
Auch Romy Schneider alias Kaiserin Sissi konnte Helmut Rahn nicht aus der Ruhe bringen.
(Foto: © Fotoarchiv Ruhr Museum / Foto: Willy van Heekern)
Das Ruhrgebiet ist eine der "aufregendsten Fußballregionen in Deutschland". Seine Stars waren schon immer - und nicht nur bei den Fans - heiß begehrt. Auch Romy Schneider fand Gefallen an einem von ihnen. Nicht nur durch solch wunderbare Geschichten ist der Mythos Revierfußball faszinierend.
"Boss" Rahn war gerade mit seinem Klub Rot-Weiss Essen Deutscher Meister geworden - da konnten ihn die Damen und Herren vom Film nicht wirklich aus der Fassung bringen. Selbst als Romy Schneider den Lederball kokett und doch ganz sanft auf seiner Haartolle ablegte, schloss der Weltmeister nur kurz seine Augen und dachte an später, wenn "Sissi" und ihre Mutter längst wieder abgereist waren und er bei einem frisch gezapften Pils in seiner geliebten "Friesenstube" sitzen würde.
Aber auf eine besondere Art und Weise war es auch schön an diesem Nachmittag im August 1955 in der Essener "Lichtburg" bei der Premiere des Films "Die Deutschmeister". Helmut Rahn lächelte in die Kameras. All diese berühmten Menschen waren in sein Revier gekommen. Seine Heimat. Das Ruhrgebiet.
20 Jahre nach dem glamourösen Empfang in der Essener "Lichtburg" steht ein Fan von Rot-Weiss Essen vor einer Kneipe. Es ist das Jahr 1976. Die Umgebung des Mannes mit wallender Haarmähne und Schnäuzer ist Grau in Grau. Sechs Jahre zuvor war Stürmer Klaus Fischer aus dem bayrischen Zwiesel nach Gelsenkirchen gezogen, um für den FC Schalke 04 zu spielen. Fischer sagte später einmal: "Über das Ruhrgebiet hatte ich mir an sich keine großen Gedanken gemacht, obwohl meine Mutter mir gesagt hatte: 'Wenn du da hochgehst, kannst du kein weißes Hemd mehr anziehen."
Es war damals die Zeit des Strukturwandels. Weg von Kohle und Stahl. Doch das interessierte den RWE-Fan in diesen Tagen weniger. Viel mehr machte ihm sein Verein Sorgen. Ein Jahr später sollte sein Klub aus der ersten Liga absteigen - und bis heute nicht mehr in die Bundesliga aufsteigen.
Stan Libuda ist kein perfekter Geschäftsmann
Gut lief es in diesen Tagen Mitte der siebziger Jahre auch für den großen Stan Libuda nicht mehr so ganz - auf und neben dem Platz. Zwar hatte die Schalker Legende den vormals gutlaufenden Zigarrenladen mit Lotto-und-Toto-Annahmestelle von Ernst Kuzorra genau an der Ecke der alten König-Wilhelm-Straße, an der man abbiegen musste, wenn man denn einige Meter weiter bei der legendären Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn landen wollte, übernommen - doch irgendwie war diese Art von Geschäft nicht wirklich Stans Sache. Die Leute hatten es geliebt mit Kuzorra zu quatschen und nebenbei ihre Lottoscheine abzugeben, doch Libuda war viel zu selten persönlich vor Ort.
Es war die Zeit, als viele Ex-Profis mit ihren Buden und Kneipen Schiffbruch erlitten und sich neue Betätigungsfelder suchen mussten. Strukturwandel also auch bei den ehemaligen Fußballern.
Schalker Freud und Leid
Mit über 450 Motiven präsentiert das Ruhr Museum aktuell zusammen mit dem Deutschen Fußballmuseum auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes Zollverein in Essen eine Fotoausstellung über eine "der aufregendsten Fußballregionen in Deutschland", wie der Museumsdirektor Prof. Heinrich Theodor Grütter das Ruhrgebiet selbst beschreibt.
Die Faszination des Revierfußballs kann in der fotografischen Zeitreise (er-)spüren werden. Gut erkennbar ist, welchen unglaublichen Stellenwert der Fußball in dieser Region hatte und immer noch hat: "Als Projektionsfläche, als Zufluchts- und Sehnsuchtsort, als Repräsentant und Entwicklungsmotor, als wichtigste Nebensache der Welt, hauptsächlich aber als Spiel, in dem sich Mythos und Moderne widerspiegeln."
Wie eng Freud und Leid beim Fußball beieinanderliegen, zeigen die Bilder auf Schalke aus den Jahren 2001 und 2002. Während nach dem packenden Finish der Spielzeit 2000/01 die Fans des "Meisters der Herzen" weinend auf dem Rasen des Parkstadions stehen und Manager Rudi Assauer denkwürdige Worte spricht ("Wenn es einen Fußballgott gibt, ist er ungerecht. Der ist für mich gestorben"), versammeln sich nur ein Jahr später die königsblauen Anhänger auf den Straßen von Gelsenkirchen, um freudetrunken den DFB-Pokalsieg zu feiern und der Mannschaft zuzuwinken.
Es war der Tag, als der Schalker Manager Rudi Assauer einmal kurz nicht aufpasste und ihm der Pokal beim LKW-Korso aus den Händen glitt. Aus einigen Metern Höhe knallte die Trophäe auf den Asphaltboden und erlitt sichtlich Schieflage. Goldschmied Wilhelm Nagel musste einen fehlenden Stein ersetzen und den Pokal aufwändig restaurieren. Eine kostspielige Angelegenheit für Assauer und den Verein.
Doch was ein echter Kerl aus dem Revier ist, der lässt sich auch von solch einer Sache nicht irritieren. Auf die Frage eines Journalisten, ob er bei einem möglichen weiteren Titel etwas sorgfältiger mit dem Pokal umgehen würde, antwortete Assauer unmissverständlich: "Wenn er wieder im Weg steht, geht er eben wieder kaputt." Ein Spruch wie das Ruhrgebiet - auch wenn Assauer gebürtig aus dem Saarland kam. Doch genau wie Klaus Fischer und viele andere wollte er später von hier nie wieder weg.
Quelle: ntv.de