Kuriose Karriere von Bayern-Star Der Weltmeister, der im Schreibwarenladen sein Glück fand
03.04.2023, 08:26 Uhr
Er lebte nicht wie "Gott in Bayern", war aber vollends zufrieden: Katsche Schwarzenbeck.
(Foto: imago sportfotodienst)
Er ist Weltmeister, Europameister und mehrfacher deutscher Meister geworden, doch nach der aktiven Karriere auf dem Fußballplatz arbeitete "Katsche" Schwarzenbeck bis zur Rente in einem Schreibwarenladen. Aber auch dort verfolgte ihn der Fußball. Denn immer wieder musste der genügsame Bayer von seinen größten Erfolgen erzählen.
15. Mai 1974. Es ist die Nacht des Hans-Georg Schwarzenbeck. Der Mann, den sie alle nur "Katsche" nennen, hat gerade durch sein Tor in der 120. Minute zum 1:1-Ausgleich den FC Bayern München vor der Niederlage im Finale des Landesmeisterwettbewerbs in Brüssel gegen Atlético Madrid bewahrt. Luis Aragonés, der kreative Mittelfeldspieler von Atlético, hatte dem Bayern-Keeper Sepp Maier nach 114 Minuten einen Freistoß ins Netz gelegt. Die Partie schien entschieden, die Bayern geschlagen. Doch dann kam der große Moment des Georg Schwarzenbeck.
Sein Spezi Franz Beckenbauer musste hinterher immer wieder diese entscheidende Szene kommentieren, die Schwarzenbeck endgültig in den Bayern-Olymp hob: "Der Katsche hat sozusagen das Verbot der Mittellinienüberquerung ignoriert. Das war eigentlich auch schon wurscht. Wir lagen im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen Atlético Madrid mit 0:1 zurück. 120 Minuten waren rum, und wir waren mit unserem Latein am Ende. Das Tor von denen war wie vermauert. Gleich würde der Schiri abpfeifen. Wir haben vor dem gegnerischen Strafraum den Ball hin- und hergeschoben. Und plötzlich taucht da, wie so ein Phantom, der Katsche auf. Er bekommt den Ball auch, es sind so ungefähr 20 Meter zum Tor. Wenn wir ehrlich sind: Der Katsche hat einfach nicht gewusst, was er tun soll. Da hat er mal geschossen."
Der Treffer wird zum Mythos
In späteren Erzählungen von Mannschaftskameraden des Kaisers wurde die Distanz zum Tor immer größer - man sprach von 30 bis 40 Metern -, doch im Grunde zählte ja auch nur eins: Der Ball landete zum 1:1 im Netz. Katsche selbst hat diesen speziellen Augenblick in seiner Karriere übrigens stets gewohnt zurückhaltend geschildert: "Dass der Ball ins Tor gegangen ist, war schon ein Glück. Standen doch alle Spieler außer dem Maier-Sepp in der gegnerischen Hälfte. Aber heute bin ich schon recht stolz, dass auch mir so ein wichtiges Tor für meinen FC Bayern gelungen ist." Wie dem auch sei, es kam zu einer Entscheidungspartie, vor der Franz "Bulle" Roth äußerst optimistisch war: "Wir wussten: Ein zweites Spiel, das spricht für uns. Denn die Madrilenen waren so deprimiert, die haben die Einrichtung im Heysel-Stadion demoliert, die haben die Haken von den Bänken gerissen in der Umkleide." Und tatsächlich: Das Rückspiel gewannen die Bayern souverän und sicherten sich so kurz vor der WM im eigenen Land den europäischen Landesmeister-Titel.
"Katsche" Schwarzenbeck ist Weltmeister und Europameister geworden, gewann dreimal den Europapokal der Landesmeister und einmal den Europapokal der Pokalsieger und durfte sechsmal die Deutsche Meisterschaft und dreimal den Titel des DFB-Pokalsiegers feiern. Und dennoch entschied er sich 1979 nach einem Riss seiner Achillessehne ganz bewusst für eine andere Karriere nach seiner Laufbahn als Fußballprofi: "Ich habe es sehr genossen, mit Müller, Maier und Beckenbauer spielen zu dürfen. Aber als ich aufhörte, war das Verlangen nicht da, weiter im Fußballgeschäft zu arbeiten. Das Leben als Trainer oder Manager wäre mir viel zu stressig gewesen." Stattdessen stellte sich Schwarzenbeck bei seiner Tante in den Schreibwarenladen in der Münchner Au und offerierte fünf Tage die Woche von 6 bis 12 und 13 bis 18 Uhr seine Artikel.
Viele Jahre später, als beim FC Bayern Spieler wie Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm als ganz junge Hüpfer herumliefen, beobachtete der damalige Nachwuchs-Trainer Hermann Gerland eine ganz spezielle Szene: "Da kommt der Katsche mit seinem kleinen VW an die Säbener Straße und bringt seine Büroartikel mit. Und da sehe ich, wie ein Spieler achtlos an ihm vorbeiläuft. Ich pfeife und rufe: Halt. Stopp! Guckt der mich an und fragt: Was ist los? Da sage ich: Junge, den hast du zu grüßen! Der ist Weltmeister und zigmal Deutscher Meister geworden."
FC Bayern kauft bei seinem Ex-Profi ein
- Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
Jüngst ist das Buch "Ein Tor würde dem Spiel guttun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten" frisch in einer aktualisierten und erweiterten Neuauflage erschienen!
Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.
Georg Schwarzenbeck selbst hätte sich niemals beschwert, dass ihn ein Spieler nicht grüßt. Er sagte stattdessen lieber, wie froh er sei, dass er seinen ehemaligen Verein mit Artikeln aus seinem kleinen Schreibwarenladen beliefern dürfe - denn diese Lieferungen würden ihn und sein Geschäft über Wasser halten. Der FC Bayern hat ihn nie vergessen. Im Falle von Katsche Schwarzenbeck wäre aber ein Vergessen wohl auch gar nicht möglich gewesen - zu groß waren seine Erfolge. Denn nicht nur beim Rekordmeister, auch in der Nationalmannschaft sorgte der emsige Verteidiger dafür, dass das DFB-Team in seinen 44 Spielen mit Schwarzenbeck nur fünf Mal als Verlierer vom Platz ging. Eine herausragende Bilanz!
Dass die oftmals etwas ruppigere Art des Bayern-Spielers, die der Comedian Atze Schröder einmal so beschrieb - "Früher, da gab es noch einen wie Katsche Schwarzenbeck. 460 Bundesligaspiele, kein Ballkontakt. Der dachte 20 Jahre lang, so'n Bein wächst nach" -, durchaus auch abseits des grünen Rasens ankam, beschreibt eine herrliche Geschichte aus dem Jahr 1974, als in einer Münchener Zeitung die Schlagzeile erschien: "Katsche die Sexbombe!". Grund für die Überschrift war ein Leserbrief im Männermagazin "Playboy", in dem ein gewisser Herr Ahrweiler über seine Geliebte klagte: "… verfiel sie anlässlich der zahlreichen Übertragungen von der Fußball-WM sofort in Verzückung, wenn jener raubeinige Verteidiger auftauchte: 'Ja, mach doch, hau drauf, jetzt, jetzt, mehr, mehr - ooohhh!' waren noch die harmlosesten Seufzer, die sie von sich gab. Ich habe manchmal gedacht, dass meine Freundin zum Orgasmus kommt - vor allem, als jener Schwarzenbeck im Zweikampf Mann gegen Mann zuschlug …" Schwarzenbecks Kommentar zu dem Brief: "Ja, mei, der oane hat's halt - und der andere net." Übrigens: Die Bundesliga-Legende Manni Burgsmüller dachte noch viele Jahre später an die ganz spezielle Spielweise des Katsche Schwarzenbeck zurück. Nach einer Sprunggelenkoperation sagte er schmunzelnd über die Gründe des Eingriffs: "Vor rund 25 Jahren hat mich der Schwarzenbeck umgegrätscht."
Als der große Kaiser Franz Beckenbauer in der Spielzeit 1974/75 zwei Eigentore in Folge schoss, war sein Torwart Sepp Maier so angefressen, dass er für die folgenden Spiele das Kommando ausgab: "Der Katsche Schwarzenbeck soll ab jetzt den Franz decken, nicht mehr den Torjäger vom Gegner. Der Franz ist zurzeit unser schärfster Gegner." Das hat Schwarzenbeck natürlich nicht gemacht, denn sein Chef auf dem Platz war stets nur einer - der Kaiser höchstpersönlich.
Gegenspieler nannten den Mann, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, übrigens gerne "Frankenstein" - aus lauter Furcht vor seinen rüden Attacken. Die Kunden im Schreibwarenladen hingegen liebten ihren Katsche für seine stets freundliche und zuvorkommende Art. Alles Gute und Glück auf, lieber Hans-Georg Schwarzenbeck, zum Geburtstag!
Quelle: ntv.de