Redelings über Jan Åge Fjørtoft Mit Felix Magath auf Alcatraz
10.01.2017, 15:46 Uhr
Nur Fliegen ist schöner: Åge Fjørtoft jubelt im Trikot der Frankfurter Eintracht.
Für seine Mitspieler sucht er die Frauen aus, unterhält sich mit ihnen auf Kongodeutsch, verachtet Sex vor dem Spiel und rettet mit Felix Magath die Titanic. Jan Åge Fjørtoft ist eben ein echter Typ. Und er fehlt der Fußball-Bundesliga.
Jan Åge Fjørtoft hat recht. Leider. Er hat einmal über den Verlust der Typen in der Fußball-Bundesliga gesagt: "Ich sterbe aus." Er war tatsächlich einer der letzten Spieler, der frei Schnauze geredet hat. Keine abgedroschenen Phrasen, sondern zum Teil hochintelligente Sätze in einer für ihn fremden Sprache. Als der Norweger mal eine schwächere Phase auf dem Rasen hatte, flüchtete er sich nicht etwa in eine platte Ausredenrhetorik, sondern antwortete mit viel Witz und Charme: "Der Castro ist ja auch müde dann und wann, man kann nicht immer revolutionär sein."
In seinen Zitaten steckt meist ein Hauch von Schalk: "Ich habe zu allem eine Meinung. Als Angestellter des Vereins darf ich aber nicht alles sagen. Das kostet mich zu viel." Eigentlich schade, dass er während seiner Zeit in Frankfurt ("Ich bin der ex-beliebteste Spieler der Eintracht") nicht so viel reden konnte, wie er wollte. Aber auch so hat er viele feine Sprüche hinterlassen. Sein Motto: "Ich hoffe, wenn ich morgens aufwache, dass ich am Tag zwei- oder dreimal ordentlich lachen kann." Es scheint so, dass er sich an schlechten Tagen selbst zu helfen weiß und die Lacher in Eigenproduktion fertigt.
Ben Redelings ist "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und leidenschaftlicher Anhänger des VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt in Bochum und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Seine kulturellen Abende "Scudetto" sind legendär. Für n-tv.de schreibt er stets dienstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Sein Motto ist sein größter Bucherfolg: "Ein Tor würde dem Spiel gut tun".
"Heute habe ich sicher so viel Unterstützung wie Leonid Breschnew früher bei den Sowjet-Wahlen", sagte Fjørtoft im Sportstudio, nachdem er das wunderschöne Siegtor gegen Bayern München - mit einem Lupfer über den Torwart-Titan Oliver Kahn - geschossen hatte. Ein großer Moment: "Das spricht vielleicht für eine schlechte Vereinskarriere - aber das war ein Höhepunkt meiner Laufbahn!" Und tatsächlich gab es nicht nur freudige Tage in der Bundesliga. Als ihm anfangs in Frankfurt ein 18-Jähriger vorgezogen wurde, war er enttäuscht: "Wenn man norwegisches Wasser geholt hat, kann man nicht erwarten, dass es italienischer Wein ist."
Auch wenn er sich unter Trainer Reinhold Fanz viel häufiger draußen am Seitenrand als auf dem grünen Rasen wiederfand, seine Kritik bettete er stets in einen humorvollen Zusammenhang ein: "Ich will nicht auf der Bank sitzen. Dafür könnt ihr auch meinen Sohn nehmen, der würde sich freuen, das Maskottchen spielen zu dürfen." Und er bot sich stets mit guten Argumenten an: "Weil der Trainer jetzt Spieler mit harten Eiern braucht." Mit etwas Abstand konnte Fjørtoft sich aber auch über unverhoffte Spieleinsätze freuen: "Die Entscheidung war zwischen mir und dem Busfahrer, aber der Busfahrer hatte keine Schuhe dabei."
Phänomenaler Übersteiger im Abstiegskampf
Damals, als er nach Frankfurt kam, hatte er gesagt: "Tore Pedersen ist ein sehr guter Freund. Ich bin jetzt hier, um für ihn eine Frau zu finden." Zu dieser Zeit konnten ihn bei der Eintracht noch nicht alle so gut verstehen. Das lag aber weniger an ihm selbst. Auf die Frage, welche Amtssprache momentan in Frankfurt auf dem Platz gesprochen werde, sagte der Norweger: "Kongodeutsch!"
Seine Scherze mit befreundeten Kollegen ("Horst Heldt hat anscheinend während der Sommerpause in der Sonne gewohnt. Den könnt ihr von der Gesichtsfarbe her auf eine Stufe mit Salou und Guié-Mien stellen") und Mitspielern ("Ich halte nix von Sex vor dem Spiel, besonders weil ich mir das Zimmer mit Salou teile") steigerten seinen Beliebtheitsgrad bei den Anhängern. Auch das weitere Umfeld verstand Fjørtoft einzubeziehen: "Eines möchte ich noch kurz anfügen. Auf der Homepage meines Kollegen Thomas Sobotzik habe ich gelesen, dass ich seinem Sohn so ähnlich sehe. Mit Frau Sobotzik habe ich aber schmunzelnd ausgemacht, dass an dieser Geschichte nichts dran ist."
Die Eintracht-Fans vergötterten ihn spätestens nach seinem Übersteiger im Abstiegskampffinale des 29. Mai 1999 gegen Kaiserslautern. Frankfurt sicherte sich durch sein Tor in letzter Sekunde den Klassenerhalt. Als seine Zeit schließlich abgelaufen war, versuchten sie ihn mit Plakaten zum Bleiben zu überreden. Auf einem stand: "Fjørtoft darf nicht gehen". Und der Angesprochene reagierte wie gewohnt: "Ich habe das erst für Kritik an meiner Person gehalten. Alle sagen immer, dass ich langsam sei. Deshalb dachte ich, die Fans wollten mich zum Rennen animieren." Später sagte Jan Åge Fjørtoft in Anspielung auf die Präsidentschaftswahl in den USA auf die Frage, ob er in Frankfurt bleibe oder schon im Winter in seine Heimat zurückgehen werde: "Einer hat mir erzählt, dass die Entscheidung so knapp ist, dass es zu einer Handauszählung kommen wird -wie in Florida!"
Mit einem speziellen Trainer verband der Norweger eine ausgeprägte Hassliebe. Eine schwierige Zeit für Fjørtoft: "Wenn man zurückschaut, freut man sich nur noch, ich kann mich gar nicht mehr erinnern, dass es bei Magath hart war, aber ich glaube schon." Die Zitate aus dieser Zeit sind bei vielen Fußballfans in bester Erinnerung geblieben: "Ob Felix Magath die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht - aber die Überlebenden wären topfit gewesen." Oder ein anderer schöner Satz: "Magaths Training ist wie ein Zahnarzttermin. Man fürchtet sich vorher, aber danach fühlt man sich besser!"
Die täglichen Übungseinheiten unter Magath hatten es Fjørtoft offensichtlich sehr angetan: "Demnächst werden wir wohl auf Alcatraz unser Trainingslager abhalten." Auf die Frage, was er mit 85 Jahren machen werde, antwortete er einmal: "Dann lebe ich in Oslo, spiele immer noch Fußball und bin immer noch so langsam." Jetzt aber erst einmal: Alles Liebe und Gute zum 50. Geburtstag und Glück auf!
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Quelle: ntv.de