Redelings Nachspielzeit

Gestrandet auf der Autobahn Als der BVB per Anhalter zu den Bayern fuhr

Burkhard Segler, Erwin Kostedde und Helmut Nerlinger müssen sich erstmal orientieren.

Burkhard Segler, Erwin Kostedde und Helmut Nerlinger müssen sich erstmal orientieren.

(Foto: imago/Horstmüller)

Heute vor 45 Jahren verpasste der BVB beinahe sein Heimspiel im Dortmunder Westfalenstadion gegen den FC Bayern München, weil der Bus unterwegs liegen geblieben war - aus Gelsenkirchen kommend. Doch das ist noch nicht das Verrückteste an der Geschichte!

Gladbachs Stadionsprecher Torsten Knippertz ist vor einigen Jahren nach einem Spiel seiner Borussia gegen den Aufsteiger FC Ingolstadt 04 der Kragen geplatzt. Viel zu häufig und offensichtlich hatten die Schanzer seiner Meinung nach Zeit geschunden. Und so sagte Knippertz nach der Partie immer noch hörbar erregt: "Wenn der Mannschaftsbus so oft liegenbleibt wie die Spieler zum Schluss, wird's für Ingolstadt ne lange Heimreise!" Wahrhaft ein lustiger Spruch - doch die anschließende Rückfahrt der Ingolstädter in ihre oberbayrische Heimat verlief vollkommen ohne technische Schwierigkeiten.

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Ganz anders ist da allerdings die Geschichte vom 2. Oktober 1976 gelagert. Damals absolvierte der BVB nach dem Abstieg im Jahr 1972 seine erste Saison als Erstligist im neuen Westfalenstadion. Trainer der Borussia war damals der Essener Jung Otto Rehhagel. Und vermutlich spielte genau diese Herkunft des späteren Deutschen Meisters mit Werder Bremen und dem 1. FC Kaiserslautern eine gewichtige Rolle bei der Auswahl der Unterkunft, in der die Dortmunder stets die Nacht vor einem Heimspiel gemeinsam verbrachten. Denn Rehhagel ließ sein Team ausgerechnet in der Stadt des Erzrivalen, im Maritim-Hotel von Gelsenkirchen, schlafen. Dieser Umstand führte zu zahlreichen herrlichen Geschichten - und zu dieser wunderbaren Anekdote von vor 45 Jahren.

Ein ausverkauftes Stadion wartet

Voller Vorfreude auf das Spiel setzten sich die Dortmunder damals richtig guter Dinge am späten Vormittag nach einer leichten Mahlzeit in ihren Mannschaftsbus, um über den berühmten "Ruhrschnellweg" zum 33 Kilometer entfernten Westfalenstadion zu gelangen. Dort stand an diesem Tag die Partie gegen das Team des großen FC Bayern München an, das die ruhmreiche Borussia früherer Tage einige Jahre lang nur aus der Zweiten Liga bestaunen durfte. Jetzt war es aber endlich soweit - und 53.800 Zuschauer im ausverkauften Stadion warteten schon sehnsüchtig auf den Anstoß zu diesem ganz speziellen Duell.

Doch für die Spieler des BVB sollte sich die Anreise an diesem Tag so völlig anders gestalten als sonst. Denn mitten auf dem Weg nach Dortmund blieb der Bus plötzlich stehen - und bewegte sich auch nach gutem Zureden keinen einzigen Meter mehr weiter. Und zu allem Überfluss war die Zeit bis zum Anpfiff der Partie auch nicht mehr allzu fern, denn der zweite Name der legendären Autobahn, die mitten durchs Revier führt, war einmal mehr zum Programm geworden: "Ruhrschleichweg".

"Kannst du nicht erfinden!"

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Was also tun? Der unvergessene Bundesliga-Held und damalige BVB-Star Willi Lippens hat noch heute Lachtränen in den Augen, wenn er voller Begeisterung von diesen besonderen Momenten auf der Autobahn erzählt: "Wir pennen in Gelsenkirchen und kommen dann nicht nach Dortmund. Als Dortmunder. Kannst du nicht erfinden! Da sind wir dann per Anhalter weiter." Und genau so ist es an diesem 2. Oktober 1976 im Herzen des Ruhrgebiets tatsächlich passiert. Plötzlich stand die komplette Mannschaft des BVB mit Daumen raus auf dem Seitenstreifen der Autobahn und wartete auf Mitfahrgelegenheiten. Und dieses Mal war es von Nutzen, dass der Verkehr nur äußerst zähflüssig rollte.

Willi Lippens erinnert sich lebhaft: "Da saß ich dann in so einem VW-Bus mit Kostedde und Ackermann. Da hat uns einer mitgenommen nach Dortmund, der selbst ins Stadion wollte." Es müssen einmalige Szenen gewesen sein, die sich damals zwischen Gelsenkirchen und Dortmund abgespielt haben - und trotz des "Chaos überall" schafften es die Borussen gerade noch rechtzeitig ins Stadion. Dort wurde dann nicht lange gefackelt. Klamotten an und raus aufs Feld, denn der unerbittliche Schiedsrichter Volker Roth aus Salzgitter - später agierte er lange Jahre als Vorsitzender des DFB-Schiedsrichterausschusses - kannte kein Erbarmen. Punkt 15.30 Uhr wurde die Partie angepfiffen.

Rehhagel nutzt Erfahrung

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Und obwohl die Spieler des BVB an diesem Tag schon so viel erlebt hatten, schafften sie es zweimal einen Zwei-Tore-Rückstand aufzuholen und am Ende nach einer turbulenten Begegnung ein hart erkämpftes 3:3 zu ergattern. Erst nach der Partie realisierten die tapferen Kicker der Borussia dann so richtig, was ihnen da auf dem Weg zum Stadion Irres passiert war. Trainer Otto Rehhagel hielt bis zu seiner Entlassung - nach dem legendären 12:0 bei Borussia Mönchengladbach im April 1978 - an der Wahl des Hotels in Gelsenkirchen fest.

Übrigens: Von seiner ganz speziellen Erfahrung konnte der Coach aus Essen aber schon kurz nach der BVB-Bus-Panne auf dem "Ruhrschleichweg" im Oktober 1976 profitieren. Denn als Trainer von Arminia Bielefeld musste er in der Spielzeit 1978/79 mitansehen, wie sich der Mannschaftsbus auf den letzten Metern zum Stadion des SV Darmstadt 98 verfuhr. Als man dann allerdings am Straßenrand einen Anhänger der Lilien in voller Fanmontur sah, reagierte Otto Rehhagel schnell und bat den jungen Mann kurz entschlossen in den Bus. Und tatsächlich: Der Fan zeigte der Arminia freundlich und freudig die kürzeste Strecke ins Stadion. Einem pünktlichen Anpfiff der Partie stand an diesem Tag nichts mehr im Wege.

Quelle: ntv.de

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