
"Sorry, war nur ein Werbegag. Aber ich musste doch mal wieder einen raushauen, oder?!", sagte Christoph Daum zum Osvaldo-Transfer.
Tatsächlich ein Missgeschick oder doch ein kluger Werbegag? Egal. Die Geschichte von Peter Neururer, der glaubte, neuer Schalke-Trainer zu werden, um am Ende in Wattenscheid zu landen, ist großartig. Und bei Weitem nicht die einzige irre Story dieser Art im Weltfußball!
Peter Neururer ist einer der größten Geschichtenerzähler unserer Tage – daran kann spätestens seit gestern kein Zweifel mehr bestehen. Wer auf solch wunderbare Weise erzählen kann, wie er selbst einmal ernsthaft glaubte, Trainer des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 zu werden, um am Ende bei der SG Wattenscheid 09 zu landen, der muss nicht nur eine blühende Phantasie sondern auch das Talent für das Erkennen von populären Geschichten haben. Denn dass sich das herrliche Spektakel nie so abgespielt haben kann, zeigt eine Stelle des Telefonats Neururers mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des S04, Josef Schnusenberg: "Jupp fragte mich, ob ich helfen könne und erzählte mir, was der Klub so alles aufbauen wolle." Aber gerade dieser offensichtliche Bruch in der Geschichte ist im Grunde die größte Pointe der Story. Humor der allerfeinsten Sorte!
Doch, man glaubt es kaum, Peter Neururer ist im Weltfußball – und nirgendwo anders ist der ehemalige Bundesligatrainer zu verorten – mit seiner Geschichte nicht alleine. Berühmt wurde 1996 die Story des Coachs des FC Southampton, Graeme Souness, der damals glaubte, der Weltfußballer des Jahres, George Weah, hätte ihm persönlich am Telefon seinen Cousin Ali Dia wärmstens empfohlen. Nachdem Dia verpflichtet worden war, stellte sich allerdings erstens heraus, dass dieser am Strand stehend noch nicht einmal mit dem Ball das Meer treffen würde und zweitens, dass sich nicht Weah sondern ein Kollege von Dia bei Souness gemeldet hatte. Peinliche Nummer, aber legendär!
Pelé und sein München-Irrtum
In Deutschland verwechselte ebenfalls im Jahr 1996 der dreimalige Fußballer des Jahres in Afrika, Abédi Pelé, bei seinem Transfer nach Deutschland eine Kleinigkeit. Statt für die Roten aus München, dem FC Bayern, sollte er für die Blauen, den TSV 1860 München, auflaufen. Zu dem Missgeschick konnte es damals nur kommen, weil Pelé nie zuvor von den Sechzigern überhaupt gehört hatte.

Der schlitzohrige FC Bayern hat 1860 im Werben um Gerd Müller ausgestochen.
(Foto: imago/Horstmüller)
Dreißig Jahre zuvor hatte sich die Geschichte übrigens quasi genau andersherum abgespielt. Gerd Müller hatte sich einen Namen gemacht und sollte von 1860 unter Vertrag genommen werden. Damals hatten sich für 12.30 Uhr die Vertreter des Vereins bei seiner Mutter angesagt – doch es kam anders als gedacht, wie Gerd Müller einmal erzählte: "Als ich kam, waren gleich zwei Herren da, die ich in meiner jugendlichen Naivität für die beiden Herren von den Sechzigern hielt. Ich wunderte mich zwar anfangs, als sie sich als Herr Fembeck und Herr Sorg vorstellten, doch nach einer knappen Stunde waren wir klar: 5.000 Mark Handgeld und 500 Mark Monatsgehalt. Das war wie ein Lottogewinn für mich. Ich saß also da und dachte, ich hätte bei 1860 München unterschrieben. Die Herren verabschiedeten sich und wollten komischerweise durch die hintere Gartentür gehen. Da kam meine Mutter und sagte: ‚Du, Gerd, da sind zwei Herren aus München gerade vorne zur Tür reingekommen, die wollen dich sprechen!’ Doch da hatten die Herren des TSV 1860 München Pech. Der schlitzohrige FC Bayern hatte Müller da bereits unter Vertrag genommen.
Ebenfalls in den sechziger Jahren fiel der 1. FC Köln einmal auf einen Taschenspieler-Trick rein. Die beiden jugoslawischen Zwillingsbrüder Srdjan und Zvezdan Cebinac wollten im internationalen Fußball Karriere machen, doch nur Zvezdan war richtig begabt. Das wusste beim 1. FC Köln nur noch keiner. Als sich Srdjan im Probetraining präsentierte, waren alle so begeistert, dass man den Jugoslawen sofort verpflichtete. Als er ein paar Tage später erneut auf dem Platz stand, war von seiner Klasse nichts mehr zu sehen. Nur drei Partien und ein Tor machte er für den 1. FC Köln. Als zwei Jahre später Bruder Zvezdan beim 1. FC Nürnberg anheuerte, überragend aufspielte und mit dem Klub Meister wurde, ging den Kölnern ein Licht auf. Dieser hoch talentierte Mann damals beim Probetraining musste der Zwillingsbruder von Srdjan gewesen sein.
"Der Junge konnte sich nicht bewegen"
Eine andere schöne Geschichte hat einmal die Schalker Trainerlegende Huub Stevens erzählt. Damals war der Niederländer bei RB Salzburg angestellt und sein Manager hieß Dietmar Beiersdorfer. Stevens erinnert sich an einen irren Transfer: "Didi kam mit einem Stürmer, den ich noch nie hatte spielen sehen, dem Uruguayer Joaquín Boghossian. Er spielte zu dem Zeitpunkt auch nicht, weil in Südamerika die Spielsaison ruhte. Didi zeigte mir Videoaufnahmen von Boghossian, die keinen schlechten Eindruck machten. Er kam also. Doch beim ersten Training mit Boghossian hatte ich den Eindruck, sie hätten uns seinen Zwillingsbruder geschickt. Der Junge konnte sich nicht bewegen. Man hatte das Gefühl, alles liefe im Zeitlupentempo ab. Das hatte auf dem Video mit ihm ganz anders ausgesehen. Kurz: Er wurde ein Reinfall!" Doch das war noch untertrieben ausgedrückt. Zudem war die Verpflichtung per DVD-Sichtung der teuerste Transfer in der österreichischen Bundesligageschichte. Unglaubliche 6,9 Millionen Euro ließ sich Salzburg den Stürmer kosten – auch deshalb, weil übermittelt worden war, dass der große Diego Armando Maradona persönlich ein gutes Wort für Joaquín Boghossian eingelegt haben sollte.
Apropos Pelé: Peter Neururers ewiger Widersacher Christoph Daum lieferte in der Spielzeit 1988/89 ebenfalls eine wahrhaft fantastische Geschichte ab. Der damalige Kölner Trainer versprach den FC-Fans an Silvester, zur neuen Saison einen absoluten Kracher fürs Mittelfeld holen zu wollen – und er wüsste auch schon genau, wer das sein sollte: Der Sohn des legendären Pelé sollte nach Köln transferiert werden. Die Geschichte schlug ein wie eine Bombe. Ein echter Pelé im Müngersdorfer Stadion! Die erfolgshungrigen FC-Anhänger jubilierten bereits. Doch die Sache hatte einen Haken: Osvaldo spielte zwar Fußball, aber erstens nicht sonderlich erfolgreich und zweitens auch noch im Tor. Aber das wusste Daum bereits, als er den Journalisten die sensationelle Nachricht unterbreitete. Mit einem Lächeln auf den Lippen entschuldigte er sich: "Sorry, war nur ein Werbegag. Aber ich musste doch mal wieder einen raushauen, oder?!" Ein Schelm, wer bei dem Wort "Werbegag" nicht auch an Peter Neururer denken muss. Aber seien wir ehrlich: Seine Geschichte von Schalke und Wattenscheid ist so gut – man müsste traurig sein, wenn der selbsternannte "Verbalerotiker" diese Chance nicht beim Schopfe gepackt hätte!
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Quelle: ntv.de