
Christoph Kramer, Torjäger.
(Foto: imago/Sven Simon)
Vor genau zehn Jahren entschied sich die Redaktion der ARD-"Sportschau" dagegen, ein Tor des Gladbachers Christoph Kramer zur Wahl des "Tor des Monats" zuzulassen - denn bei seinem wunderschönen Treffer handelte es sich um ein Eigentor. Tatsächlich hatte solch eine Wahl schon einmal für einen Eklat mit dem FC Bayern gesorgt!
"Das Tor ging um die Welt und hat ihn noch einmal richtig berühmt gemacht." ARD-Moderator Gerhard Delling konnte sich diesen kleinen Seitenhieb und ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wochenlang hatte man in der "Sportschau"-Redaktion heftig darüber debattiert, ob man den wunderschönen Treffer des Weltmeisters Christoph Kramer beim Auswärtsspiel in Dortmund zur Wahl des "Tor des Monats" zulassen sollte oder nicht. Doch dann entschied man sich Ende November 2014 dagegen. Und das hatte gute Gründe.
Den außergewöhnlichen Treffer hatte Christoph Kramer bei der Partie seiner Gladbacher am 9. November im BVB-Stadion aus 44,5 Metern erzielt. Das Besondere an diesem phänomenalen Weitschuss: Es war ein Eigentor! Unter Druck hatte Kramer die Kugel erst flach schießen wollen, sich dann jedoch tragischerweise für einen gewagten Rückpass zu seinem Keeper entschieden. Und da Yann Sommer leider zu diesem Zeitpunkt relativ weit vor seinem eigenen Kasten stand, senkte sich der Ball aus dieser extremen Distanz langsam aber stetig über den Keeper - hinein in das Tor der Borussia aus Mönchengladbach.
"Wer austeilt, muss auch einstecken können"
Als man nun den Treffer für die monatliche Wahl des "Tor des Monats" in Erwägung zog, reagierte Christoph Kramer äußerst entspannt: "An mir soll's nicht liegen. Ich hätte damit kein Problem. Es war doch ein schönes Tor - nur leider in die falsche Richtung. Also: Wenn jemand es für das 'Tor des Monats' nominieren möchte, bitte! Ich mache mir ja auch aus diversen Dingen einen Spaß. Wer austeilt, muss auch einstecken können." Doch die Redaktion der "Sportschau" zögerte - und das hatte gleich eine Vielzahl an guten Gründen, wie der Leiter Steffen Simon erzählte: "Normalerweise stellen wir keine Eigentore mehr zur Auswahl, denn es geht darum, wirklich gewollte Treffer zu ehren."
Doch Steffen Simon führte noch einen anderen, durchaus nachvollziehbaren Grund an: "In der Regel gewinnt ein Eigentor wegen der Kuriosität immer solche Abstimmungen." Das ahnte wohl auch Christoph Kramer selbst, als er nach der Entscheidung der "Sportschau"-Redaktion seinen Treffer nicht zur Wahl zuzulassen, schmunzelnd meinte: "Ich hätte das Ding hundertprozentig gewonnen, weil der Spott der Leute größer ist." Er betonte aber auch noch einmal, dass er eine gewonnene Wahl durchaus angenommen hätte, da er kein Problem mit der spöttischen Reaktion der Leute auf seinen außergewöhnlichen Treffer habe: "Wenn morgen der Xhaka so nen Tor macht, lache ich mich auch drüber kaputt. Das ist ja auch ganz normal und menschlich!"
"Verarschen kann ich mich selber"
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Tatsächlich hatten es bis zum November 2014 nur zwei Eigentore zum "Tor des Monats" geschafft - in insgesamt knapp 33 Jahren seit der Einführung der Wahl im Jahr 1971. 1993 hatte der Hertha-Spieler Frank Rohde den Titel geholt und im Jahr 1985 der Bayern-Profi Helmut Winklhofer. Und genau an diesen kuriosen Treffer erinnerte sich die "Sportschau"-Redaktion nun ganz besonders, denn damals hatte es einen heftigen Eklat rund um die Wahl gegeben. Die Bayern hatte das Votum der Zuschauer auf die Palme gebracht, weil sie sich fragten, warum die ARD noch mehr "Salz in die Wunde" streuen würde oder, wie Uli Hoeneß es ausdrückte: "Verarschen kann ich mich selber!"
Schließlich hatten die Münchener durch diesen Unglücksschuss von Winklhofer aus 35 Metern über seinen Keeper Jean-Marie Pfaff hinweg in der 34. Minute des 1. Spieltags der neuen Saison 1985/86 gleich einen Fehlstart bei Bayer Uerdingen hingelegt. Wie angesäuert die Bayern damals waren, zeigte auch die Reaktion von Trainer Udo Lattek, der Winklhofer in der Halbzeit aus der Partie nahm und dies anschließend spöttisch so begründete: "Das ist jetzt unser Torjäger. Ich wollte ihn für das nächste Spiel schonen!"
FC Bayern verbietet Ehrung
Als Helmut Winklhofer nun die Wahl gewann, verbot man es dem Bayern-Profi die Ehrung und die Medaille zum "Tor des Monats" anzunehmen. Eine entsprechende Einladung der ARD mussten Winklhofer und Pfaff ablehnen. Über sich selbst wollten die Bayern damals in dieser Situation nicht lachen. Erst mit Verspätung überreichte die Redaktion dem Gewinner der Wahl wenigstens seine Medaille. 29 Jahre später "klaute" also die Erinnerung an diesen Eklat Christoph Kramer indirekt den Titel des "Tor des Monats".
Doch der Weltmeister nahm die Sache entspannt und gewohnt locker. Als die "Sportschau" ihn damals noch um eine Abschluss-Moderation bat, sagte Christoph Kramer schmunzelnd: "Und jetzt die Wahl des Tors zum 'Tor des Monats' mit den Toren in das richtige Tor." Dann lachte er. Übrigens: Den Titel heimste damals Dennis Mast von Arminia Bielefeld ein. Sein Kunstschuss am 08.11.14 im Spiel der 3. Liga gegen den SV Wehen Wiesbaden in der 68. Minute zum 1:0 bekam die meisten Stimmen. Doch so schön sein Treffer auch war - über den sensationellen Weitschuss von Christoph Kramer ins eigene Tor wird man wohl noch etwas länger sprechen.
Quelle: ntv.de