Redelings Nachspielzeit

"Luftikus" Eike Immel Die teuflische Sehnsucht nach Anerkennung

Eike Immel, einer der besten Torhüter seiner Zeit.

Eike Immel, einer der besten Torhüter seiner Zeit.

(Foto: imago images/Sven Simon)

Nationaltorhüter Eike Immel wusste auf dem Platz (fast) immer, was er zu tun hatte. Er war einer der besten Keeper seiner Zeit. Doch abseits des Rasens "flutschte ihm irgendwann das Glück durch die Finger", wie der Autor seiner Biografie über ein Leben "zwischen Genie und Wahnsinn" jetzt schreibt.

Irgendwann war der Punkt in seinem bewegten Leben erreicht, an dem Eike Immel sich selbst eingestehen musste: "Ich habe davon gelebt, dass es mir schlecht ging." Es war die Zeit, in der der ehemalige Nationaltorhüter hohe Summen in Talkshows und von Boulevardzeitungen kassierte, wenn er über seine Laster und Verfehlungen erzählte. Dass dieser begnadete Fußballer, der in seiner Karriere unfassbares Geld verdient hat, überhaupt in die Not kam, diese unregelmäßigen "Almosen" der Medien anzunehmen, davon erzählt das gerade erschienene Buch mit dem schlichten Titel "Eike Immel. Die Biografie" von Gregor Schnittker.

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Lothar Matthäus möchte bei seinem Interview für das Buch gleich am Anfang etwas loswerden: "Was ich zuerst sagen muss: Eike war ein Riesentorhüter und auch ein richtig guter Typ. Wir haben immer viel Spaß gehabt bei der Nationalmannschaft." Das, was Matthäus da sagt, wird man in Immels Biografie immer wieder lesen. Unbestritten gehört der Mann aus dem kleinen, hessischen Örtchen Erksdorf zu den absoluten Toptorhütern, die es in Deutschland je gab. Und wäre Immel nach der EM 1988 nicht in einer Kurzschlussaktion aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, wäre er wohl zwei Jahre später anstatt von Bodo Illgner Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft geworden.

"Er war aber immer auch ein bisschen ein Luftikus"

Tatsächlich würde keiner seiner ehemaligen fußballerischen Weggefährten wohl je ein schlechtes Wort über den Typen und Menschen Immel verlieren. Er war stets bei Fans und Kollegen gleichermaßen beliebt. Doch gleich im nächsten Satz spricht Matthäus eine weitere Seite, eine weitere Wahrheit aus Immels Leben an: "Er war aber immer auch ein bisschen ein Luftikus. Wirtschaftlich hat man das damals schon gemerkt. Erstes Gehalt, erster Porsche. Er hat auch beim Pokern Geld verloren."

"Geld" ist auch das alles entscheidende und bestimmende Thema des Buchs. Eike Immel hat in seiner Kindheit zu Hause nie gelernt, vernünftig damit umzugehen. Ein Freund früherer Tage erzählt: "Eike war immer sehr freizügig mit Geld. Vielleicht dachte er auch, er könne sich mit Geld oder Geschenken Sympathien erkaufen. Das war damals schon so, dass er Probleme hatte, mit Geld umzugehen. Er war sehr spendabel. Er hätte jemanden an seiner Seite gebraucht, der diese Dinge regelt. Sein Vater aber war wie Eike. Der kam zu uns ins Sporthaus Schmidt und hat für ganz Stadtallendorf eingekauft."

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Das ging so lange gut, wie Eike Immel kein Geld hatte. Doch als er schon als 17-Jähriger sein erstes Bundesligaspiel für den BVB gegen die Bayern bestritt, begann eine neue Zeitrechnung. Lothar Matthäus weiß, wie es ist, wenn der Ruhm eigentlich viel zu früh auf einmal da ist: "Du kommst vom Dorf. Du verdienst plötzlich sehr viel Geld. Du bist auf einmal in einer völlig anderen Welt. Du wirst umjubelt. Es kommen Fragen auf dich zu, die kannst du noch gar nicht einschätzen. Du kaufst dir eine Rolex, ein teures Auto, nimmst alles mit, spielst Karten und gibst aus, was du hast. Dann berichten die Zeitungen. Das ist schwierig. Aber du musst auch wissen, was ein Kilo Äpfel kostet oder eine Butterbrezel."

Vielleicht hat Eike Immel damals sogar gewusst, was das Leben kostet - aber im Grunde war es ihm auch egal. Sein neues Ich hatte andere Prioritäten ("Ich wollte gerne dazugehören") und so sprach er zu seinem Berater zwei entlarvenden Sätze: "Ich hatte zu ihm leichtfertig gesagt, dass er mit meinem Geld machen kann, was er will. Es musste nur immer sichergestellt bleiben, dass ich 20.000 Mark in der Tasche habe und einen Porsche Turbo fahren kann."

Das Leben eines Popstars

Das Leben abseits des Platzes ist anschließend Stoff für einen unterhaltsamen Spielfilm. Zwielichtige Gestalten, schöne Frauen, Unfälle mit teuren Autos. Eike Immel lebte das Leben eines Popstars - und ließ nichts aus. Natürlich verspekulierte er sich, wie so viele Fußballprofis zu dieser Zeit, mit Immobilien und gab immer mehr aus, als er einnahm. Im Buch wird erzählt, dass ein Fahrer von der Bank an Spieltagen "30.000 Mark brachte, damit Eike Rechnungen bezahlen konnte." Es entwickelte sich eine Abwärtsspirale, die der Torhüter schon früh nicht mehr steuern konnte, wie er selbst berichtet: "Bei uns im Haus konnte niemand mit Geld umgehen, und ich habe das von Anfang an mitgekriegt. Ich habe dann in Dortmund viel falsch gemacht, auch weil die Bindung zum Elternhaus fehlte. Mein Vater fragte mich, was ich mit dem Geld mache, er wolle sich kümmern. Aber ich dachte, wenn der sich kümmert, ist ja erst recht alles weg."

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Lothar Huber, sein Kapitän bei der Borussia, sah, was mit Eike Immel - dem begnadeten Jungtorhüter vom Dorf - in der Ruhrgebietsstadt mit Traditionsverein passierte: "Aber das große Problem war natürlich, dass er schon in so jungem Alter allein war. Er kam irgendwann auch in schlechte Gesellschaft. Er fing an zu zocken, nicht nur mit uns, seinen Kollegen aus der Mannschaft." Es sind die Tage, an denen das Leben des Eike Immel aus dem Ruder lief. Und vielleicht musste es zwangsläufig so kommen, wie Immel selbst sagt: "Ich habe dann in Dortmund viel falsch gemacht, auch weil die Bindung zum Elternhaus fehlte."

Ein Riesenfehler bei Fenerbahce

Das Buch ist ein emotionaler Ritt durch ein wildes, ereignisreiches Leben. Es ist eine schonungslose Aufarbeitung vieler Verfehlungen. Exemplarisch dafür steht eine Geschichte aus Istanbuler Tagen. Immel war dort bei Fenerbahce Torwarttrainer unter Christoph Daum - und leistete sich in seiner finanziellen Not einen unverzeihlichen Fauxpas. Damals konkurrierten zwei Keeper um den Platz im Tor. Einer von ihnen war Rüştü Reçber: "Ich stand beim Rüştü auch in der Schuld, denn der hatte mir Geld gegeben. Ich war in Schwierigkeiten und lieh mir 27.000 Dollar von ihm. Das war scheiße und auch belastend, weil ich ja neutral bleiben muss als Torwarttrainer. Die Geschichte kam raus, das gab natürlich einen Riesenärger. Ich hätte das Geld niemals nehmen dürfen. Mir war klar, dass die Bombe irgendwann platzt." Christoph Daum, auch wenn er heute noch nicht explizit über diese Sache reden möchte, beglich damals die Schulden von Immel - und entließ ihn anschließend tief enttäuscht.

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Das Buch zeigt einen Menschen, der immer noch eine teuflische Sehnsucht nach Anerkennung in sich trägt. Eine Sehnsucht, die immer noch nicht befriedigt wird. Und dafür gibt es, laut Immel, stets denselben Grund: "Da werden Dinge behauptet, die einfach nicht stimmen, und dann merke ich immer, dass es mir gegenüber einfach an Respekt fehlt. Wenn ich Kohle hätte und ich könnte hier und da mal ein paar Scheine auf den Tisch legen, dann wären alle ganz anders zu mir. Es reicht nicht, der Nationalspieler zu sein, ein deutscher Meister, einer der besten Torhüter. Es dreht sich immer ums Geld und wenn du keines hast, dann bekommst du keinen Respekt. Dann bist du ein Niemand." Doch bei allem Wehklagen ist es Immel hoch anzurechnen, dass er für seine eigene Situation niemand anderes als sich selbst zur Rechenschaft zieht: "Wenn ich heute Bilanz ziehe und sehe, wie es um mich steht, dann ist das am Ende alles hundertprozentig meine eigene Schuld."

Und so fasst auch der Autor seiner überaus lesenswerten Biografie, Gregor Schnittker, das Leben des Eike Immel treffend in zwei Sätzen zusammen: "Irgendwann flutscht Eike trotz seiner fußballerischen Genialität das Glück durch die Finger. Er konnte es nicht festhalten und den Spielaufbau, die Lebensplanung sinnvoll einleiten." Doch man muss auch sagen: Hätte er das gekonnt, wäre es wohl nie zu diesem Buch gekommen.

Quelle: ntv.de

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