
Lothar Matthäus war einst ein zuverlässiger Bonmot-Lieferant.
Alljährlich kürt die "Deutsche Akademie für Fußball-Kultur" den Spruch des Jahres. Seit 2006 waren klangvolle Namen wie Udo Lattek, Manuel Neuer oder Lukas Podolski unter den Gewinnern. Nun geht es wieder an die Vorentscheidung - und da liegt Ex-ZDF-Kommentator Béla Réthy momentan ganz weit vorne.
"So ist Fußball. Manchmal gewinnt der Bessere." Das ist der erste Gewinner des "Fußballspruch des Jahres" der "Deutschen Akademie für Fußballkultur" im WM-Jahr 2006 gewesen. Publikumsliebling Lukas Podolski hatte diese wunderbare, philosophische Sentenz geäußert. Seit damals befindet sich der Wahl-Kölner mit seinen Sprüchen über all die Jahren hinweg immer wieder auf den vorderen Plätzen. Und fast hätte sich Podolski 2006 selbst geschlagen, denn auch eine andere Äußerung des Nationalspielers hatte für viel Anklang gesorgt: "Doppelpass alleine? Vergiss es!"
Nachdem Podolski im ersten Jahr eher zufällig die hohe Kunst der Entschlüsselung der fußballerischen Weisheit bedient hatte, landete der damalige Nürnberger Trainer, Hans Meyer, mit seiner feinen Äußerung einen Start-Ziel-Sieg: "In schöner Regelmäßigkeit ist Fußball doch immer das Gleiche." Damals schlug der frischgebackene DFB-Pokalsieger sogar einen anderen Großmeister der Fußballsprüche, Mehmet Scholl. Der Bayernstar verabschiedete sich im Sommer 2007 mit diesen legendären Sätzen in den Ruhestand als Profifußballer: "Wir werden was trinken und dann heulen wir alle. Dann tauschen wir die Frauen und dann geht`s weiter…"
"Vielleicht heißen wir deshalb die Knappen"
Das Jahr 2008 war geprägt durch die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz. Folgerichtig konnte mit Josef Hickersberger der aktuelle Trainer des damaligen Gastgebers Österreich den Titel bei der anschließenden Nürnberger Gala einheimsen. Das große Gespür Hickersbergers für Ironie war übrigens nicht nur in seinem Gewinnerspruch zu bemerken: "Wir haben nur unsere Stärken trainiert, deswegen war das Training heute nach 15 Minuten abgeschlossen."
Besonders schön an der immer wieder beeindruckenden Auslese an Sprüchen ist, dass auch vermeintlich längst vergessene Helden des Fußballs aus vergangenen Tagen zu Wort kommen. Der frühere "König vom Stimberg" und Wunderstürmer der SpVgg Erkenschwick, Jule Ludorf, hatte in einem Interview einen Satz gesagt, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Typisch für den ehemaligen Bergmann und symptomatisch für das Revier hatte er gemeint: "Ich war ein konsequenter Hasser von Alkohol und Nikotin, aber ich war nicht gegen Rotwein."
Im Jahr 2009 gab es bei der Wahl zum "Fußballspruch des Jahres" ein absolutes Novum. Bei der Gala konnte sich das Publikum einfach nicht auf einen Sieger einigen - und so wurden am Ende zwei Spieler ausgezeichnet. Einer von Borussia Dortmund und der andere vom Erzrivalen FC Schalke 04. Die beiden Weisheiten waren allerdings auch zu schön, als dass man sich auf einen Gewinner hätte festlegen können. Der Dortmunder Neven Subotic hatte gesagt: "Er muss ja nicht unbedingt dahin laufen, wo ich hingrätsche." Und der königsblaue Manuel Neuer hatte gemeint: "Wir schießen so wenig Tore, vielleicht heißen wir deshalb auch die Knappen."
Auffallend ist, dass die Gewinnersprüche stets den Zeitgeist und die größten Unterhalter der Liga widerspiegeln. So fasste Udo Lattek im Jahr 2010 die Situation beim 1. FC Köln mit diesem Satz sehr treffend zusammen: "Im Kölner Stadion ist immer so eine super Stimmung, da stört eigentlich nur die Mannschaft." Und Jürgen Klopp fing die Lage rund um die damalige WM und Bundestrainer Joachim Löw ebenfalls mit einem einzigen Satz wunderbar ein: "Ich mag Jogi - ich benutze sein Deo, sein Shampoo."
Von Kühen und Schweinen ...
"I think we have a grandios Saison gespielt" von Roman Weidenfeller war der passende Spruch zum Meisterjahr 2011 des BVB. Locker, flockig, frei von der Leber weg. Ähnlich wie der Gewinner des Jahres 2012. Doch Mehmet Scholls Worte über Mario Gomez nach einem mühsamen 1:0-Auftaktsieg der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft gegen Portugal hatten damals für viel Aufsehen und Aufregung gesorgt: "Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wund liegt und mal gewendet werden muss." Deshalb war die Wahl zum Fußballspruch des Jahres fast schon eine kleine Sensation.
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Ebenso verwunderlich ist übrigens, dass einer der Großmeister der freien Rede, Lothar Matthäus, noch nicht unter den Gewinnern war. Obschon natürlich seine Sprüche für die Ewigkeit - "Eine Ehe ist wie ein Fußballspiel: Man weiß nie, wie es ausgeht" oder auch "Wäre, wäre, Fahrradkette" - immer wieder auf den vorderen Rängen landeten.
Dass auch die Fans durchaus Gehör bei der Wahl zum "Fußballspruch des Jahres" finden, sieht man unter anderem an diesen zwei wunderbaren Sentenzen der Schalker. Im Jahr 2012 hing ein Transparent im Stadion mit dem Satz: "Datt mit Raúl erzähl ich meine Enkel!" und 2017 befestigten die Anhänger zum Schluss der Saison ein Plakat mit folgendem Inhalt am Zaun: "Wir danken der Mannschaft, dass sie uns auch in dieser Saison so zahlreich hinterhergereist ist." 2017 war übrigens auch das Jahr, als eine große Nachwuchshoffnung des deutschen Fußballs erstmal auch verbal bundesweit in Erscheinung trat. Julian Nagelsmann musste damals als Hoffenheim-Trainer mitansehen, wie die Bayern ihm Rudy und Süle wegkauften. Doch Nagelsmann reagierte nicht nur erstaunlich gelassen, sondern auch sehr humorvoll: "Ein Bauer muss sich auch mal von seinen Kühen und Schweinen trennen - auch wenn er eine gute Beziehung zu ihnen hat."
"Ich stelle nach Schwanzlänge auf"
Auffallend ist, dass die Sprüche in den letzten Jahren vermehrt politisch geprägt sind. Bereits 2019 hatte Leon Goretzka mit seinen Sätzen nach rassistischen Äußerungen einiger Fans beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Serbien in Wolfsburg Gewinnerchancen: "Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage nach der Nationalität mit Schalke, Dortmund oder Bochum." Am Ende holte aber wieder eine spaßige Sentenz den Titel. Erstmals konnte jedoch mit Imke Wübbenhorst eine Frau gewinnen. Die erste Trainerin einer Oberligamannschaft der Männer hatte auf die Frage, ob sie eine Sirene auf dem Kopf tragen werde, damit ihre Spieler schnell noch eine Hose anziehen könnten, bevor sie in die Kabine komme, gesagt: "Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf."
Nur ein Jahr später setzte sich dann aber der damalige HSV-Coach Daniel Thioune mit seinen Gedanken rund um seinen Spieler Bakery Jatta durch: "Wer es nicht schafft, gegen den HSV zu punkten, sollte nicht auf dem Rücken eines Flüchtlings, der niemandem etwas getan hat, versuchen, einen Vorteil herauszuholen, sondern besser auf die eigenen Fehler schauen."
Nun werden auch in diesem Jahr wieder die preisverdächtigen Sprüche des Jahres gesucht - und alle Fans sind von der "Deutschen Akademie für Fußball-Kultur" herzlich eingeladen, ihre Favoriten einzusenden. Aktuell ist sicherlich der Spruch des scheidenden ZDF-Kommentators Béla Réthy einer der ganz großen Favoriten auf den Titel: "Wenn du bei Simeone bei Atlético spielst, grätscht du auch den Postboten weg, wenn der morgens zu früh kommt." Doch die Bundesliga-Saison ist ja noch lange nicht durch - und im Sommer wartet schließlich auch noch die WM der Frauen. Oder wie es der Gewinner des Jahres 2021, Steffen Baumgart, wohl sagen würde: "Ein Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter pfeift und ich nicht mehr brülle."
Quelle: ntv.de