Redelings Nachspielzeit

Trainer fliegt, Not ist riesig Rot-Weiss Essen taumelt in dramatische Abwärtsspirale

Christoph Dabrowski hat es in Essen hinter sich.

Christoph Dabrowski hat es in Essen hinter sich.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Am Wochenende hat Rot-Weiss Essen zu Hause ein 0:3-Debakel gegen den TSV 1860 München erlebt. Jetzt wurde Trainer Christoph Dabrowski entlassen. Doch nicht nur sportlich befindet sich der Traditionsverein aus dem Ruhrgebiet aktuell in einer äußerst schwierigen Lage.

"Und irgendwann wollen wir natürlich auch die Liga verlassen", meinte der neue Vorstandsvorsitzende von Rot-Weiss Essen, Marc-Nicolai Pfeifer, bei seiner ersten Pressekonferenz Anfang Juli - und hatte dabei selbstverständlich ein ganz anderes Szenario vor Augen, als es sich aktuell für den Traditionsklub aus dem Ruhrgebiet darstellt. Nachdem man in der vergangenen Saison lange Zeit ambitioniert um den Aufstieg in die zweite Fußball-Bundesliga mitspielte, steht RWE momentan mit drei Punkten Abstand zum rettenden Ufer auf dem 18. Tabellenplatz der 3. Liga.

Die 0:3-Heimpleite am Wochenende gegen einen anderen ehemaligen Erstligisten, TSV 1860 München, hat tiefe Spuren beim Klub von der Hafenstraße hinterlassen. Dabei ist die deutliche Niederlage gegen die Löwen nur ein weiterer Tiefpunkt in einer dramatischen Abwärtsspirale, die nun dazu geführt hat, dass sich Rot-Weiss Essen - den Gesetzmäßigkeiten des Fußballs folgend - am heutigen Montag von Trainer Christoph Dabrowski getrennt hat. Der Verein hat damit vor den wichtigen Partien in den nächsten Wochen gegen zwei Konkurrenten im Abstiegskampf reagiert. Beim Tabellenletzten und Zweitligaabsteiger aus Osnabrück am kommenden Sonntag wird nun erstmals seit dem 01. Juli 2022 ein anderer Coach bei RWE auf der Bank sitzen als Christoph Dabrowski.

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Diesen Schritt werden die Verantwortlichen des ewig "schlummernden Riesen" sicherlich sehr sorgfältig durchdacht haben, denn, wie eigentlich immer in der Vergangenheit, muss Rot-Weiss Essen auch aktuell jeden Euro zweimal umdrehen, bevor er ausgegeben wird. Und die Trainerentlassung des bis 2026 fest gebundenen Dabrowski ist teuer - und bindet Gelder, die der Klub momentan vermutlich besser für die qualitative Aufwertung des Kaders ausgeben würde. Denn, wie sagte Fabian Klos am Wochenende bei "MagentaSport" völlig zurecht: "Es steht außer Frage, dass bei der Essener Kaderplanung nicht alles perfekt gelaufen ist."

Und Sascha Mölders, gebürtiger Essener und früherer RWE-Spieler, ergänzte: "Die Essener mussten viele starke Spieler abgeben. Auf drei oder vier Positionen hätte man daher viel stärker nachlegen müssen, um in der 3. Liga zu bestehen." Man darf gespannt sein, inwieweit die Vereinsverantwortlichen nach der Trainerentlassung in der Winterpause auch auf diesem Gebiet handeln werden. In jedem Fall ist sicher: Es wartet viel Arbeit auf die handelnden Personen bei Rot-Weiss.

1860 sorgt für schwierigen Start

Denn die Ursachen für die Misere bei RWE liegen tiefer, als es der rein sportliche Blick auf die Tabelle offenbart. Als Marc-Nicolai Pfeifer im Juli seinen Job bei RWE endlich antrat, sollte er eigentlich schon lange da sein. Schließlich hatte sein Vorgänger im Amt, Marcus Uhlig, schon im Februar seinen Abschied "spätestens zum Saisonende" angekündigt. Und tatsächlich hatte Rot-Weiss mit Pfeifer einen früheren Beginn seiner Tätigkeit vereinbart - doch dann kam ihnen sein ehemaliger Arbeitgeber, der Ligakonkurrent und Gegner des Debakels am Wochenende, der TSV 1860 München, dazwischen. Die Löwen verweigerten einen früheren Start und verschafften dem Dienstantritt von Pfeifer so gleich einen negativen Beigeschmack.

Zudem wirkte sich die lange Zeit des Übergangs seit der Bekanntgabe des Ausscheidens von Marcus Uhlig Ende Februar bis zu seinem tatsächlichen Abschied Ende Mai natürlich nicht förderlich auf die Handlungsfähigkeit des Klubs aus. Insbesondere auch deshalb, weil mit Uhlig zusammen damals auch noch Sascha Peljhan seinen Abschied verkündete. Der Gründer der Modemarke Naketano hatte RWE nicht nur finanziell unterstützt, sondern seit Mai 2023 auch als ehrenamtliches Vorstandsmitglied die Bereiche Finanzen, Infrastruktur, EDV und Digitalisierung verantwortet.

Tiefe Gräben zwischen den Anhängern

Der Abgang von Peljhan verlief dann ein Jahr später, um es vorsichtig auszudrücken, wenig ehrenhaft. Noch auf der Jahreshauptversammlung im Oktober warf der Aufsichtsratsvorsitzende Lothar Oelert dem früheren Finanzvorstand vor, mit Hilfe seines Geldes den Versuch unternommen zu haben, Einfluss auf Personalentscheidungen im Klub zu nehmen. Ohne Not wurde so ein Fass wieder geöffnet, das eigentlich schon fast geschlossen war. Und so verwundert es nicht, dass die Querelen rund um die Abgänge von Peljhan und Uhlig auch innerhalb der Anhängerschaft tiefe Gräbe hinterlassen haben - und zudem eine ruhige und sachliche Arbeit an der Hafenstraße in den letzten Monaten sicherlich nicht erleichtert haben.

"Die Tradition, die Emotionen im Umfeld mit vielen Fans, die sich tagtäglich mit dem Klub identifizieren", hatte der neue Vorstandsvorsitzende von Rot-Weiss Essen, Marc-Nicolai Pfeifer, bei seiner Antritts-Pressekonferenz noch hervorgehoben. Aktuell brennt, man kann es nicht anders sagen, wieder einmal die Luft bei RWE. Die Fans schwanken zwischen "Wir haben die Schnauze voll" und dem Gefühl der ewigen Treue und Zuneigung ihrem Klub gegenüber. Der heute entlassene Trainer Christoph Dabrowski, der genauso fassungslos wie die beinahe 17.000 Zuschauer die Nicht-Leistung seiner Mannschaft mitansehen musste, fasste das Gefühl der Stimmungslage an der Hafenstraße nach der Partie gut zusammen, als er sagte: "Wenn ich anfange, wilde Sau zu spielen, dann ist Hopfen und Malz verloren!"

"RWE bleibt wer"

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Nun ist Dabrowski Geschichte - und andere "spielen wilde Sau". Auch wenn die Entlassung nicht unerwartet kam, hätte sich wohl eine Mehrheit der RWE-Fans zuerst andere Maßnahmen gewünscht als den Rauswurf des Trainers. Die Emotionen der RWE-Anhänger werden die Verantwortlichen nun nach weiteren möglichen Misserfolgen in den kommenden Wochen jedenfalls nur mehr schwerlich einfangen können. Aktuell dreht sich die Spirale immer weiter in eine Richtung, die Marc-Nicolai Pfeifer bei seiner ersten Pressekonferenz in Essen sicherlich nicht gemeint hat.

Von einem Aufstieg ("Liga verlassen") ist Rot-Weiss Essen momentan nicht nur punktemäßig sehr weit entfernt. Doch egal wie die nächsten Tage, Wochen und Monate mit dem neuen Trainer an der Seitenlinie auch laufen werden, mit einer Sache, die sie am Sonntag bei ihrer Choreografie zeigten, haben die Essener Anhänger - unabhängig von aktuell und zukünftig agierenden Vereinsvertretern - immer recht: "RWE war wer. RWE ist wer. RWE bleibt wer".

Quelle: ntv.de

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