Redelings Nachspielzeit

Königsblauer Komödienstadl Die sagenhafte Geschichte vom Hunde-Skandal auf Schalke

Günter "Oskar" Siebert hat eine turbulente Schalker Vergangenheit.

Günter "Oskar" Siebert hat eine turbulente Schalker Vergangenheit.

(Foto: imago stock&people)

Günter Siebert ist eine Schalker Legende. 1958 holte er mit seinem Klub die letzte deutsche Meisterschaft der Königsblauen. Danach fungierte er lange als Manager und Präsident. 1987 kam er nach einer längeren Auszeit zurück. Doch bei seiner Wiederwahl gab es Unregelmäßigkeiten.

"Immer wenn's im Verein brennt, liegt der Oskar inne Sonne." Eigentlich war mit dieser Schlagzeile in einer großen deutschen Sportillustrierten das Schicksal der Schalker Legende Günter "Oskar" Siebert bereits besiegelt. Denn obwohl keine Wahlen anstanden, zwangen die Mitglieder ihren langjährigen Manager und Präsidenten Mitte September 1988 zum Rücktritt. Der geleaste weiße BMW 735 mit weißen Lederpolstern, mit dem Siebert rund um den Schalker Markt cruiste, war letztendlich nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Denn der Meisterspieler von 1958 hatte unterschätzt, dass sein berufliches Standbein in der Ferne - eine Kneipe auf der Sonneninsel Gran Canaria - von seinen Gegnern gegen ihn ausgespielt werden würde. Und so erklärte Siebert am 19. September 1988 tief enttäuscht seine Zeit beim FC Schalke 04 für beendet und schob noch trotzig hinterher: "Da macht man hier als Ehrenamt einen Fulltime-Job und muss sich von jedem öffentlich runterputzen lassen."

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Erst anderthalb Jahre zuvor war Siebert nach einer längeren Auszeit auf den Präsidentenposten zurückgekehrt. Es sollte eine turbulente achtzehnmonatige Amtszeit werden. Schon der Tag seiner Wahl, im Februar 1987, verlief überaus ereignisreich - und sollte dem treuen Gelsenkirchener Hund mit dem schönen Namen Hasso eine ungeahnte Berühmtheit verschaffen.

Damals duellierten sich der ehemalige Manager Rolf Rüssmann und der Präsidentschaftsanwärter Oskar Siebert auf der Jahreshauptversammlung mit gezielten Attacken deutlich unter der Gürtellinie. Typisch Schalke, wie es früher lebte und pöbelte. Die anschließende Wahl gewann der braungebrannte Kneipenwirt von der damaligen Rentnerinsel Gran Canaria mit der knappen Mehrheit von 37 Stimmen vor seinem Gegenkandidaten Volker Stuckmann.

Im Stile eines Konrad Adenauers ("Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern") ignorierte Siebert dabei großzügig seine eigenen Vorgaben. "Mindestens 60 Prozent brauche ich", hatte das Schalker Original vorher noch lauthals getönt. Schließlich reichten ihm auch die knapp über 50 Prozent, um trotzig in den aufgeheizten königsblauen Hexenkessel zu brüllen: "Ich, Euer Oskar Siebert, nehme die Wahl an!"

Doch die Geschichte hatte ein Nachspiel. Wenige Tage nach der Jahreshauptversammlung riss Hund Hasso beim Spielen mit seinem Herrchen auf dem Gelände der Gelsenkirchener Mülldeponie herumliegende Säcke wahllos auf. Und was erblickte da auf wundersame Weise und völlig unbeabsichtigt noch einmal das Licht dieser Welt? Das feine Näschen des braven Hasso ließ neben abgenutzten Pilstulpen und halben Fleischfrikadellen auch ungezählte Abstimmungskarten der letzten JHV aus den Müllsäcken herausquellen.

Damit war der Skandal perfekt. Eigentlich. Denn Schalke wäre nicht Schalke, wenn man unbürokratisch und ohne viel Aufhebens zu machen, die Sache schnellstmöglich gelöst hätte. Wie? Ganz einfach. Man kaufte neue, deutlich reißfestere Säcke und packte die Kärtchen - diesmal wirklich für immer - zurück in den Müll.

Harmonische Versammlung, turbulentes Nachspiel

Trotz einiger öffentlich ausgetragener Schlammschlachten hielt sich Günter Siebert über einige Monate tapfer im Amt - doch dann kam der 19. September 1988, der Tag, an dem sich das Kapitel des braungebrannten Oskar auf Schalke endgültig schloss. Nachdem seine Kritiker an diesem Abend nicht lockergelassen hatten, hatte sich Siebert dazu entschlossen, die Vertrauensfrage zu stellen - und die ging gründlich daneben. Das Ergebnis der Abstimmung war eindeutig und führte schlussendlich zu Sieberts Rücktritt. Es mussten Neuwahlen her. Und dieser Abend, es war der 21. November 1988, sollte schließlich dazu führen, dass sich der FC Schalke 04 endgültig selbst übertreffen sollte.

Da man bereits im Vorhinein eine aufgeheizte Stimmung erwartet hatte, gab es in der gesamten Halle während der Mitgliederversammlung ausschließlich alkoholfreies Bier. Und tatsächlich: Es funktionierte! Eine sehr sachliche, fast nüchterne Atmosphäre auf der Jahreshauptversammlung war die Folge. Keine Streitereien, keine schmutzige Wäsche, keine lustigen Szenen für die versammelte sensationslüsterne Presse. Am Ende des Abends war "Mister Unbekannt", ein gewisser Michael Zylka ("Da habe ich gedacht, gehst du einfach mal hin und stellst dich vor"), der neue Präsident eines der größten Vereine Europas. Und da die Veranstaltung so harmonisch abgelaufen war, machte Zylka seinen unterlegenen Gegenkandidaten und dessen Kollegen gleich noch eben schnell zu seinen Stellvertretern. Schalke war auf dem besten Wege, zu einem grundsoliden Verein zu werden.

Doch schon drei Tage später kam die "Rettung" für den Skandalklub. Michael Zylka legte nach rekordverdächtigen 72 Stunden im Amt seine Position als Präsident des FC Schalke 04 nieder. Zylka, der sich auf der Jahreshauptversammlung als Betriebswirt vorgestellt hatte, war tatsächlich Berufssoldat und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums im sogenannten "sicherheitsrelevanten Bereich". Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die alarmierte Boulevardpresse. Sie nannte den Präsidenten fortan süffisant einen "Geheimdienstler" und fragte sich amüsiert, ob der neue prominente Posten beim FC Schalke 04 eine wirklich so geglückte Tarnung im Kalten Krieg sei.

"Erst James Bond, dann Professor Brinkmann"

Was folgte waren natürlich erneut Neuwahlen. Und in diesem Chaos sollte die Stunde einer ganzen Armee von Kandidaten gekommen sein. Wer zwei Beine und einen gültigen Ausweis hatte, fühlte sich berufen, bei der Jahreshauptversammlung anzutreten. Rentner Hans Bitzkowski hatte sein Sparschwein zerlegt und wollte dem Verein eine viertel Million Mark schenken - "also 250.000", wie er für die weniger mathematikbewanderten Schalker erklärte -, allerdings nur dann, wenn er auch tatsächlich gewählt würde. Aber außer Kohle hatte der gute Mann anscheinend nicht viel zu bieten.

Anders der eloquente Büttenredner Dieter Koslowsky (hieß tatsächlich so). Der Jungspund und Brillenträger haute bei der Vorstellung seines Wahlprogramms eine Pointe nach der nächsten raus. Der absolute Brüller in seinem Repertoire war der Witz, als er einmal vom beliebten Schalker Knuddelbären Charly Neumann gefragt wurde, ob er denn den Unterschied zwischen dem Schalker Verwaltungsrat und einer Waschmaschine kenne. Koslowsky tat natürlich um des guten Witzes willen so, als ob er das nicht wüsste. Und darüber freute sich Charly wiederum ganz doll, denn so konnte er die Pointe auch noch selbst verraten: "Eine Waschmaschine kann man entkalken!"

Am Ende des wieder einmal herrlich komischen Spektakels hatten sich die Mitglieder auf den Besitzer mehrerer Krampfadernkliniken als neuen Präsidenten geeinigt. Der spätere "Sonnenkönig" Günter Eichberg hatte die Schalker Herzen im Sturm erobert. Günter Siebert kommentierte die Wahl des neuen Präsidenten noch am Abend süffisant mit diesen Worten: "Erst hatten wir James Bond, jetzt kommt Professor Brinkmann." Und tatsächlich ahnte an diesem Abend noch niemand, welch ereignisreiche Zeiten den Königsblauen ab sofort noch bevorstanden.

Quelle: ntv.de

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