Fußball

Bierhoff: "Früher war es fast wie Krieg" DFB-Elf will nicht das neue Holland sein

Früher war mehr Gift: Der Hass zwischen Fußball-Deutschland und Fußball-Holland ist vergangen. Die sportliche Rivalität ist geblieben.

Früher war mehr Gift: Der Hass zwischen Fußball-Deutschland und Fußball-Holland ist vergangen. Die sportliche Rivalität ist geblieben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Deutschland gegen die Niederlande, das ist mehr als ein Fußballspiel. Das weckt Erinnerungen: an das WM-Finale 1974. An Koeman, der sich mit einem DFB-Trikot den Hintern abwischt, an Rijkaards Spucke in Völlers Locken. Vor allem aber an großartige Spiele. Auch in Hamburg erwartet Bundestrainer Joachim Löw ein Offensivspektakel.

DFB-Manager Oliver Bierhoff sehnt sich nach den alten Zeiten nicht zurück. Er sehnt sich nach Titeln.

DFB-Manager Oliver Bierhoff sehnt sich nach den alten Zeiten nicht zurück. Er sehnt sich nach Titeln.

(Foto: AP)

Oliver Bierhoff ist nicht für forsche Sprüche bekannt, als Manager der Nationalmannschaft ist er verbal eher auf diplomatischem Parkett unterwegs. Aber als ihn nun ein niederländischer Journalist fragte, ob dieses deutsche Team, dass doch nun so schönen Fußball spiele, vielleicht das neue Holland sei, antwortete Bierhoff: "Nein, das wollen wir gar nicht, sonst werden wir ja immer noch Zweiter bei großen Turnieren."

Es ist also doch noch etwas da von der alten Rivalität, wenn sich heute ab 20.45 Uhr beide Mannschaften im mit 51.500 Zuschauern ausverkauften Hamburger Stadion in aller Freundschaft messen. Sie kommen, um mit das Beste zu sehen, was der Weltfußball derzeit zu bieten hat, schließlich stehen die Niederländer auf Platz zwei und die Deutschen auf Platz drei der Weltrangliste der Fifa. Besser sind nur die Spanier, amtierende Welt- und Europameister. Das EM-Finale gewannen sie 2008 gegen die DFB-Elf, das Endspiel der WM 2010 gegen Holland. Vor allem aber haben Niederländer und Deutsche eine ganz spezielle gemeinsame Fußballgeschichte.

"Vor 20 Jahren waren das Hass-Spiele"

"In den achtziger Jahren war das ja schon fast so etwas wie Krieg", sagt Oliver Bierhoff: "Da wurden Feindbilder aufgebaut." Heute sei das nicht mehr so, weil der Fußball in beiden Länder internationaler, vermischter geworden sei. Auch Rekordnationalspieler Lothar Matthäus erinnert sich: "Die Rivalität war damals wesentlich größer als heute. Vor 20 Jahren waren das Hass-Spiele." Angefangen hatte alles 1974, bei der WM in Deutschland trafen beide Teams im Finale aufeinander. Die Niederländer um Johan Cruyff, unbestritten die beste Mannschaft der Welt und erstmals seit 1938 für eine Endrunde qualifiziert, verloren mit 1:2, scheiterten an ihrer eigenen Überheblichkeit und Gerd Müller. Seitdem gilt, dass die Niederländer zwar den aufregenderen Fußball spielen, am Ende aber die Deutschen gewinnen.

Marco van Basten windet sich um Jürgen Kohler und schießt Holland ins EM-Finale. 1988 war das, in Hamburg.

Marco van Basten windet sich um Jürgen Kohler und schießt Holland ins EM-Finale. 1988 war das, in Hamburg.

(Foto: AP)

Nur bei der EM 1988 war das anders, im Halbfinale von Hamburg gewannen die Niederländer mit 2:1, weil sich Marco van Basten kurz vor Schluss um die deutsche Abwehreiche Jürgen Kohler herumwand und das entscheidende Tor erzielte. Hinterher ergatterte Ronald Koeman beim obligatorischen Trikottausch das Hemd von Olaf Thon – und wischte sich damit demonstrativ das Hinterteil ab. Im Endspiel schlugen Ruud Gullit, Frank Rijkaard und Kollegen dann die Sowjetunion mit 2:0 und feierten den bisher einzigen Titelgewinn der Niederländer. Ein wunderbares Gefühl sei das, sagte van Basten, "besonders, weil wir auf dem Weg ins Finale diese widerwärtigen Deutschen rausgeworfen haben".

Zur Revanche kam es zwei Jahre später bei der WM in Italien. Im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion siegte die deutsche Mannschaft in einem dramatischen Achtelfinale mit 2:1. Jürgen Klinsmann machte das Spiel seines Lebens - Frank Rijkaard spuckte gleich zweimal den deutschen Stürmer Rudi Völler ins damals schon ein wenig grau gelockte Haar. Was den argentinischen Schiedsrichter Juan Loustau nicht davon abhielt, beide vom Platz zu stellen. Weltmeister wurde am Ende aber Deutschland, mit 1:0 im Finale gegen Argentinien.

"Die Spieler waren heiß im Kopf"

Der Historiker und Publizist Auke Kok hat ein Buch geschrieben über das Fußball-Trauma der Niederländer geschrieben. "Wir waren die Besten" erschien 30 Jahre nach der Niederlage von 1974 - und wurde ein Bestseller. Kok revidiert dabei einige Vorurteile seiner Landsleute. Zum Beispiel, dass der Sieg der DFB-Elf im Finale unverdient gewesen sei. Vielmehr sei das niederländische Team zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, der Fußball mit zu viel Bedeutung aufgeladen.

Weltmeister: Gerd Müller schoss Deutschland zum WM-Titel 1974 - weil Holland zwar besser war, aber im Kopf nicht bereit.

Weltmeister: Gerd Müller schoss Deutschland zum WM-Titel 1974 - weil Holland zwar besser war, aber im Kopf nicht bereit.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Es ist ein bisschen doppelseitig. Einerseits hatten die Holländer im Sommer 1974 die beste Mannschaft, wir waren die Besten, aber eben nicht im Endspiel und das ist auch der Mythos in Holland, dass wir immer dachten, wir waren auch im Finale die Besten, aber wenn man das ganze Endspiel von damals wieder anschaut, muss man sagen, dass die Deutschen besser waren als die Holländer und auch noch ein sauberes Tor gemacht haben", sagte er 2004 im Interview mit dem Deutschlandfunk. Und bereits vor sieben Jahren konstatierte er: "Ich denke, dass der Zweite Weltkrieg jetzt sehr weit weg ist, junge Spieler denken nicht daran. Die Spieler von 1988 und 1990 waren heiß im Kopf, weil es ihnen die Elterngeneration so erzählt hatte. Es war eine Hetze damals. Jetzt ist das, denke ich, vorbei."

Und heute Abend? Verspricht Joachim Löw, dem nach eigener Aussage völlig egal ist, dass er heute zum 75. Mal als Bundestrainer an der Seitenlinie steht, ein Offensivspektakel. "Wir wollen unsere Kraft nach vorne ins Spiel bringen." Schließlich will die deutsche Mannschaft im letzten Länderspiel des Jahres noch einmal gewinnen. Nicht nur, sagt Oliver Bierhoff, weil das gegen die Niederländer "doppelt Freude" macht.

Quelle: ntv.de

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