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"Kannst Zigarre quer rauchen!" Die Legende Rudi Assauer lebt in Erinnerungen weiter

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Rudi Assauer ist eine der schillerndsten Typen in 60 Jahren Bundesliga. Der "Macher der Herzen" prägt den deutschen Fußball durch seine unverwechselbare Art. Vor fünf Jahren ist er gestorben. Nun erinnert zu seinem 80. Geburtstag ein ganz persönliches Buch an viele unerzählte Erlebnisse, Geschichten und Anekdoten.

"Du warst Schalke-Ikone, eine Zeit lang jüngster Manager der Liga, UEFA-Cup-Gewinner, Bauherr einer Fußballarena, DFB-Pokal-Sieger, Werbegesicht, Zigarrenliebhaber. Keiner konnte dir etwas vormachen", schreibt der Autor Carsten Kulawik am Anfang seines äußerst lesenswerten Buchs "Rudi Assauer. Macher der Herzen. Wie die Schalke Legende wirklich war" - und charakterisiert damit eine der prägenden Gestalten des deutschen Fußballs der letzten sechzig Jahre auf den Punkt. Denn Assauer war unglaublich vielschichtig. Seine Herzlichkeit konnte innerhalb von Sekunden in eine erbarmungslose Schroffheit wechseln.

Mit Christoph Daum hat der Manager Assauer viele Geschichten erlebt. Nicht immer gingen diese freundschaftlich aus. Und so sagt Daum heute im Rückblick auf einen alten Weggefährten: "Rudi lernte ich als einen Menschen der Extreme kennen. Extrem angriffslustig, extrem gesellig, extrem eitel, extrem solidarisch, extremer Feind, extremer Freund. Rudi beherrschte alle Register."

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Der Autor des frisch erschienen Assauer-Buchs schildert in seinem Werk ein typisches Zusammentreffen im Liga-Alltag der beiden - wie es so heute nicht im Ansatz mehr denkbar wäre: "Als 1997 in einer Begegnung der Leverkusener Ulf Kirsten im Fünfmeterraum Schalke-Verteidiger Thomas Linke mit seinem Ellenbogen im Gesicht trifft und ihm den Kiefer prellt, ist Assauer auch außer sich. 'Ey, hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank, dass du Thomas Linke so umhaust?' Er fordert nach Abpfiff ein lebenslanges Spielverbot für den Übeltäter. Werkself-Trainer Christoph Daum holt zum Gegenschlag aus: 'So, wie Sie früher Fußball gespielt haben, kann ich einiges erzählen. Machen Sie nicht meine Spieler an!' Auch heute - mehr als 25 Jahre später - hat Daum die Szene bildlich noch klar vor Augen. 'Rudi attackierte mich in einer Art und Weise, wo ich geantwortet habe: Jetzt reicht's! Ich wusste mir nicht anders zu helfen und habe dann noch hinterhergeschoben: 'Wenn du nicht gleich die Fresse hältst, hau ich dir dermaßen eine rein, dass du deine Zigarre quer rauchen kannst.'"

Doch obwohl Christoph Daum lange Zeit unter einer dieser für Assauer so typischen und stets spontanen Aussagen des Managers (Daum: "Früher hast du frei von der Leber gesprochen und nicht nachgedacht: Ist es jetzt sinnvoll, was ich sage. Du hast aus der Emotion heraus gesprochen") litt, haben sich die beiden später wieder versöhnt. Den Satz, der Daum lange zu schaffen machte, hatte der Schalke-Manager Anfang der 2000er, als er tatsächlich überlegte, den durch seine Kokain-Affäre in Ungnade gefallenen Trainer zu den Königsblauen zu holen, losgelassen: "Ob ich Daum verpflichte, weiß ich noch nicht. Wer garantiert mir, dass er nicht wieder schnupft?"

"Rudi hatte einen Verhaltenskodex"

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Doch Christoph Daum sagt heute über Assauer etwas, das den langjährigen S04-Manager im Kern äußerst treffend beschreibt: "Rudi hatte einen Verhaltenskodex. Er hat nicht nur Verträge gemacht, sondern auch Werte vermittelt. Wenn einer wertemäßig nicht zu dieser Kumpelcharakteristik passte, hatte er bei Rudi keine Chance. Das spielt heute keine Rolle mehr. Da werden die ganzen Fakten herangezogen: Wie viele Tore macht er? Wie schnell ist er? Wie viele Zweikämpfe gewinnt er? Doch Rudi hat immer noch geguckt: Was ist das überhaupt für ein Typ?"

Carsten Kulawik hat in seinem Buch zahlreiche wunderbare Geschichten und Anekdoten von langjährigen Weggefährten und großartigen Persönlichkeiten des Fußballs zusammengetragen. Für den Autor selbst war Rudi Assauer ein ganz besonderer Mensch: "Als ich 14 war, sind Rudi Assauer und ich uns das erste Mal begegnet und haben uns seitdem nie aus den Augen verloren. Für mich war Rudi ein unvergleichlicher Ratgeber, Mentor, Motivator, Herzensmensch. Wir haben Geburtstage zusammen gefeiert, Fußballspiele besucht, über Schalke philosophiert, oft telefoniert. Auch als seine Erinnerungen verblassten, haben wir uns regelmäßig gesehen."

Assauer lästert sogar über den Kanzler

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Neben vielen bekannteren Geschichten sticht besonders eine, bisher so noch nicht öffentlich erzählte, Anekdote hervor. Im Jahr 2000 waren einige hochrangige Bundesliga-Vertreter wegen einer speziellen Angelegenheit zu Gast im provisorischen Amts- und Wohnsitz des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in Berlin-Grunewald, wie Kulawik mit Unterstützung von Reiner Calmund berichtet: "Der Kanzler und Assauer gönnen sich nach den erfolgreichen Verhandlungen jeweils eine Zigarre, als Schröder sagt: 'Du musst mal eine von meinen Cohibas rauchen. Das ist die beste Zigarre der Welt.' 'Ich bleibe lieber bei meinen Davidoff. Die sind viel besser.' Eine Stunde später, bei der nächsten Zigarre, versucht es der Kanzler noch einmal: 'Komm, nimm eine von meinen, die sind Weltklasse!' 'Nein, ich habe Angst.' 'Warum denn das?' Assauer entgegnet: 'Ich habe Angst davor, dass ich dann genau so lispele wie du.'"

Der Junge vom Hertener Katzenbusch duzt den Bundeskanzler. Eine Schmerzfreiheit, die er von Kindesbeinen an erlernt und hier auf die Spitze treibt. Reiner Calmund erzählt diese Anekdote mit Vergnügen. Er fragt Schröder sogar, ob er diesen fast privaten Wortwechsel wiedergeben darf. Der Altkanzler willigt ein. 'Calli' kann bis heute nicht glauben, was er an diesem Abend in Berlin hört. 'Das haut Rudi einfach raus. Beim Bundeskanzler, in dem Amt! Die Geschichte sollte ich ihm danach auch immer wieder erzählen, er hat sie gern gehört.'"

Quelle: ntv.de

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