40 Mio Euro für einen Ersatzspieler? Bayerns Transferwahnsinn um Martínez
22.08.2012, 12:04 Uhr
"Er ist der geborene Anführer": Javier Martínez.
(Foto: dapd)
Dass der FC Bayern Geld hat und es gelegentlich auch gerne ausgibt, ist bekannt. Nun aber ist der Fußball-Bundesligist bereit, 40 Millionen Euro für einen Spieler auszugeben, von dem Franz Beckenbauer noch nie etwas gehört hat. Javier Martínez soll den Münchnern helfen, die Dortmunder Dominanz zu brechen.
Wer ist eigentlich Javier Martínez? Franz Beckenbauer jedenfalls weiß das nicht. "Ich kenne den Spieler nicht, habe ihn noch nie gesehen." Aber: "Aber wenn sich der FC Bayern für ihn interessiert, muss er ein Guter sein." Und: "Klar ist er teuer, aber ob 30 oder 40 Millionen - das ist schon fast wurscht. Der FC Bayern kann sich das erlauben." Dann ist ja alles prima, wenn der Ehrenpräsident das sagt. Oder?
Fest steht: Der Fußball-Bundesligist ist ernsthaft daran interessiert, den 23 Jahre alten spanischen Mittelfeldspieler Javier Martínez von Athletic Bilbao zu verpflichten, wo er einen Vertrag bis 2016 unterschrieben hat. Nur klappt das mit dem Wechsel nicht so reibungslos, wie die Bayern das gerne hätten. Das liegt offenbar nicht am Geld, zumindest nicht nur. Der Aufsichtsrat der Münchner hat zugestimmt, dass der Verein 40 Millionen Euro ausgeben darf. Für diese Summe, so steht es dem Vernehmen nach als Klausel im Vertrag des Spielers, darf er den Klub verlassen, der nur Spieler aus dem Baskenland für sich spielen lässt.
Javier Martínez, dem nach einem Gespräch mit dem Münchner Trainer Jupp Heynckes durchaus Wechselambitionen nachgesagt werden, könnte sich auf seinen Vertrag berufen. Doch Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge beschreibt die Lage so: "Normalerweise gibt es da keine Probleme, der Spieler muss diese Klausel ziehen. Nur scheinen die Basken nicht nur stolz, sondern auch kompliziert zu sein. Das ist kein normaler Transfer, da gibt es auch steuerliche und juristische Probleme. Wenn die gelöst sind, würden wir den Transfer gerne machen." Für 40 Millionen Euro - das ist mehr, als jemals zuvor ein deutscher Verein für einen Spieler ausgegeben hat. Bisher sind die 30 Millionen Euro, die der FC Bayern im Jahr 2009 an den VfB Stuttgart überwies, um Nationalstürmer Mario Gomez zu bekommen, der Rekordtransfer.
Ein Versprechen auf die Zukunft
Aber 40 Millionen Euro - für wen? Selbst Präsident Uli Hoeneß sagt, die Summe sei "Wahnsinn". Er sagt aber auch: "Wirtschaftlich können wir uns das leisten. Dafür haben wir jahrzehntelang hier gearbeitet, dass man auch so einen Transfer nicht in die Kreditabteilung geben muss." Klingt so, als sei er stolz darauf, schließlich ist der Verein sein Lebenswerk. Nur: Warum tun sich die Bayern dann so schwer und zahlen nicht einfach, was sie zahlen müssen? Seit Wochen beherrscht das Gerangel um den Wunschspieler die Schlagzeilen. Platzt der Transfer jetzt doch noch, stehen sie dumm da. Und: 40 Millionen Euro - für wen eigentlich? Wer ist denn nun dieser Javier Martínez? Er ist, wie viele junge und begehrte Spieler vor allem ein Versprechen auf die Zukunft.
Zwar ist oft vom spanischen Weltmeister die Rede, und Europameister ist er seit dem 1. Juli auch, beim Vorrundensieg gegen Irland in Danzig kam er 25 Minuten zum Einsatz. Der defensive Mittelfeldspieler, 190 Zentimeter lang, hat also die Erfolge meist nur als Reservist auf der Bank erlebt, insgesamt hat er acht Länderspiele absolviert. Denn die Plätze in der spanischen Defensivzentrale sind bis auf Weiteres an Sergio Busquets, 24 Jahre alt, vom FC Barcelona und Xabi Alonso, 30 Jahre alt, von Real Madrid vergeben. 40 Millionen Euro für einen Einwechselspieler? Allerdings scheint Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque viel von Javier Martínez zu halten: "Er ist ein Super-Spieler und großartiger Mensch. Er ist der geborene Anführer. Er hat quasi das komplette Spielfeld im Auge. Da kann man Bayern nur gratulieren."
"Er muss etwas Besonderes sein", sagt der Kaiser
Bei denen soll auf der Sechserposition vor der Viererkette spielen und dort für Spielkultur und Ballsicherheit sorgen. Auch wenn er in Bilbao zuletzt meist als Innenverteidiger auflief. Und in 60 Partien in der Primera Divison stolze 60 Gelbe Karten sammelte. Aber in der Schaltzentrale vor der Abwehr sehen die Münchner ein Problem - auch weil der deutsche Nationalspieler Bastian Schweinsteiger nach seinen Verletzungen noch weit von seiner Bestform entfernt ist. Die Kandidaten Anatoli Timoschtschuk und Luiz Gustavo genügen den Ansprüchen des deutschen Rekordmeisters offensichtlich nicht. Und Toni Kroos sieht Trainer Jupp Heynckes wohl eher im offensiven Mittelfeld. Alles in allem ein Personalreservoire, aus dem 17 andere Bundesligisten gerne schöpfen würden.
Was die Bayern umtreibt, wissen letztlich nur sie selbst. Aber sie wissen auch: 40 Millionen Euro für einen auszugeben, der erst noch zeigen muss, was er kann - das ist durchaus riskant. Aber der Stachel, national zweimal von Borussia Dortmund abgehängt worden zu sein und das Finale der Champions League gegen den FC Chelsea verloren zu haben, sitzt offenbar tief. So tief, dass sie die Sache nun mit Geld regeln wollen, ein unter Profiklubs nicht unübliches Gebaren. Javier Martínez wäre der achte Neue - nach Xherdan Shaqiri (Basel/11,6 Millionen Euro), Mario Mandzukic (Wolfsburg/13,0), Dante (Mönchengladbach/4,7), Mitchell Weiser (1. FC Köln/0,5), Tom Starke (Hoffenheim), Claudio Pizarro (Bremen) und Nachwuchstorwart Lukas Raeder (Schalke/alle ablösefrei).
Nur dass es diesmal kosten darf, was es wolle, ist eine neue Qualität. Doch wie sagt Franz Beckenbauer? "Er muss etwas Besonderes sein, sonst wäre der FC Bayern nicht an ihm dran!" Schaun mer mal.
Quelle: ntv.de