem Platz überstanden haben, bleiben meist länger dabei. Man lernt schnell, dass man als Schiedsrichter ein dickes Fell haben muss. Wir haben mehr als 1250 Schiedsrichter, die in unserem Verband pfeifen. Da ist jedes Wochenende was los.

"Es gibt eine große Schere zwischen Bundesliga und Amateur-Klassen, die viele Zuschauer nicht wahr haben wollen": Bodo Brandt-Chollé.

"Es gibt eine große Schere zwischen Bundesliga und Amateur-Klassen, die viele Zuschauer nicht wahr haben wollen": Bodo Brandt-Chollé.

Welche Rolle spielt die Bundesliga bei Ihrer Betrachtung?

Mich ärgert es sehr, wenn ich im Fernsehen einen Bundesliga-Trainer sehe, der sich daneben benimmt oder wenn Spieler den Schiedsrichter angehen. Die Bundesliga-Akteure sind für unsere Jugendlichen auch Vorbilder. Und so ein unangemessenes Verhalten aus der ersten Liga spiegelt sich dann immer auch bei unseren Spielen wider. Das kann doch nicht sein!

Wie wollen sie die ehrenamtliche Arbeit der Unparteiischen verbessern? Es macht ja keinen Spaß, sich in der Freizeit als "Arschloch" bezeichnen zu lassen.

Wer zu einem Schiedsrichter "Arschloch" sagt, kriegt die Rote Karte und wird für mehrere Spiele gesperrt. Das wissen die Beteiligten. Aber wir mussten den Schutz unserer Schiedsrichter erhöhen. Alle Vorkommnisse werden nun dokumentiert und Sportgerichtsurteile veröffentlicht. Tat und Urteil sind zeitlich enger zusammengebracht worden. Durch härtere Urteile konnten wir nun die ganz schlimmen Vorfälle zurückdrängen. Schiedsrichter werden nun seltener angegriffen. Aber sie werden immer wieder beleidigt und bedroht. In Berlin haben wir neue Strategien entwickelt. Nun lehren wir zum Beispiel auch, wie sich ein Schiedsrichter vor einem Spiel den Mannschaften vorstellt oder wie er deeskalierend einwirken kann. Da hat sich die Ausbildung und Weiterbildung verändert.

Aber wieso regen sich denn Eltern und Zuschauer bei Kreisliga-Spielen so dermaßen auf?

Die Eltern sehen in ihrem Sprössling sehr oft den nächsten Götze oder Ronaldo, sie sind häufig ehrgeiziger als die Kids selbst, die einfach nur Fußball spielen wollen. Bei den Spielen der G- bis D-Jugend müssen Eltern in Berlin sich in der sogenannten Fanzone mindestens drei Meter vom Spielfeldrand entfernt aufhalten. Das hilft schon mal. Aber es gibt eine große Schere zwischen Bundesliga und Amateurklassen, die viele Zuschauer nicht wahr haben wollen. Bei einem Bundesligaspiel sind vier Schiedsrichter dabei, es gibt eine Torlinienkamera und Sprechverbindung zwischen den Schiedsrichtern. Dann erwarten manche Zuschauer bei Verbandsliga-Spielen, dass ein einziger Unparteiischer all das leisten kann. Das ist natürlich nicht möglich.

Vor einigen Jahren gab es häufig Gewalt bei Spielen in Berlin. Was hat sich geändert?

Vor gut fünf Jahren hatten wir massive Schwierigkeiten in mehreren Ligen. Immer wieder wurden Schiedsrichter bei uns tätlich angegriffen. Das war ganz schlimm. Unsere Schiedsrichter wollten schon in den Streik treten. Wir haben gehandelt, bestrafen nun schneller und sprechen längere Sperren aus. Wenn sich bei Mannschaften die unsportlichen Vorfälle häufen, kann deren Verein sogar vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden. Auch wenn ein Trainer sich daneben benimmt, kommt das vors Sportgericht. Dann wird oft ein Anti-Gewalttraining für Wiederholungstäter verordnet. Das betrifft Trainer und Spieler. Im Jahr gibt es zwischen 40 und 50 Sportgerichtsurteile im Berliner Fußball, in denen Anti-Gewalt-Kurse für die Betroffenen angeordnet werden. Da werden auch mal ganze Mannschaften zum Anti-Gewalt-Kurs geschickt und dürfen erst wieder mitmachen, wenn der Kurs absolviert wurde. Die Rückfallquote ist dann zum Glück gering. Bezahlen muss das übrigens der Verein oder der Betroffene selbst. Da sind wir sehr streng.

Informieren Sie bei Risikospielen vorher die Polizei?

Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist sehr gut. Wir sprechen uns vor Risikospielen ab, sie schicken auch mal Beobachter, die beim Spiel anwesend sind. Denn wir können klar erkennen, dass weniger passiert, wenn wir vom Verband vor Ort Präsenz zeigen und die Vereine wissen, dass wir sie im Blick haben. In der vergangenen Saison hatten wir 32000 Einsätze von Schiedsrichtern. Es gibt heute immer wieder Zwischenfälle, wenn Teams mit unterschiedlichem Migrationshintergrund aufeinander treffen. Da sind Konflikte auf dem Rasen programmiert. Logisch ist das für jeden Schiedsrichter eine Herausforderung. Der Fußballplatz ist eben ein Abbild unserer Gesellschaft. Was im normalen Leben schief läuft, läuft auch auf dem Spielfeld schief. So bitter ist das. Übrigens: Bei Spielen von Mädchen-Teams kommt es nur sehr selten zu solchen Vorfällen.

Mit Bodo Brandt-Chollé sprach Hero Warrings

Quelle: ntv.de

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