Redelings Nachspielzeit

Klassiker gegen Niederlande Die fiesen Duelle mit unserem Lieblingsrivalen

Frank Rijkaard zieht Rudi Völler an den Haaren.

Frank Rijkaard zieht Rudi Völler an den Haaren.

Morgen Abend findet das ewig junge Derby zwischen den Niederlanden und Deutschland eine weitere Neuauflage. Spätestens mit dem legendären WM-Finale von 1974 in München sind die beiden Nachbarländer zu echten Lieblingsrivalen geworden - und daran ist so manch kuriose Geschichte schuld!

Heute reden wir immer noch gerne von dem Moment, als Bernd Hölzenbein am 07. Juli 1974 für einen Moment im niederländischen Strafraum aus dem Tritt geriet - und stürzte. Den anschließenden Elfmeter verwandelte Paul Breitner. Der Rest ist Geschichte. Doch was die wenigsten Fußballfans in Deutschland wissen - in den Niederlanden erzählt man sich auch heute noch in eingeweihten Kreisen von einer anderen Wahrheit dieses unvergesslichen Finalspiels. Denn die Niederlage der Oranje-Elf hatte eine pikante Vorgeschichte. Es ist die berühmte Legende von der "Krautkrämer-Affäre".

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Einige Tage vor dem Endspiel in München titelte die "Bild"-Zeitung: "Cruyff, Sekt, nackte Mädchen und ein kühles Bad!" Angeblich sollen sich damals die Nationalkicker Johan Cruyff, Rob Rensenbrink, Piet Schrijvers und Pleun Strik mit "drei knusprigen Mädchen" und viel Alkohol bis in den frühen Morgen hinein nackt im Swimmingpool des Hotel Krautkrämer in Münster Hiltrup mit "fröhlichen Wasserspielen" vergnügt haben. Ein Eklat, der besonders dem verheirateten Superstar der niederländischen Nationalelf, Johan Cruyff, große Probleme bereitete.

Denn nachdem die Story am 5. Juli 1974 auch in den Niederlanden erschienen war ("'Alkohol und Frauen'-Gerücht bedroht nun auch Oranje"), musste der große Mittelfeldregisseur in stundenlangen Telefonaten seine Ehefrau Danny beruhigen. In den Nächten vor dem Finale schlief Cruyff wenig und trabte stattdessen rauchend im Hotelzimmer hin und her. Sein Schlafgenosse Johan Neeskens verzweifelte am nervösen und Kette rauchenden Star. Zum Endspiel erschien Cruyff schließlich übernächtigt und "mental todmüde", wie er später selbst einmal sagte, auf dem Rasen des Münchener Olympiastadions.

Die Sache mit dem Thon-Trikot

Ronald Koeman nimmt Rache.

Ronald Koeman nimmt Rache.

(Foto: imago images/Laci Perenyi)

In all dem Treiben sah Bondscoach Rinus Michels eine Kampagne des deutschen Boulevards und sprach von "Krieg" ("Im Moment gibt es Krieg, und Krieg ist Krieg. Sonntag nach dem Spiel herrscht wieder Friede"). Allerdings sagte er dies nur auf Niederländisch. Denn nach der Veröffentlichung der pikanten Story in der "Bild" hatte Michels seine durchaus vorzeigbaren Deutschkenntnisse offenbar komplett vergessen. Den niederländischen Journalisten versuchte der Trainer allerdings betont gelassen gegenüberzutreten. Über das nächtliche Nacktbaden sagte er: "Nicht so schlimm. So weiß ich wenigstens, dass Johan und die anderen gesund sind." Doch das war nur die halbe Wahrheit. Rinus Michels wusste zu diesem Zeitpunkt genau, was die Affäre möglicherweise für schwere Konsequenzen für ihn und sein Team haben könnte. Und leider - aus niederländischer Sicht - behielt der Bondscoach Recht. Seit diesen Tagen im Juli 1974 spielt sich die Rivalität zwischen den beiden Nationen auf einem ganz anderen Level ab.

Vierzehn Jahre später sollte es schließlich zur langen erhofften "Endlich Rache!" ("De Telegraaf") der Niederländer kommen. Bei der Europameisterschaft 1988 stand wieder Rinus Michels am Seitenrand für die Oranje-Elf. Doch sein Team auf dem Rasen brauchte er erst gar nicht zu motivieren. Wie für Torhüter Hans van Breuckelen war für viele Spieler die Erinnerung an 1974 noch präsent: "Ich war damals 17 und saß in mein orangefarbenes Shirt gehüllt vor der Röhre. Ich weiß noch gut, wie krank ich mich nach dem Spiel fühlte."

Dass diese Emotionen teilweise auch zu weit gingen, verkörperte am Tag des Halbfinals im Hamburger Volksparkstadion niemand anschaulicher als Ronald Koeman. Hinterher sprach er von "echten Hassgefühlen", die ihn und seine Kameraden angetrieben hätten. Und nicht jeder hatte sich nach dem historischen Sieg über Deutschland unter Kontrolle. Der niederländische Starspieler selbst war es, der sich nach dem Spiel zu einer törichten Aktion hinreißen ließ. Völlig zurecht sorgte sie für viel Empörung und fette Schlagzeilen. Schließlich hatte sich der blonde Abwehrspieler demonstrativ und feist grinsend mit dem Trikot von Olaf Thon den Hintern abgeputzt. Da die Bilder von diesem Moment um die Welt gingen, musste Koeman anschließend dazu Stellung beziehen: "Dumm. So etwas kann man nicht machen. Aber ich habe das Shirt sorgfältig gewaschen und als Andenken an einen unvergesslichen Sieg aufbewahrt."

Rijkaard findet kein Ende

Bei all diesen unschönen Erinnerungen ist es nur zu verständlich, dass das Achtelfinalspiel zwischen den beiden Nationen nur zwei Jahre später bei der WM 1990 in Italien emotional total aufgeladen war - und fast schon zwangsläufig in einem Eklat enden musste. Dass Frank Rijkaard damals Rudi Völler in die Haare spuckte, wissen eigentlich alle Fußballfans. Doch dass der Niederländer nach dem Herunterstellen von ihm und Völler auch Minuten später in den Katakomben noch weitermachte und es dadurch zu weiteren hässlichen Szenen kam, ist nur wenigen bekannt.

Zum Autor

Rudi Völler selbst schilderte in seinem Abschiedsbuch nach der aktiven Laufbahn ("Ruuuuudi. Mein Leben, meine Karriere, meine Geheimnisse") die dramatischen Minuten so: "Ich registriere nicht die ganzen FIFA-Leute. Ich höre nur Frank Rijkaard. Sehe, wie er langsam die Treppe hochkommt. 'Frank, warum nur? Warum du?' Ich frage ihn, suche nach einer Erklärung. Er geht an mir vorbei, packt mich am Hals, schubst mich weg. Da bin ich explodiert. Es gibt ein richtiges Handgemenge. Ich schlage, er schlägt. Meine ganze Wut muss einfach raus. Betreuer stürzen sich dazwischen. Ich mache mich los, flüchte in die Kabine. Die Tür fällt ins Schloss. Draußen davor poltert Rijkaard. Bearbeitet mit Fäusten und Tritten die Kabinentür, bis auch er von seinen Betreuern in die Kabine gezogen wird."

Nach diesem auch sportlich herausragenden Höhepunkt bei der WM 1990 hat sich das Verhältnis zwischen den beiden Nationen wieder etwas beruhigt. Doch auch heute noch ist dieses Spiel zwischen den Niederlanden und Deutschland etwas ganz Besonderes. Denn unser Nachbar im Westen bleibt so oder so einer unserer absoluten Lieblingsrivalen.

Quelle: ntv.de

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