Redelings Nachspielzeit

Fiese Schwalbe zerstörte Traum "Linkes Ding" raubte dem BVB die Meisterschaft

Kutowski und Frankfurts Anthony Yeboah verpassten letztlich die Meisterschaft.

Kutowski und Frankfurts Anthony Yeboah verpassten letztlich die Meisterschaft.

Eingefleischte Fußballfans werden diese Szene nie vergessen. Vor dreißig Jahren hat Borussia Dortmund gerade 19 Spiele hintereinander nicht verloren und steht kurz vor der Meisterschaft. Dann hebt ein junger Nürnberger im BVB-Strafraum ab - und die Saison erfährt eine dramatische Wende.

"Ein absoluter Schwalbenkönig, dieser Wück. Ich werde wahnsinnig, wenn uns dieses linke Ding die Meisterschaft kostet." Dortmunds Günter Kutowski wollte sich auch eine halbe Stunde nach Spielschluss immer noch nicht beruhigen. Minuten zuvor hatte er gegen die Kabinentür getreten - und anschließend geweint. Es waren Tränen der Wut. Wochen später sollte sich Kutowskis böse Vorahnung schließlich bestätigen. Der BVB war nach diesem 31. Spieltag der Saison 1991/92 auf Rang drei abgerutscht. Zum Schluss der Saison verloren die Dortmund schließlich das Meisterschaftsrennen in einem dramatischen Finish. Am Ende fehlten dem BVB einige Tore - oder eben genau dieser eine Punkt.

Auch ZDF-Reporter Rolf Töpperwien redete in seiner TV-Zusammenfassung nach dieser denkwürdigen Szene in der 11. Minute der Partie des 1. FC Nürnberg gegen Borussia Dortmund im April vor dreißig Jahren nicht lange drumherum: "Das war eine Schwalbe!" Und auch Millionen Fußballfans zu Hause an den Bildschirmen waren sauer. Der Jungstar des Clubs, Christian Wück, war im Strafraum der Dortmunder nach einer Grätsche des BVB-Abwehrrecken Günter Kutowski erst noch ein, zwei Meter weitergelaufen, bis er plötzlich aus dem Tritt geriet und schnellen Bodenkontakt suchte. Prima Haltungsnoten, keine Frage, aber auch grob unsportlich, wie Christian Wück nach der Partie ungewohnt offenherzig einräumte: "Ich hätte weiterlaufen können. Plötzlich bin ich halt dort gelegen."

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Der "schwache" ("Kicker") Schiedsrichter Hans-Jürgen Kasper aus Katlenburg leistete sich an diesem Abend insgesamt "drei gravierende Fehlentscheidungen". Hinterher musste er allerdings besonders für seinen ersten Fauxpas geradestehen. Und obwohl die Bilder eindeutig waren, bestritt er einen Fehler gemacht zu haben. Immerhin räumte er ein: "Zugegeben: Wück ließ sich theatralisch fallen."

Buchwald löst Katzenjammer aus

Doch das nützte dem BVB, der zuvor in 19 Spielen ungeschlagen geblieben war und als hoffnungsvoller Tabellenführer nach Franken gereist war, anschließend nichts mehr. Die Mannschaft geriet durch den relativ frühen Rückstand - der Argentinier Sergio Zarate hatte den fälligen Elfmeter sicher zur 1:0-Führung für den Club verwandelt - zunächst völlig aus dem Tritt und kassierte am Ende, trotz einer sehr starken zweiten Hälfte, eine 2:1-Niederlage, die schmerzte, wie Michael Zorc hinterher zugab: "Verlieren ist bitter. Aber durch eine Schwalbe noch bitterer."

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Der damals 18-jährige Christian Wück wollte allerdings nichts davon wissen, dass er mit seinem "linken Ding" die Saison maßgeblich in eine andere Richtung gelenkt hatte. Fast schon trotzig sprach er in die TV-Kameras: "Nicht ich entscheide die Meisterschaft, sondern die Vereine selbst." Damit hatte er natürlich im Grunde recht. Doch für die Dortmunder fühlte es sich in diesem Moment ganz anders an. Obwohl sie mit Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart punktgleich an der Tabellenspitze standen und sie nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses hinter die beiden Konkurrenten gerückt waren, fühlten sie sich nicht nur um einen möglichen Punkt betrogen. Michael Zorc: "Es war psychologisch so wichtig, Tabellenführer zu sein."

Zum Schluss nach 38 Spieltagen - erstmals traten zwanzig Teams in der ersten Bundesliga an - sollte die Spielzeit für den BVB auch noch dramatisch enden. Wenige Minuten vor Schluss traf der Stuttgarter Guido Buchwald ("Vielleicht bin ich heute ein Stück unsterblich geworden") im letzten Saisonspiel bei Bayer Leverkusen per Kopf ins Tor des Gegners. Und während die VfB-Fans jubelten, herrschte damals in Frankfurt und Dortmund Katzenjammer. Nur die Tordifferenz ließ den BVB trotz eines gleichzeitigen Sieges in Duisburg auf dem zweiten Platz verharren. Genau wie es die Dortmunder nach der Schwalbe von Nürnberg befürchtet hatten.

Drei Jahre später profitiert der BVB von einer Schwalbe

Noch dramatischer verlief allerdings das Finish für Eintracht Frankfurt - und wieder war daran ein Schiedsrichter beteiligt. Vier Spieltage hintereinander hatte die Eintracht die Tabelle angeführt, bevor es zur letzten Partie der Saison nach Rostock ging. Und dort leistete sich Schiri Alfons Berg einen noch größeren Bock, als es sein Kollege Hans-Jürgen Kasper wenige Wochen zuvor in Nürnberg getan hatte. Nachdem sich Berg hinterher im Fernsehen die strittige Szene angesehen hatte, sagte er reumütig: "Es war ein klarer Elfmeter. Ich habe Mitleid mit der Eintracht." Das kam jedoch für Frankfurt zu spät.

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Übrigens: Fast auf den Tag genau drei Jahre nach der Schwalbe des Nürnbergers Wück profitierten die Dortmunder im Kampf um die Meisterschaft von einem noch weit unsportlicheren Vergehen eines eigenen Mannes. Andreas Möller war es, der am 26. Spieltag der Saison 1994/95 seine berühmte "Schutzschwalbe" im Spiel des BVB gegen den Karlsruher SC flog.

Sein Gegenspieler Dirk Schuster war damals meterweit entfernt - dennoch zeigte Schiri Habermann auf den Strafstoßpunkt. Hinterher sprach KSC-Profi Dirk Schuster einen legendären Satz: "Als Schwalbe würde ich es mir verbitten, mit Möller verglichen zu werden." Den Satz hätte Günter Kutowski vermutlich genau so drei Jahre zuvor auch über Christian Wück sagen können.

Quelle: ntv.de

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