Fußball

n-tv Experte Ziege über die WM "Wir wollen den Titel - und sonst nichts"

Christian Ziege (M) war 1996 beim deutschen EM-Triumph dabei. Es war der letzte große Titel für Deutschland.

Christian Ziege (M) war 1996 beim deutschen EM-Triumph dabei. Es war der letzte große Titel für Deutschland.

(Foto: Associated Press)

Mit Christian Ziege als Experte gehen n-tv und n-tv.de in die Fußball-WM. Der Europameister wird während der Weltmeisterschaft in Brasilien das Geschehen auf dem Spielfeld analysieren und die Ereignisse rund um das deutsche Team kommentieren. Als Profi hat Ziege nicht nur bei Spitzenklubs wie dem AC Mailand, dem FC Liverpool und dem FC Bayern gespielt. Er war 1996 auch beim letzten großen Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft dabei. Im Interview mit n-tv Sportchef Timo Latsch spricht der 42-Jährige darüber, wer unbedingt mit zur WM muss, über seine Rolle als Experte - und die Titelaussichten für die DFB-Elf in Brasilien.

n-tv: Christian Ziege, wir freuen uns sehr, Sie als WM-Experten gewonnen zu haben, herzlich Willkommen. Konnten Sie sich in den letzten stressigen Wochen der Saison mit Unterhaching überhaupt schon auf Ihre Rolle freuen?

Christian Ziege: Ich freue mich sehr darauf. Diese Rolle als Experte ist ja zum Glück auch etwas entspannter, weil es nicht direkt mit meiner Mannschaft zu tun hat. Einfach über Fußball zu philosophieren, ihn zu analysieren, ohne dass man direkt dafür geradestehen muss, ist eine sehr angenehme Abwechslung zum alltäglichen Geschäft eines Profitrainers. Bei einem so großen Event in dieser Form dabei sein zu dürfen, wird mir definitiv sehr großen Spaß machen.

Kommen wir mal direkt auf das Testspiel gegen Polen: Sie haben beim DFB in den U-Nationalteams selbst mit jungen Spielern gearbeitet und auch jetzt bei Unterhaching haben Sie viele Talente in Ihrem Kader. Ihnen muss bei Joachim Löws Aufstellung doch das Herz aufgegangen sein.

Leider bin ich ein wenig zu spät gekommen, weil ich selbst noch arbeiten musste. Ich habe dann aber die zweite Halbzeit gesehen. Was mich am meisten gefreut hat, war die Berufung der Spieler, die ich selbst in den U-Nationalmannschaften beim DFB oder auch in Mönchengladbach betreut habe. Marc-André ter Stegen und Antonio Rüdiger aus der U 19, oder Shkodran Mustafi und etwas später auch Matthias Ginter und Leon Goretzka. Diese Jungs jetzt bei der A-Nationalmannschaft zu sehen war ein richtig gutes Gefühl.

Von den Spielern, die gegen Polen auf dem Feld standen,

Christian Ziege

Geboren: 1. Februar 1972 in Berlin

Erfolge Nationalmannschaft:
72 Spiele für Deutschland (9 Tore)
Europameister 1996
Vize-Weltmeister 2002

(Wichtigste) Erfolge Clubkarriere:

deutscher (2x FC Bayern) und Italienischer Meister (AC Mailand)
FA-Cup-Sieger (FC Liverpool)
zweimal Uefa-Pokal-Sieger (FC Bayern/FC Liverpool)

Aktuell Trainer der SpVgg Unterhaching (3. Liga):
Trainiert dort unter anderem Jonas Hummels und Fabian Götze, die Brüder der Nationalspieler.

werden logischerweise einige nicht mit nach Brasilien fliegen. Die meisten Plätze im Kader sind ja mehr oder weniger sicher vergeben. Wer ist Ihr Geheimtipp? Welchen jungen Spieler sollte Joachim Löw unbedingt mitnehmen?

Matthias Ginter hätte es zu einhundert Prozent verdient. Er hat sicherlich noch einige Entwicklungsstufen vor sich, aber er hat absolut die Qualität dazu. Ich hatte ihn in der U 19 in meiner Mannschaft, bevor er kurzfristig zur Qualifikation der U 21 berufen wurde und dort dann eine Riesenleistung gezeigt hat. Die Berufung in die A-Nationalmannschaft ist dann die logische Konsequenz, beziehungsweise die Belohnung für ihn gewesen. Mich persönlich würde seine Nominierung definitiv sehr freuen. Aber auch Spieler wie Lars Bender oder Kevin Großkreutz wären enorm wichtig für die Mannschaft. Das sind Typen, die ein bisschen anders ticken, als der Großteil der Truppe. Der Pepp, den diese Jungs in die Mannschaft bringen können, kann eventuell ein ganz entscheidender Faktor sein.

Egal, wen Joachim Löw am Ende mit nach Brasilien nimmt: Es gibt neben den personellen Fragen ja in dieser Vorbereitungsphase noch etliche weitere Faktoren, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Sie haben das selbst als Spieler bei mehreren Turnieren erlebt. Welche Fragen sind für den Bundestrainer in den nächsten Wochen die entscheidenden?

Es ist klar, dass die klimatischen Bedingungen und auch die jeweiligen Gegner eine Rolle spielen. Das Entscheidende ist aber herauszufinden, in welcher Art und Weise die Mannschaft das Turnier bestreiten will. Mit welcher Philosophie man die Spiele angeht. Wenn das Trainerteam die festgelegt hat, muss es aus dem Pool an Spielern die 23 dafür am besten geeigneten Akteure auswählen. Den Spielern die eigene Spielidee zu vermitteln, ist wirklich enorm wichtig. Denn die Spieler kommen aus ihren Vereinen und haben alle die ganze Saison nach unterschiedlichen Vorgaben gespielt. Nehmen wir alleine den FC Bayern und Borussia Dortmund, die den größten Teil der Mannschaft stellen werden. Das sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze: Der absolute Ballbesitz der Bayern und das schnelle Umschalten des BVB. Diese verschiedenen Grundsätze muss man in der eigenen Spielidee alle unterbringen. Wenn das in den Trainingseinheiten und Testspielen optimal funktioniert, kann man durchaus Hoffnung haben, dass die Mannschaft das Turnier erfolgreich gestalten wird.

Erfolgreich gestalten ist ein gutes Stichwort. Stand jetzt: Kann Deutschland den Titel holen?

Es war schon immer so: Wenn wir Deutsche zu einem Turnier fahren, wollen wir den Titel – und sonst nichts. Das ist auch heute nicht anders. Für mich ist der Schlüssel generell die Vorrunde. Wenn du die überstehst, und das sollte für unsere Mannschaft definitiv drin sein, dann ist alles möglich. In einem Spiel kann die DFB-Elf jeden schlagen. Vom Spielermaterial her ist für Deutschland das Halbfinale also auf jeden Fall machbar und das heißt automatisch, dass die Chance Weltmeister zu werden genauso vorhanden ist. Das sollte auch unser Anspruch und unser Ziel sein. Topfavorit ist für mich aber Brasilien. Die haben einen riesigen Druck im eigenen Land, nach 1998 mal wieder Weltmeister zu werden. Beim Confed-Cup hat man schon gesehen, dass die Spieler davon auch getragen werden. Andererseits kann diese Erwartungshaltung die Mannschaft natürlich auch lähmen. Es wird in jedem Fall extrem spannend und ich freue mich darauf.

Mit Christian Ziege sprach Timo Latsch

Quelle: ntv.de

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